Protocol of the Session on February 4, 2010

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags, da die antragstellende Fraktion der SPD direkte Abstimmung beantragt hat. Wer also dem Inhalt des Antrags Drucksache 14/10596 zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP. – Enthaltungen gibt es keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächsten Tagesordnungspunkt rufe ich auf:

9 Keine gläsernen Beschäftigten – Datenmoloch ELENA stoppen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10588

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10642

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Frau Abgeordneten Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ELENA, das ist zwar auch ein sehr schöner Frauenname, aber dahinter verbirgt sich noch etwas anderes.

Die Abkürzung ELENA steht für den sogenannten elektronischen Entgeltnachweis. Dahinter verbirgt

sich schlicht der Aufbau einer der größten zentralen Sammlungen personenbezogener Daten, die wir je in Deutschland hatten. Seit dem 1. Januar dieses Jahres müssen alle Arbeitgeber Daten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – von ungefähr 40 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland – an einen Zentralrechner der Deutschen Rentenversicherung übermitteln.

Was sind das für Daten? – Es sind nicht nur Einkommensnachweise, es sind auch Daten zu Fehlzeiten, Abmahnungen und Kündigungen. Ich glaube, das dort auszufüllende Formular hat ungefähr 40 Seiten.

Was ist das Ziel? – Das Ziel war eigentlich richtig: Falls man einmal Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Elterngeld beantragen wollte, sollte man nicht mehr zum Arbeitgeber gehen müssen, um eine Bescheinigung zu bekommen, sondern die erforderlichen Daten sollten zentral abrufbar sein.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was sich hier offenbart, ist eine Datensammlung, eine Art Vorratsdatenspeicherung, die aus unserer Sicht im Hinblick auf das Verhältnis von Anzahl und Nutzen der hier gespeicherten personenbezogenen Daten unverhältnismäßig ist – 90 % davon werden nie benötigt – und deshalb ausgesetzt werden sollte. Das ist die Forderung in unserem Antrag. Ich denke, dass wir hiermit einen Datenmoloch schaffen, der unter Umständen auch noch einmal andere Begehrlichkeiten weckt. Damit werden wir dem Datenschutz nicht gerecht.

Das war das erste Problem, nämlich der Umfang der Datenmenge im Verhältnis zu deren Nutzung.

Das zweite Problem ist die fehlende Transparenz. Es gibt keine Benachrichtigung an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was alles über sie da eigentlich gespeichert wurde. Damit gibt es auch keine Möglichkeit, sich zu wehren. Es gibt zwar eine offizielle Auskunftspflicht, aber technisch ist es erst in zwei Jahren möglich, dass eine Auskunft über diese Daten gegeben werden kann. Rechtsschutz für die Betroffenen? – Auch hier: Fehlanzeige!

Das dritte Problem ist aus meiner Sicht dasselbe Problem, das wir immer haben, wenn wir den Grundsatz der Datenspeicherung bzw. der Datensparsamkeit, wie er im Bundesdatenschutzgesetz steht, betrachten. Datensparsamkeit heißt, nur Daten, die man anlassbezogen wirklich braucht, in großen Dateien zu sammeln. Dem wird man hier nicht gerecht. Warum? Weil solche Datensammlungen Begehrlichkeiten wecken.

Jetzt haben wir noch Zweckbindungen, dass ab 2015 lediglich Krankenkassen, Pflegekassen, Studentenwerke, Renten- und Unfallversicherungen, Sozialämter, Jobcenter oder – schon ab 2012 – die Bundesagentur für Arbeit Zugriff darauf hätten. Eine einfachgesetzliche Regelung kann hier weitaus mehr Zugriffe ermöglichen, und das eben auch

für Polizei, für Verfassungsschutz, für Sicherheitsorgane. Diese Daten wecken Begehrlichkeiten, die aus meiner Sicht hier vermieden werden können.

Wir meinen, das Ausmaß einer Vorratsdatenspeicherung ELENA ohne Anlass steht in keinem Verhältnis zum Nutzen und widerspricht dem Gebot der Datensparsamkeit und der Verhältnismäßigkeit. Wir fordern die Landesregierung auf, die im Bundesrat zurzeit anhängige Datensatzverordnung zu nutzen, dieser Verordnung nicht zuzustimmen,

(Beifall von den GRÜNEN)

das Verfahren auszusetzen und diese Dinge noch einmal zu prüfen. Sie gehören noch einmal auf den Prüfstand, so sehr ich das Ziel, das damals formuliert wurde, für nach wie vor nachvollziehbar halte. Was dabei jetzt herausgekommen ist, müssen wir noch einmal auf den Prüfstand stellen; denn hier geht es um hochsensible persönliche Daten von Menschen, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, in einem Riesenausmaß, die völlig anlassunabhängig gesammelt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir halten das Verfahren nicht für verhältnismäßig und möchten, dass es deshalb noch einmal neu auf den Prüfstand kommt. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Preuß das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat aus dem Stenografischen Bericht über die 200. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 22. Januar 2009 beginnen. Zitat:

Dank ELENA wird die Papierflut von jährlich 60 Millionen Entgeltnachweisen schon bald der Vergangenheit angehören. Damit werden sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Unternehmen auf sinnvolle Weise von bürokratischem Aufwand entlastet.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Hört, hört!)

