Protocol of the Session on January 20, 2010

Bitte.

Auch das sollten Sie sich noch einmal ganz in Ruhe überlegen: Die erste Universität in NordrheinWestfalen, die die private Kofinanzierung hinbekommen hat, war nicht die RWTH Aachen, sondern die Universität Duisburg-Essen. Sie hat nicht nur die ihr zugeteilten 88 Stipendien kofinanzieren können, sondern 150.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Ein Drittel dieser Stipendien entfällt auf Studierende mit Migrationshintergrund oder BAföG-Anspruch. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Wollen Sie diesen jungen Menschen diese zusätzlichen Aufstiegschancen jetzt wieder absprechen? Ich möchte das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, obwohl der Diskussionsbedarf bestimmt noch groß ist. Ich schließe jetzt die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/10522 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Dort soll auch die abschließende Beratung und Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wenn Sie damit einverstanden sind, bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Dann haben wir dies einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

13 Die Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen Zur Weiterentwicklung des nordrhein-westfälischen Erfolgsmodells

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10518

Ich eröffne die Beratung. – Frau Kollegin Schäfer von der SPD-Fraktion erhält das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eine Vorbemerkung kann ich Ihnen nicht ersparen. Herr Pinkwart, wenn das alles so toll ist, was Sie machen, dann verstehe ich die Studierendenproteste nicht, die wir im gesamten Land haben. Das ist für mich ein völlig schiefes Bild.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Markus Töns [SPD]: Das versteht er selber nicht!)

Ich denke, alle im Land sind sich einig, dass die Berufskollegs eine ganz bemerkenswerte Schulform hier in Nordrhein-Westfalen sind. Ich kann mir vorstellen, dass die CDU gleich sagt, dass sie sich mit diesem Thema im März des Jahres 2009 in Form eines Positionspapiers auseinandergesetzt hat. Das hat die CDU-Fraktion damals auch vorgestellt. Deswegen möchte ich vorab ein oder zwei Bemerkungen zu diesem Positionspapier machen und dann zu unserem Antrag überleiten.

Ich habe es jetzt noch einmal mit Interesse gelesen und dabei festgestellt, dass die CDU in ihrer Positionierung zu den Berufskollegs auf den ersten anderthalb Seiten das Wort „Berufskolleg“ gar nicht erwähnt, sondern sich in polemischer Weise damit auseinandersetzt, dass wir das mehrgliedrige Schulsystem zerschlagen wollen.

Des Weiteren steht in diesem Positionspapier, wie die Berufskollegs aufgebaut sind. Sie haben das wunderbar erklärt. Und da wird eines deutlich: Die Berufskollegs sind so aufgebaut, dass es ein Kollegium unter einem Dach – nämlich des Berufskollegs – gibt,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

das unglaublich viele Bildungsgänge in der Sekundarstufe II vergibt. Mit anderen Worten: Sie preisen ein Bildungssystem, das mit einem Kollegium unter einem Dach quasi integrativ arbeitet, obwohl Sie eine Seite davor das mehrgliedrige Schulsystem, das wir Ihrer Meinung nach angeblich immer polemisch bekämpfen würden, hochgehoben haben.

(Beifall von der SPD)

Ich will dies nur einmal vorab feststellen. Mir ist beim Lesen aufgefallen, dass es einen unglaublichen Widerspruch in Ihrer Diktion gibt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist öfters so!)

Zu unserem Antrag! Ich denke, es ist wichtig, noch einmal hervorzuheben, dass die Berufskollegs die größte Schulform der Sekundarstufe II sind, mit einem qualitativ wirklich hochwertigen Angebot. Sie vergeben 40 % aller Hochschulzugangsberechtigungen. An Berechtigungen für die Fachhochschulen sind es sogar 80 %. Das ist eine Schulform, die

sich ständig bravourös mit allen Neuerungen auseinandersetzt und diese auch umsetzt.

Das war für uns Anlass, im März einen LandtagsTalk mit Vertretern der Berufskollegs zu machen, um mit ihnen die Situation zu erörtern. Der Antrag, den wir hier heute einbringen, ist im Grunde genommen das Ergebnis dieser Diskussion.

Im März ist noch einmal deutlich auf die schwierige Situation der Berufskollegs hingewiesen worden. Da ist zum einen der Lehrermangel. Das ist klar; über den haben wir an anderer Stelle schon debattiert; dem muss Abhilfe geschaffen werden; dazu vertreten wir unterschiedliche Positionen; aber das ist aufgeführt worden. Zum anderen – das ist auch heute noch einmal klargeworden – sind die Berufskollegs quasi Ausfallbürge der Wirtschaft, weil sie ständig mehr junge Menschen aufnehmen müssen, die in der Wirtschaft keinen Ausbildungsplatz finden. – Diese beiden Punkte machen den Berufskollegs sehr zu schaffen.

Darum haben wir gesagt, dass wir für die Berufskollegs ein Zukunftsszenario entwickeln wollen, das sich mit unterschiedlichen Aspekten befassen soll.

Es geht dabei um den Ausbau des Hochschulzugangs über berufliche Bildung. Ich glaube, da liegen wir gar nicht weit auseinander.

Es geht um den europäischen Qualifikationsrahmen, den wir als Chance nutzen und bewahren müssen, damit unser duales System nicht unter die Räder gerät. Ich glaube, auch da sind wir nicht auseinander.

Es geht um mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung über die Übernahme von Aufgaben im lebenslangen Lernprozess. Auch da können Berufskollegs mehr gestalten.

Es geht um Europäisierung. Uns ist es ein ganz wichtiges Anliegen, dass man auch über Folgendes nachdenkt: So wie es im allgemeinbildenden Bereich ein internationales Abitur gibt, könnten die Berufskollegs ein europäisches Wirtschaftsabitur vergeben. Das heißt, hier sollten wir weiterdenken und weitere Möglichkeiten entwickeln.

