Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Schäfer das Wort. Bitte, Frau Kollegin.
Danke schön, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kaiser, eines haben Sie nicht begriffen: Die Menschen in diesem Land sind natürlich sehr an bildungspolitischen Entwicklungen interessiert. Die Eltern in diesem Land sind aber an einer Sache ganz besonders interessiert: Sie wollen nämlich befragt werden, und sie wollen mitgenommen werden.
Wenn Sie heute wieder erklären: „Die Befragung von Eltern ist nichts wert; wir wissen das alles besser“, verfallen Sie in die alten politischen Rituale, anstatt zur Kenntnis zu nehmen, was in diesem Land erforderlich ist.
Wir müssen nun einmal – das merkt man am Beispiel Köln und an den Beispielen der vielen kleinen Kommunen – die Menschen im Land befragen, und zwar die Eltern der Kinder im dritten bzw. im zweiten Schuljahr, wie sie sich ein optimales Bildungs
system vorstellen. Danach müsste die Politik ihr Handeln ausrichten – und nicht das Ganze so, wie Sie das jetzt tun, weiter am grünen Tisch betreiben.
Herr Recker, Sie haben eben aus den Stellungnahmen zweier Verbände zitiert, die Ihnen ach so wohl gesonnen sind und ach so nahestehen, nämlich des Philologen-Verbands und des VBE. Hätten Sie die Stellungnahme des VBE doch einmal zu Ende gelesen! Darin führt der VBE nämlich aus:
Eine nachhaltige Verbesserung – der Bildungsqualität – würde aus unserer Sicht nur dann erfolgen, wenn ein früheres und längeres gemeinsames Lernen ermöglicht, die Schulstruktur den heutigen Anforderungen angepasst und Lehrer- und Schulleitungsstellen so attraktiv gemacht würden, dass sich genügend qualifizierter Nachwuchs für diese Stellen interessieren würde.
So lautet die komplette Stellungnahme des VBE zu diesem Punkt. Das passt auch wunderbar zu dem Ergebnis, das wir in Köln gerade bei Elternbefragungen ermittelt haben. Das heißt: Verkaufen Sie die Menschen im Lande doch nicht für dumm.
Frau Sommer, bei den Zuschauern, die gerade auf der Besuchertribüne anwesend waren, weiß man nicht, ob sie ablehnend oder zustimmend reagieren. Als Sie geredet haben, sind sie übrigens wieder nach draußen gegangen – aber auch nur deswegen, weil deren Plan das vorsah.
Ich würde da auch nie etwas anderes sagen. Ich wäre mit solchen Wertungen jedenfalls sehr vorsichtig.
Wenn wir hier im Plenum immer wieder neue Superlative präsentiert bekommen, die Menschen im Land aber eine ganz andere schulpolitische und bildungspolitische Realität wahrnehmen, dann muss die Politik darauf reagieren.
Ich mache Ihnen das einmal an einem aktuellen Beispiel von heute deutlich. Es sind ja wieder Stellen, Stellen, Stellen genannt worden, und der Jubel über den Haushalt war groß. Ganz in unserer Nachbarschaft liegt das Berufskolleg in Eller. Die Eltern der dortigen Schülerinnen und Schüler erklären heute in der „Neuen Ruhr Zeitung“ in einem großen Artikel zum Beispiel Folgendes: Von den 84,7 Stellen an diesem Berufskolleg sind zurzeit neun unbesetzt.
Fünf Lehrkräfte sind langfristig erkrankt. Drei Stellen hat das Ministerium jetzt freigegeben, von denen eine gleich wieder einkassiert wurde. Wöchentlich fallen an diesem Berufskolleg 225 Stunden aus. Sprachen werden gar nicht mehr unterrichtet.
Wahrscheinlich ist an dem allen auch noch die rotgrüne Politik schuld. Da brauchen wir uns jetzt einmal gar nichts vorzumachen.
(Beifall von Sören Link [SPD] – Ralf Witzel [FDP]: In der Tat sind Sie an der heutigen Lehrerknappheit schuld!)
Wenn Sie das, was der Ministerpräsident als Oppositionsführer gesagt hat – wir brauchen bessere Schulen, kleinere Klassen und Schulen, mehr Unterricht und keinen ideologischen Schulkampf –,
einmal mit dem vergleichen, was Sie heute im Bildungssystem vorfinden – die großen Klasen, die ausfallenden Unterrichtsstunden und Ihre merkwürdigen Unterrichtsstatistiken –,
(Ralf Witzel [FDP]: Alles deutlich besser als unter Ihrer Verantwortung! stellen Sie fest, dass eine Lücke zwischen der Rea- lität und dem klafft, was Sie hier im Landtag verkün- den. (Beifall von SPD und GRÜNEN)
Die Eltern in Nordrhein-Westfalen merken das. Sie werden nervös. Das merken Sie bei bildungspolitischen Veranstaltungen doch selber.
