Andererseits häufen sich beinahe täglich die Hiobsbotschaften über notwendige Sparmaßnahmen bis hin zu bevorstehenden Schließungen von Kultureinrichtungen. Wuppertal und sein Theater ist
da nur das letzte Beispiel in einer langen Reihe von Einrichtungen, die von der Schließung bedroht sind.
Kommunale Spitzenverbände, Deutscher Kulturrat, Kulturpolitische Gesellschaft und mit ihnen viele andere warnen und mahnen mit eindringlichen Worten und fordern vor allem schnelle Hilfe vom Land. Ich habe gestern davon in einem Gespräch mit dem Sprecher der Theaterintendanten aus Nordrhein-Westfalen, Herrn Schmitz-Aufterbeck aus Aachen, noch einmal einen unmittelbaren Eindruck bekommen.
Die anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise hat die – ich sage: für einige bessere Jahre auch nur überdeckte – kritische Lage der Kulturfinanzierung in Nordrhein-Westfalen wieder offengelegt. Die letzten aberwitzigen Steuersenkungsentscheidungen der Bundesregierung werden die Lage noch einmal verschärfen: mit nahezu unausweichlichen Konsequenzen und weiteren Sparvorschlägen, auch bei der Kultur in den Kommunen.
Welche Folgen wird das alles für die kulturellen Einrichtungen, vor allem auch für die freie Szene, haben? Ich fürchte, dass hier eine fatale Abwärtsspirale in Gang gesetzt worden ist, die mancherorts zum Tod auf Raten von Kulturangeboten führen wird.
Wer darauf Antworten, die wir ja nicht nur erbeten, sondern auch erhofft hatten, in der Antwort der Landesregierung sucht, wird nun bitter enttäuscht. Steine statt Brot – das ist alles. Da wird auf geltendes Recht verwiesen, mögliche Änderungen der Rechtsgrundlagen werden lapidar als nicht vorstellbar oder nicht beabsichtigt bezeichnet, und wörtlich – ich zitiere – mit dem Satz:
Es ist keine Aufgabe des Landes, sondern die Aufgabe jeder einzelnen Kommune selbst, die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass kulturelle Bildung stattfinden kann.
Da findet man keinerlei konzeptionelle Überlegungen, wie es weitergehen soll, nur ein Ausweichen bei kritischen Fragen.
Wer in dieser Situation zum Beispiel wissen will, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, was Staatssekretär Grosse-Brockhoff, den wir alle schätzen, am 20. April des vergangenen Jahres gemeint hat, als er in Oberhausen von einem Pakt für die Kultur sprach, bekommt die wirklich weiterführende Antwort, dass er sich einer Diskussion nicht verschließen wolle. So werden vollmundig Hoffnungen geweckt, Taten aber bleiben aus. Meine Damen und Herren, Exzellenzförderung allein wird da nicht mehr reichen.
Diese Landesregierung lässt die Kommunen mit ihren Problemen allein; sie hat keinerlei Antworten auf die Schicksalsfrage für die Kultur in NordrheinWestfalen, im Gegenteil. Glaubt man beispielsweise Herrn Papke von der FDP, ist die Lage in den Kommunen ja gar nicht so schlimm. In welcher Wirklichkeit lebt er eigentlich?
Wo die Hilferufe aller Beteiligten fast täglich lauter werden, kommt von dieser Landesregierung die Aussage: Wir wollen nichts sehen und nichts hören. Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten heute war dafür wieder ein beredtes oder eben nicht beredtes Beispiel. Damit – so prophezeie ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, von der Regierung – werden Sie nicht mehr lange durchkommen.
Sie müssen endlich die Fragen beantworten, die in der aktuellen Diskussion, zum Beispiel von der Kulturpolitischen Gesellschaft, aber auch von anderen, immer lauter gestellt werden: Sind Sie für ein Substanzerhaltungsprogramm des Bundes und des Landes? Wollen Sie die Kulturfinanzierung der Kommunen durch das Land, zum Beispiel über das GFG, verlässlicher verankern? Unterstützen Sie den Vorschlag, die Kulturförderung, besonders aber die kulturelle Bildung, als eine Pflichtaufgabe, auch für die Kommunen, zu regeln und auszugestalten?
Meine Damen und Herren, wir, die NRW-SPD, haben zu all diesen und natürlich auch zu vielen anderen Fragen unsere Positionen im November beschlossen. In unseren kulturpolitischen Zielen und Leitlinien vom 8. November versuchen wir, den Auftrag in Art. 18 Abs. 1 unserer Landesverfassung zu konkretisieren und machen Vorschläge, die gerade die Anregungen aus der aktuellen Diskussion aufgreifen.
