Protocol of the Session on March 11, 2010

Ich zitiere abschließend eine Bemerkung von Herrn Bertling, dem Vorsitzenden des Grundschulverbandes – das sage ich für unsere Gäste auf der Tribüne –: Noten ab Klasse 2 – das haben Sie eingeführt – und verbindliche Grundschulgutachten – das haben Sie eingeführt – behindern das Lernen in der Grundschule.

(Zuruf von der FDP: Oh!)

Er hat in gleicher Weise gesagt: Sie fördern einen privaten Nachhilfemarkt ohne Ende in NordrheinWestfalen. – Das haben Sie zu verantworten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Der Nachhilfeboom begann früher in Ihrer Regierungszeit!)

Wenn es das ist, was Sie für die Kinder wollen, sage ich Ihnen: Sie gehören mit Fug und Recht abgewählt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sie sind bei der letzten Landtagswahl abgewählt worden, nicht wir!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. – Als nächste Rednerin hat nun für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Pieper-von Heiden das Wort. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal die Fakten: Die Grünen behaupten permanent, Kinder würden in großer Zahl zwangsweise Schulformen zugewiesen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Zu Sonderschulen, zu Hauptschulen!)

Das ist falsch. Den Kindern wird von Lehrkräften eine zu begründende Empfehlung für eine Schulform ausgesprochen.

(Ute Schäfer [SPD]: Eine verbindliche!)

Wenn Sie, Frau Beer, die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer als Hellseherei abqualifizieren, dann erklären Sie denen das einmal persönlich.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Offenbar halten Sie die Lehrer für weitestgehend unfähig. Die Grünen könnten vielleicht einmal erklären, warum Lehrer nach Ihrer merkwürdigen Philosophie fähig sein sollen, Lernentwicklungsberichte zu verfassen, wenn sie nach Ihrer Einschätzung diagnostisch völlig ungeeignet sind. Ich finde, das ist starker Tobak.

(Frank Sichau [SPD]: Es geht um die Prog- nose!)

Wahr ist: Kinder können auch eine Schulform besuchen, für die sie eine Empfehlung mit Einschränkungen erhalten haben. Das sind per se zwei.

Wenn darüber hinaus völlig abweichende Wünsche der Eltern bestehen, kann das Kind den Prognoseunterricht besuchen. Dabei wird ganz genau beobachtet, ob dem Elternwillen Vorrang eingeräumt werden kann. Nur wenn sich alle Pädagogen einig sind, dass das Kind selbst nicht mit Einschränkungen für eine bestimmte Schulform geeignet ist, kann es diese Schulform nicht besuchen. Im letzten Jahr haben schließlich 99 % der Kinder die Schulform besucht, die dem Wunsch der Eltern entsprochen hat. 99 % – nun mal langsam!

Wie unseriös gerade die Grünen bei diesem Thema vorgehen, zeigt zum Beispiel die im Antrag zitierte Studie des Wissenschaftszentrums Berlin, die die Grünen als wissenschaftlichen Beleg heranziehen. Diese Studie ist auf ihre Wissenschaftlichkeit hin untersucht, wissenschaftlich verrissen und als Machart bezeichnet worden.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Von der FDP!)

Dabei wird deutlich, auf welch schwacher Datenbasis einfach Behauptungen aufgestellt werden. Weiterhin wird von wissenschaftlich hoch spekulativen Messkonstruktionen gesprochen. Es sei empörend, welchen Gebrauch zum Beispiel manche Bildungspolitiker oder Lobbyisten hiervon machten. Damit sind Leute wie Sie gemeint, Frau Beer.

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

Aber Ihren Anspruch auf Wissenschaftlichkeit haben Sie längst verwirkt. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus einem Artikel der „FAZ“ vom 02.09.2009:

Wir sind nur gegen eine Sozialwissenschaft, die sich Empfehlungen anmaßt, zu deren Begründung sie, näher betrachtet, gar keine Erkenntnisse vorlegen kann.