Wichtig ist uns auch, bei den dualen Bildungsgängen darauf zu achten, dass es in der Ausbildung der jungen Menschen keine Doppelungen gibt. Module aus den Berufskollegs können eigentlich von Fachhochschulen anerkannt werden, weil deren Angebote sehr ähnlich sind. Auch darüber muss nachgedacht werden, damit hier Ressourcen nicht unnötig verschwendet werden.

Darüber hinaus sind wir der festen Überzeugung, dass man unterhalb der Hochschulen, die Qualifizierungspotenziale haben, auch in den Berufskollegs noch viel mehr für die regionale Wirtschaft tun kann – ich meine den Fachkräftemangel –, indem man nämlich passgenau für die Bedürfnisse innerhalb der Region ausbildet.

Das sind viele der Punkte, die uns aus den Berufskollegs angetragen worden sind. Diese haben wir in einen Antrag gefasst. Ich kann nur sagen, dass ich es sehr bedauere, dass Sie in Ihrem Positionspapier eigentlich nur schreiben:

Zur weiteren Profilierung und Stärkung des Berufskollegs hält die CDU-Landtagsfraktion eine Reihe von Maßnahmen für erforderlich.

Ein Teil der Maßnahmen ist deckungsgleich; aber dieses Papier der CDU ist in der Versenkung verschwunden. Es war offensichtlich nur ein Letter of Intent. Das bedauere ich. Deswegen wünsche ich mir, dass Sie heute den Mut haben, unserem Antrag zuzustimmen. Denn ich glaube, was die Berufskollegs angeht, sind wir uns in der Sache relativ einig. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Klaus Kaiser das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD legt hier einen Antrag vor, der eher ein Positionspapier ist als ein Antrag, der zum parlamentarischen Handeln und Gestalten anregt. Das Auffallendste dabei ist: Dieser Antrag hat keinen Forderungs- und keinen Beauftragungskatalog.

Zur Sache selbst, Frau Schäfer: Es ist natürlich richtig, es ist nicht alles falsch, was in dem Papier steht. Es ist aber auch wenig Neues darin. Von daher ist er nicht besonders attraktiv.

Misslich an dem Antrag – und das macht eine Zustimmung natürlich unmöglich – ist zuallererst, dass er eben nicht auf polemische Äußerungen, sachliche Verfälschungen und politische Klischees verzichtet. Somit schaut der Wahlkampf durch manche Zeile nach dem Motto: Kurz vor der Wahl müssen wir noch ein bisschen für die Berufskollegs machen. – Genau diesen Duktus findet man auch in diesem Antrag wieder.

Vielleicht besteht noch ein bisschen Hoffnung, dass wir in manchen inhaltlichen Beschreibungen, Frau Schäfer, nicht so weit auseinander sind. Nur eines haut dem Fass den Boden aus: dass Sie sich hier hinstellen und uns etwas über Fachlehrermangel an Berufskollegs erzählen. Sie können glauben, dass die Regierung Rüttgers schon viel gemacht hat und auch viel tut.

(Beifall von der CDU)

Aber zaubern können auch wir nicht. Es geht heute rein technisch nicht, Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs einzusetzen, weil Sie vor fünf Jahren nichts getan haben. Sie haben gerade an den Berufkollegs keine Vorsorge getroffen. Wenn vor fünf

Jahren niemand ein Studium begonnen hat, kann er heute auch nicht in den Berufskollegs zur Verfügung stehen.

(Beifall von der CDU)

Ich kann Ihnen aber einmal eine Liste von etwa zehn Maßnahmen nennen, die wir getroffen haben, um diese Lücke, um diesen Fehler, den Sie gemacht haben, auszugleichen.

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD)

Das geht damit los, Frau Schäfer, dass wir die Stellenzahl erhöht haben. Das geht weiter damit, dass wir eine bessere Stellenbesetzung machen, sogenannte Frühbucher. Das geht weiter damit, dass wir die Einstellungstermine vorziehen. Das geht weiter damit, dass wir verschiedene Seiteneinsteigerprogramme fahren. Das geht weiter damit, dass wir so viele Referendarinnen und Referendare ausbilden, wie Sie sich das überhaupt nicht vorstellen konnten. Das heißt, wir machen alles, um das Besondere in den Griff zu bekommen. Sie haben das versäumt. Hier jetzt mit dummer Polemik zu kommen ist schlichtweg sachlich unangemessen.

Eine zweite Polemik, die Sie im Antrag haben, die auch unsere Zustimmung verhindert, ist, die Aufhebung der Schuleinzugsbezirke – das ist etwas, was Sie wie ein Banner vor sich her tragen – sei im Bereich der Berufskollegs kontraproduktiv. Das, was wir an Resonanz bekommen, sowohl von den dualen Partnern als auch von den Schulen selber, ist das Gegenteil: Man kommt bestens damit klar, und man reagiert positiv darauf. Das bitte ich einfach nur zur Kenntnis zu nehmen. Es zeigt, dass Frau Sommer und die sie tragenden Fraktionen die richtige Schulpolitik machen.

Den von ihnen benannten Ausbau des beruflichen Gymnasiums unterstreichen wir. Wir sind stolz darauf, dass 10 % der Abiturienten von den Berufskollegs kommen. Das ist politischer Wille gewesen, das haben wir umgesetzt, und das ist sehr konstruktiv.

Wir sind dabei, die duale Ausbildung zu modernisieren, gerade auch die Bachelor-Studiengänge davon profitieren zu lassen und die Fähigkeit gegenseitiger Anerkennung herzustellen.