Protocol of the Session on November 5, 2009

3 Gesetz zur Schaffung von mehr Transparenz in öffentlichen Unternehmen im Lande Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/10027

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Linssen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute berät der Landtag den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Transparenzgesetz. Dieser Entwurf basiert auf einem breiten politischen Konsens; daran darf ich ausdrücklich erinnern.

Worum geht es? – Öffentliche Unternehmen wie Stadtwerke, Universitätskliniken oder auch Sparkassen und Landesbanken stehen besonders im Blickpunkt der Bürger, weil sie sich entweder aus Steuergeldern finanzieren oder die Bürger letztlich das unternehmerische Risiko tragen. Ist aber die unternehmerische Betätigung mit dem finanziellen Engagement bzw. Risiko einer staatlichen Ebene verflochten, ist es nur recht und billig, für Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Gelder zu sorgen.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD] und Ewald Groth [GRÜNE])

Die Allgemeinheit hat einen berechtigten Anspruch darauf zu erfahren, wofür die öffentlichen Mittel eingesetzt werden.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

Dies gilt vor allem auch für die Frage, welche Vergütungen Vorstände und Geschäftsführungen, aber auch Mitglieder von Aufsichtsgremien in öffentlichen Unternehmen für ihre Tätigkeit erhalten.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

Derzeit besteht in Nordrhein-Westfalen für öffentlichrechtliche Unternehmen – hierunter verstehe ich unternehmerisch tätige rechtsfähige Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts – überwiegend keine Verpflichtung, die Vergütungen der Mitglieder ihrer Leitungsebenen und Aufsichtsgremien individualisiert auszuweisen. Entsprechendes gilt auch für privatrechtliche Gesellschaften, an denen das Land oder Gemeinden beteiligt sind. Sonderregelungen gelten für börsennotierte Aktiengesellschaften.

Mit dem Gesetzentwurf soll der Transparenzgedanke bei öffentlichen Unternehmen möglichst praxisgerecht und mit Augenmaß umgesetzt werden.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

Dabei zieht insbesondere die bundesverfassungsrechtliche Kompetenzverteilung der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers enge Grenzen. Damit der Spagat gelingt, einerseits die Gesetzgebungskompetenz des Landes weitgehend auszuschöpfen, andererseits aber auch die Systematik von Landeshaushaltsrecht und Gemeindewirtschaftsrecht zu wahren, sieht der Gesetzentwurf differenzierte Regelungen auf Landes- und kommunaler Ebene vor. Dabei kann die Eingriffstiefe dieser Regelungen – je nach Normadressat und Regelungsgegenstand – durchaus variieren.

Mit dem vorliegenden Entwurf des Transparenzgesetzes nimmt Nordrhein-Westfalen bundesweit eine Vorreiterrolle ein. – Ich vermisse den Applaus des Kollegen Groth.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD] und Ewald Groth [GRÜNE])

Alle öffentlich-rechtlichen Organisationsformen wie Anstalten des öffentlichen Rechts oder auch Landesbetriebe, die unternehmerisch tätig sind, sind zukünftig gesetzlich verpflichtet, die Bezüge von Geschäftsführern und Aufsichtsräten individuell zu veröffentlichen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Guter Gesetzent- wurf!)

Bei öffentlich-rechtlichen Organisationsformen hat das Land grundsätzlich die Gesetzgebungskompetenz, die Veröffentlichung anzuweisen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Richtig!)

Bei privatrechtlichen Organisationsformen, also GmbHs oder Aktiengesellschaften, hat das Land keinen gesetzlichen Einfluss auf das Unternehmen. Gleichwohl ist das legitime Transparenzinteresse der Öffentlichkeit auch hier gegeben, soweit eine hinreichende Beteilung der öffentlichen Hand gegeben ist.

Das Land nutzt daher seine Gesetzgebungskompetenz bezüglich der hinter dem Unternehmen stehenden Gesellschaften. Deswegen werden diese gesetzlich verpflichtet, auf eine Veröffentlichung der Bezüge hinzuwirken.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Jawohl!)

Verfügen das Land und/oder die Kommunen in dem jeweiligen Unternehmen über eine beherrschende Stellung, verdichtet sich die Hinwirkungspflicht faktisch zu einer Anpassungspflicht.

Bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten, also bei Sparkassen oder der NRW.BANK, auf die das private Wirtschaftsrecht des Bundes teilweise Anwendung findet, ist der Vorrang des Bundesrechts zu beachten. So normiert beispielsweise § 340 a HGB, dass die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften für Kreditinstitute unabhängig von ihrer

organisatorischen Ausgestaltung Anwendung finden. Der Bund hat mithin abschließend unternehmensbezogene Rechnungslegungsvorschriften für Kreditinstitute geschaffen. Deshalb erstreckt sich die Gesetzgebungskompetenz des Landes auch hier ausschließlich auf die hinter dem Unternehmen stehenden Gesellschafter bzw. Träger.