Nein, danke. – Im Übrigen möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der auch etwas mit Wahrheit und Klarheit zu tun hat.
Frau Sommer, im Schulausschuss konnten Sie uns nicht sagen, wie die 250 neuen Lehrer für Berufskollegs im Zusammenhang mit den Schülerzahlen zu begründen waren. Das konnten Sie nicht sagen. Am nächsten Tag hat der Finanzminister die Zahlen genannt. Warum konnten Sie diese einen Tag vorher nicht nennen? Es waren 9.000 Schüler mehr, und das würde bedeuten, dass Sie 620 Lehrerstellen einrichten müssten, um diesen Mangel zu beheben. Sie haben uns 250 verkündet, aber uns noch nicht einmal die Zahlen genannt, auf deren Basis Sie entschieden haben. Das empfinde ich wirklich als eine bewusste Täuschung. Denn der Finanzminister konnte es am nächsten Tag offensichtlich.
Ich will an diesem Beispiel nur deutlich machen, dass Sie sich in Ihrer Bildungspolitik verheddert haben. Sie können hier noch so viele schöne Zahlen präsentieren, aber auch das wird Ihnen am Ende nichts nutzen. Denn am Ende entscheiden die Eltern aufgrund der Situationen, die sie für ihre Kinder und Jugendlichen vor Ort vorfinden. Und da sieht es zurzeit nicht gut aus.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schäfer. – Als nächste Rednerin hat nun Frau Kollegin Pieper-von Heiden für die Fraktion der FDP das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schäfer, was denn nun? Halten Sie etwas von Elternumfragen oder nicht? Wenn das der Fall wäre, dann müsste auch an Ihre Ohren gedrungen sein, dass selbst von den SPD-Anhängern eine große Mehrheit nicht Ihre Einheitsschule, sondern ein gegliedertes Schulsystem möchte.
Also, einerseits sagen Sie, dass Ihnen Elternumfragen wichtig seien und dass Eltern gehört werden müssten. Diese dann aber vollends zu ignorieren, ist doch eine komische Art und Weise.
Frau Beer, ein Haushalt besteht in allererster Linie aus Zahlen und markiert auch politische Zielrichtungen und Schwerpunkte. Er besteht nicht aus Ideologie. Sie jedoch haben von so ziemlich allem gesprochen, nur nicht vom Haushalt selbst. Da sind die Zahlen wohl zu überzeugend.
Also haben wir, wie es aussieht, mit unserem Landeshaushalt 2010 wohl wirklich alles richtig gemacht. Das möchte ich hier noch einmal feststellen.
Sie reden in erster Linie von längerem gemeinsamen Lernen, und Sie wissen es: Es gibt keinen, aber auch nicht einen einzigen wissenschaftlichen Nachweis, dass längeres gemeinsames Lernen allen Schülern nütze.
Das ist eine Annahme ideologisch interessierter Kreise, dass es so sei. Dieses Ergebnis ist sozusagen herbeigebetet. Das gibt es wirklich nicht.
Wenn Sie sagen, Frau Beer, dass diese Landesregierung, dass die Fraktionen von FDP und CDU massiv gegen Gesamtschulen vorgingen, dann heißt das im Umkehrschluss, dass SPD und Grüne jahrelang massiv gegen alle Schulformen unseres gegliedertes Schulwesens – außer gegen die Gesamtschule – und damit auch gegen die Grundschule vorgegangen sind.
Wer hat den Ganztagsanteil von 20 % auf 80 % erhöht? – FDP und CDU. Wer hat die Ganztagsoffensive für weiterführende Schulen, Realschulen und Gymnasien, auf den Weg gebracht? – FDP und CDU. Und wer hat zunächst einmal an den Hauptschulen den Ganztag intensiv ausgebaut? – FDP und CDU.
(Sören Link [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht! Gleich sagen Sie noch, Sie hät- ten das Ganztagskonzept erfunden! Das ist doch lächerlich!)
Wir hatten 20 % Ganztag in der Schulform Hauptschule mit 20-%-igem Lehrerstellenzuschlag. Heute haben wir den Anteil um 30 % erhöht, und wir haben einen Lehrerstellenzuschlag von 30 %. Das müssen Sie doch endlich begreifen.