Die öffentliche Förderung von Kunst und Kultur ist für uns eine Kernaufgabe unseres demokratischen Gemeinwesens.
Auch für den Bereich der Kultur muss nach unserer Auffassung das Konzept der Daseinsvorsorge gelten. Kultur darf kein Luxus sein. Das meint eben ein flächendeckendes Kulturangebot, das zu erschwinglichen Preisen und mit niedrigen Zugangsschwellen breiten Teilen der Bevölkerung zur Verfügung steht.
„Kultur für ALLE“ bleibt die Leitidee, auch vor dem Hintergrund der auf absehbare Zeit fortdauernden Finanzkrise der öffentlichen Haushalte. Deshalb stehen wir den oben genannten Vorschlägen, zum Beispiel der Kulturpolitischen Gesellschaft, zur Veränderung des Systems der Kulturfinanzierung durch das Land aufgeschlossen gegenüber, wir befürworten sie. Wir wollen demokratische Kultur und kulturelle Demokratie.
Das erfordert zuerst einmal den Abbau von Bildungsbarrieren. Denn gute auch kulturelle Bildung ist der Zugangsschlüssel zu allen Formen von Kultur. Die ästhetische und kommunikative Erziehung in Kindergärten, Schulen und in der Berufsbildung ist eine unersetzliche Voraussetzung für den Zugang zu Kultur. Sie wollen wir deshalb in der ganzen Breite gezielt und vor allem für alle verbindlich und nicht nur in Modellprojekten weiter fördern.
Wohl kein anderes Land in der Bundesrepublik Deutschland hat eine solche Vielfalt kulturellen Lebens aufzuweisen wie unser Land NordrheinWestfalen. Darauf sind wir, denke ich, alle stolz. Sozialdemokraten haben in den fast 40 Jahren ihrer Regierungsverantwortung auf Landesebene, aber auch auf kommunaler Ebene Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen entscheidend mitgeprägt und mit vorangebracht – nicht allein, aber doch sehr maßgeblich. Von diesem sozialdemokratischen Erbe – ich nenne nur als ein Beispiel unter dem Stichwort Kulturhauptstadt die IBAProjekte im Ruhrgebiet –, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, zehren Sie heute vielerorts.
Aber dieses Erbe ist heute auch mehr denn je in Gefahr. Diese sozialdemokratische Hinterlassenschaft ist für uns vor allem mit dem Namen Johannes Rau verbunden. Er hat einmal den Satz geprägt – ich zitiere –: Kultur ist nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern die Hefe im Teig. – Das ist und bleibt richtig und wahr.
In dieser Situation sehen wir Sozialdemokraten vor allem zehn Kernaufgaben einer zukunftsweisenden Landeskulturpolitik, die ich Ihnen jetzt nicht alle vortragen werde. Nur zwei will ich nennen; ich bitte Sie, den Rest nachzulesen, wenn es Sie interessiert.
Erstens. Der Kulturauftrag der Kommunen muss durch eine verlässliche Finanzausstattung gesichert und ausgebaut werden. Dazu gehört ein ganzes Paket an denkbaren Maßnahmen: von einer Gemeindefinanzreform über Änderungen im Gemeindefinanzierungsgesetz bis hin zu der Diskussion über die Pflichtaufgabe Kultur.
Zweitens. Die zentrale Herausforderung für die Kulturpolitik der nächsten Jahre ist und bleibt der Ausbau der kulturellen Bildung. Denn sie ist die entscheidende Voraussetzung für eine aktive Teilnahme am kulturellen Leben und für die Ausbildung selbstbewusster Persönlichkeiten, auf die eine demokratische Gesellschaft angewiesen ist. Deshalb wollen wir zum Beispiel einen Kulturrucksack für jedes Kind in Nordrhein-Westfalen füllen.
Schlussendlich, das sei hier noch gesagt, wollen wir vor allem eines – nichts gegen Herrn Staatssekretär Grosse-Brockhoff, dessen Arbeit ich und
wohl wir alle schätzen, aber –: Es wird Zeit, dass hier oder da auf der Regierungsbank endlich wieder jemand Platz nimmt,
der auch als Minister mit Rederecht im Parlament und draußen Kultur und Kulturpolitik mit fachlicher Kompetenz und mit politischem Gewicht vertreten kann.
Der Ministerpräsident, Chef für das Ressort Kultur, hat nach meiner Erinnerung zu diesem Themenfeld bisher hier ein einziges Mal gesprochen, als die Kulturhauptstadt Europas verkündet wurde, dann nie wieder. Im zuständigen Ausschuss, den zu leiten ich die Freude habe, habe ich ihn nicht ein einziges Mal gesehen. Ich meine, das ist eine Missachtung der Kultur, des Parlaments und des zuständigen Ausschusses.