Meine Damen und Herren, anknüpfend an die jeweilige Organisationsform statuiert das Transparenzgesetz deshalb bei einer mehrheitlichen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung die Verpflichtung des Unternehmens zur individualisierten Veröffentlichung bzw. eine Hinwirkungspflicht für die hinter dem Unternehmen stehenden Gesellschafter oder Träger. Hält das Land lediglich eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von mindestens 25 %, soll es auf die individualisierte Veröffentlichung hinwirken. In diesen Fällen liegt die Pflicht zur Hinwirkung im sogenannten intendierten Ermessen der jeweils entsandten oder gewählten Mitglieder des Landes in den Gremien der öffentlichen Unternehmen.

Meine Damen und Herren, neben der individualisierten Veröffentlichung der Vorstandsgehälter werden zukünftig auch die Vergütungen für die Aufsichtsräte individualisiert veröffentlicht.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sehr gut!)

Das Transparenzgesetz geht aber noch einige Schritte weiter. So umfasst der Gesetzentwurf auch Regelungen für Beraterverträge von Mitgliedern in Aufsichtsgremien.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese bedürfen zum Beispiel bei Sparkassen zukünftig der Zustimmungspflicht des gesamten Verwaltungsrates. Bei Konzernsachverhalten, also Verträgen mit Tochtergesellschaften,

(Ewald Groth [GRÜNE]: Schon gut, aber nicht gut genug!)

wird eine Anzeigepflicht statuiert. Das Land schafft zudem für seine Unternehmen die Verpflichtung, Beraterverträge individualisiert zu veröffentlichen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Transparenzgedanke gewinnt auch im kommunalen Bereich eine besondere Bedeutung;

(Ewald Groth [GRÜNE]: Der Gesetzentwurf muss aus einer guten Feder stammen!)

denn dort nehmen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes die unternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand unmittelbar vor Ort wahr. Aus diesem Grund enthält der Gesetzentwurf in einem gesonderten Artikel auch Änderungen der Gemeindeordnung im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen.

Eine wirtschaftliche Betätigung soll im kommunalen Bereich künftig nur dann zulässig sein, wenn in den

Gesellschaftsstatuten festgehalten ist, dass die Vergütungen der Mitglieder der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates und ähnlicher Einrichtungen individualisiert veröffentlicht werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Für die Landesregierung ist es ebenso selbstverständlich, dass auch bestehende kommunale Beteiligungen ihre Regelungen an die neue Rechtslage anpassen müssen. Hierzu enthält der Gesetzentwurf eine an die Kommunen gerichtete Verpflichtung. Danach haben die in die Gesellschaftsgremien entsandten kommunalen Vertreter und auch die Gemeindevertretungen auf eine Anpassung der Gesellschaftsverträge oder Satzungen hinzuwirken. Damit wird auch im gemeindlichen Bereich erreicht, dass die Öffentlichkeit über die Höhe der Bezüge führender Verantwortungsträger kommunaler Gesellschaften transparent informiert wird.

(Ewald Groth [GRÜNE]: So ist es!)

Die im Gesetzentwurf der Landesregierung enthaltene Änderung der Gemeindeordnung betrifft kommunale Gesellschaften in Privatrechtsform, aber auch Vorstände und Verwaltungsratsmitglieder von kommunalen Anstalten öffentlichen Rechts. Das Innenministerium wird parallel zu diesem Gesetzgebungsverfahren die insofern erforderlichen Einzelheiten zur Umsetzung des Transparenzgebots auch bei den Eigenbetrieben und eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen in den einschlägigen Rechtsverordnungen regeln.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Verbändeanhörung wurden keine durchgreifenden rechtsfachlichen Bedenken gegen das Gesetz vorgetragen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz auf die Stellungnahme der Sparkassenverbände und der kommunalen Spitzenverbände eingehen. Die Sparkassenverbände haben zwar Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geäußert und sich dazu auf ein Urteil zur bestehenden Rechtslage, also § 19 Abs. 5 Sparkassengesetz, berufen – Sie erinnern sich, darüber hatten wir hier schon geredet –, also auf die Norm, die im Rahmen der zweiten Lesung des Sparkassengesetzes im November 2008 anlässlich eines Antrags der Oppositionsfraktionen vom Parlament behandelt und dann von den Sparkassenverbänden kritisch betrachtet wurde.

Die Stellungnahme der Sparkassenverbände greift jedoch zu kurz. Sie lässt eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass Normadressat im Rahmen der vorliegenden Neuregelungen nicht die einzelne Sparkasse, sondern der jeweils dahinterstehende Träger ist.

Auch die kommunalen Spitzenverbände haben sich gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen. Sie befürworten zunächst eine Selbstbindung kommunaler Unternehmen und Einrichtungen auf der

Basis eines Public Corporate Governance Kodex. Die Argumentation der kommunalen Seite lautet: Erst wenn der Weg über eine Selbstbindung kommunaler Unternehmen und Einrichtungen nicht zum gewünschten Erfolg führe, könne nach einem zu bestimmenden Zeitraum eine gesetzliche Regelung in Betracht gezogen werden.

Dem Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände ist die Landesregierung nicht gefolgt.