Das klingt doch ganz nach Ihnen, Frau Beer, oder? Genau diese Studie taucht im Antrag der Grünen sozusagen als Beweis auf.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

An Ihrem Antrag, Frau Beer, stört mich aber am meisten Ihre typische menschenverachtende Sprache. Vor Bereicherung dieses Landtags durch Frau Beer lagen die Grünen zwar inhaltlich sehr oft

daneben, aber sie pflegten noch eine andere Sprache.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Grünen offenbar beim Sozialdarwinismus zu bedienen scheinen und fürchterliche Vergleiche ziehen, die sich gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte verbieten sollten.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken spricht von Selekti- on in Fragen der Bildungsgerechtigkeit!)

Sie schämen sich nicht, nach jahrelanger Debatte um die Ausgestaltung des Holocaust-Mahnmals ein Mahnmal für die geknechtete Schülerin zu präsentieren. Das haben Sie hier vor dem Landtag gemacht.

Frau Beer spricht vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte immer wieder von Selektion – gerade auch bei Kindern mit Behinderungen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie das Zentralkomi- tee der deutschen Katholiken!)

So wird auch in diesem Antrag wieder von Selektionsprozeduren und von sozialer Auslese gesprochen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das hören Sie nicht gerne!)

Offenbar sollte den Grünen jemand ihren Oswald Spengler wegnehmen.

Es wäre gut, wenn Sie sich selbst verdeutlichten, wie menschenverachtend und am sozialdarwinistischen Sprachstil orientiert Ihre Anträge sind

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Sozialdarwinismus ist doch die Expertise der FDP!)

und wie Sie auf Veranstaltungen – das ist gerade wieder in Schieder geschehen – Ihren politischen Konkurrenten, Frau Beer, Dinge in den Mund legen, die sie nie gesagt haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau! Jawohl!)

Wenn Sie auf Veranstaltungen wie kürzlich in Schieder immer wieder loben, wie sehr Ihre Kinder durch ihre Schulzeit in der Gesamtschule in ihrem Sozialverhalten profitiert haben, sage ich Ihnen: Auf die Mutter hat das leider nicht abgefärbt.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP)

Mir ist in allen Jahrzehnten meiner Berufsausübung, Frau Beer, kein einziger Mensch begegnet, der aus welchen Motiven auch immer stets so unverschämt mit Wahrheit und Unwahrheit jongliert hat,

(Ute Schäfer [SPD]: Wie Sie!)

wie Sie das tun, Frau Beer.

(Ute Schäfer [SPD]: Nein, Sie! – Weitere Zu- rufe von SPD und GRÜNEN)

Ich kenne keinen anderen Menschen, der es nötig hat, persönlich so unter die Gürtellinie zu gehen, wie Sie es sich zur Gewohnheit gemacht haben, wenn man um Positionen streitet.

(Beifall von FDP und CDU)

Eigentlich zeugt so etwas von persönlichen Komplexen. Sie können auf formal gleicher Ebene mit politisch Andersdenkenden einfach nicht anständig umgehen und verzerren Tatsachen, um nicht zu sagen: lügen, dass sich die Balken biegen. Nach Veranstaltungen greifen Sie dann unter der Gürtellinie in Facebook an, weil Sie vorher nicht so durchgedrungen sind, wie Sie sich das wohl vorgestellt haben.

(Ute Schäfer [SPD]: Frau Präsidentin, wollen Sie das gar nicht rügen?)

Können Sie sich eigentlich noch mit gutem Gewissen im Spiegel begegnen?

Frau Beer, Sie haben mir vorgehalten: Pieper-von Heiden will nicht, dass die Gymnasiasten mit den Hartz-IV-Schmuddelkindern spielen. – Frau Beer, ich habe gesagt: Beweisen Sie mir, wo ich das gesagt haben soll. Ich habe es nicht gesagt.