Und an anderer Stelle heißt es: „Insgesamt ist ELENA ein Schritt in die richtige Richtung“. Dieser Redebeitrag, meine Damen und Herren, stammt von der Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Frau Kerstin Andreae.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Nicht zu fas- sen!)

Das ist die Ausgangslage.

Sinn und Zweck – Frau Düker hat das gerade noch einmal bestätigt – des Gesetzes sind grundsätzlich gut.

(Monika Düker [GRÜNE]: Gut gemeint, aber nicht gut gemacht!)

Das wird auch offensichtlich nicht infrage gestellt. Es dient in erster Linie den Arbeitnehmern. Es entlastet sie von bürokratischem Aufwand, den sie betreiben müssen, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Vor allem aber vereinfacht es die Durchsetzung ihrer Interessen. Sie müssen sich nicht mehr die vielfach notwendigen Arbeitgeberbescheinigungen besorgen, deren Aushändigung sie oftmals nicht oder nur mithilfe eines Anwalts durchsetzen, weil der Arbeitgeber zum Beispiel nicht mehr existiert oder sie aus welchen Gründen auch immer nicht erteilt. Zudem müssen die erforderlichen Daten nicht jedes Mal erneut ermittelt und gespeichert werden.

Es entlastet darüber hinaus die Arbeitgeber, die die erforderlichen Auskünfte, die sie ohnehin geben müssen, nun in elektronischer Form, also ohne Papierkram, der zuständigen Stelle übermitteln. Nach Schätzungen führt dies zu Einsparungen auf Arbeitgeberseite in Höhe von 85 Millionen €.

Nun aber zu den Problemen, die auch Frau Düker angesprochen hat. – Es geht doch in Berlin jetzt darum, das Gesetz umzusetzen und im Detail festzulegen, welche Daten zu melden und zu speichern sind. Das hat in der Öffentlichkeit zu Irritationen geführt.

Dabei ist eine ganz wichtige Vorfrage, ob die Politik es den Sozialversicherungsträgern überlässt, zu entscheiden, welche Daten zu melden sind, oder ob dies durch Verordnung auf der Grundlage des Gesetzes zu geschehen hat. Nun wollen Sie ausgerechnet diese Verordnung verhindern bzw. aussetzen, mit der es eben nicht Dritten überlassen bleibt, zu entscheiden, welche Daten zu melden und zu speichern sind, und mit der gerade die Politik den datenschutzrechtlichen Bedenken Rechnung tragen kann und soll.

Es ist der Initiative der Landesregierung und allen voran dem Innenminister zu verdanken, dass Form, Inhalt und Verfahren der Datenerhebung nicht etwa durch gemeinsame Vereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern, sondern durch Rechtsverordnung zu regeln sind.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Diese Initiative hat zu einer entsprechenden Empfehlung des Innenausschusses des Bundesrates und des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik und – ich glaube – auch des Wirtschaftsausschusses geführt.

Es ist festzuhalten, dass die Daten verschlüsselt werden und Dritte hierauf nicht zugreifen können; noch nicht einmal der Mitarbeiter der sachbearbei

tenden Stelle hat Zugriff auf diese Daten. Im Sinne des Doppelschlüsselprinzips ist ein Zugriff auf die Daten nur dann möglich, wenn Antragsteller und Sachbearbeiter die Daten gemeinsam abrufen. Dazu dient beispielsweise die Signaturkarte des Arbeitnehmers. All das ist natürlich technisch sicherzustellen.

Selbst der Datenschutzbeauftragte des Bundes kann nicht auf die Daten zurückgreifen, weil sie verschlüsselt sind. Er hat den sogenannten Hauptschlüssel für die zentrale Speicherstelle, kann die Daten selbst allerdings nicht abrufen.

Und an dieser Stelle ist natürlich ein Knackpunkt, ob es der Datenschutzbeauftragte sein soll, der den sogenannten Hauptschlüssel halten soll. Auch hierzu hat die Landesregierung die Initiative für eine Treuhänderstelle ergriffen; auch das ist bereits im Bundesrat aufgegriffen worden.

Es versteht sich von selbst, dass nur solche Daten mitzuteilen und zu speichern sind, die für die Bearbeitung von Anträgen der Arbeitnehmer auf staatliche Sozialleistungen benötigt werden; auch das hat die Landesregierung in ihrer Initiative klargestellt.

Die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat bereits angekündigt, dass der ELENA-Beirat, dem auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Arbeitnehmervertreter angehören, noch einmal alle zu erhebenden Daten auf ihre zwingende Notwendigkeit hin überprüfen soll,

(Beifall von Peter Brakelmann [CDU])

also ob es sich um solche Daten handelt, die wirklich unerlässlich sind.

Soweit in dem Antrag der Grünen problematisiert wird, dass zum Beispiel auch Streiktage erfasst werden, ist längst klargestellt, dass diese Zeiten nicht berücksichtigt werden. Und das ist für das weitere Verfahren auch klargestellt.

Und damit gewährleistet wird, dass bei einer Entscheidung über Anträge des Arbeitnehmers nicht Daten zugrunde gelegt werden, die er selbst beanstandet, weil sie beispielsweise falsch sind, ist geplant, ihm ein Anhörungsrecht einzuräumen, bevor entschieden wird. Im Übrigen gibt es ein umfassendes Auskunftsrecht. Das schafft Transparenz.

Darüber hinaus ist es folgerichtig, dass die Meldungen auch Angaben

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)