Wir sind, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sehr gespannt auf Ihre Antworten und auf die der Landesregierung auf die brennenden Zukunftsfragen für die Kultur in NordrheinWestfalen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Behrens. – Für die CDU-Fraktion hat Professor Sternberg das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kultur ist Ländersache. Das ist gut. Und es ist gut, dass wir heute etwas grundsätzlicher über Kultur reden, auch wenn wir das hauptsächlich in unseren Arbeitskreisen, wenn ich das richtig sehe, tun.
Wir nehmen Kultur wieder ernst. Die CDU/FDPKoalition hatte bei der Regierungsübernahme zugesagt, den dramatischen Abwärtstrend in der Kulturförderung zu korrigieren.
Herr Behrens, vor Tische las man es anders. Wenn ich mir vor Augen führe, dass die Kultur von der früheren Regierung als Kernaufgabe definiert worden ist und dann sehe, auf welch dramatische Art und Weise Kultur bis zum Doppelhaushalt 2004/2005 zusammengestrichen wurde, dann kann ich nicht erkennen, dass sie eine Kernaufgabe gewesen wäre.
Die Koalition hat Wort gehalten. Man kann der SPDFraktion durchaus dankbar sein, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat. Denn die Große Anfrage gibt uns Gelegenheit, unsere Leistungen zu verdeutlichen. Und in der Antwort finde ich überhaupt nicht Steine statt Brot, sondern ich finde da eine ganz veritable Brotzeit versammelt.
Der Kulturförderetat wurde in den Haushaltsjahren 2006 bis 2010 um rund 70,6 Millionen € auf 141,2 Millionen € verdoppelt. Das heißt, von 2005 bis 2008 stieg der prozentuale Anteil der Kulturausgaben am Gesamtetat von 0,64 auf 0,94 %. Das macht natürlich deutlich, was wir auch schon in der Regierungserklärung gehört haben, dass die Verdoppelung des Kulturetats eigentlich nicht etatpolitisch vorgegeben war. Insofern sind die etatpolitischen Argumente, die damals bei diesen drastischen Reduzierungen vorgebracht wurden, vorgeschoben. Es geht bei so geringen Prozentsätzen um eine politische Zielstellung, um eine Verortung und Bewertung dessen, was Kulturpolitik ist.
Man kann hinweisen auf das Landesprogramm „Kultur und Schule“, mit seinem überwältigenden Erfolg ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Bildung, und auf das bundesweit beispielgebende Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ – eben jedem Kind ein Instrument – als Meilenstein in der Kulturpolitik nicht mehr nur Nordrhein-Westfalens. In den Antworten auf die Fragen 74 und 75 kann man nachlesen, wie sehr das Land bei JeKi dafür sorgt, dass gerade Kinder aus einkommensschwachen Schichten an dem Projekt teilnehmen können.
Das bleibt und ist übrigens kein Modellprojekt; es wird auf das ganze Land ausgedehnt. Wir haben das auch in einem ersten Antrag hier, mit einer Summe hinterlegt, beschlossen.
Meine Damen und Herren, zur Bildung gehören auch Bibliotheken. Bibliotheken sind ein wichtiges Element kultureller Bildung. Wir hatten die Kürzungen bei der Bibliotheksförderung. Wir hingegen haben die Förderung von 1,1 Millionen € im Jahr 2005 auf heute 3,2 Millionen € angehoben, also fast verdreifacht.
Wir haben der Verantwortung des Landes für die Landestheater und Landesorchester wieder Rechnung getragen.
Ein Schwerpunkt der Kulturpolitik ist die Verantwortung für das geschichtliche Gedächtnis. Wir helfen Museen, Archiven mit ihren Sammlungen, die in ihrer Substanz gefährdet sind. Ich empfehle die Antworten 95 bis 101 zur Lektüre. Aber auch Bürokratieabbau wäre zu nennen; zudem Planungssicherheit durch Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt und vieles andere mehr.
Sowohl die kommunale Theaterlandschaft als auch die professionelle Theater- und Tanzszene wurden nicht zuletzt durch Anträge der Fraktionen von CDU und FDP in ihrer künstlerischen und qualitativen Entwicklung gestärkt.
Und natürlich nicht zu vergessen die Bewerbung des Ruhrgebiets als Europäische Kulturhauptstadt 2010: Sie wurde durch die Landesregierung nicht nur tatkräftig unterstützt, sie wäre ohne die Landesregierung gar nicht möglich gewesen.