Rudolf Virchow, der große Berliner Arzt, der im 19. Jahrhundert eine Zeit lang sowohl dem Preußischen Landtag als auch dem Reichstag angehört hat, hat die Medizin als eine soziale Wissenschaft bezeichnet und für die Politik festgestellt, sie sei nichts anderes als Medizin im Großen. Wenn das so ist, dann ist mein heutiger Abschiedswunsch an Sie: Bleiben Sie gute Ärztinnen und Ärzte für die Menschen in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Für die FDP-Fraktion hat sich noch einmal Herr Dr. Romberg zu Wort gemeldet.
Herr Dr. Romberg, da die Landesregierung um 1 Minute 30 Sekunden überzogen hat, stehen Ihnen noch knapp 1 Minute 33 Sekunden Redezeit zur Verfügung. Bitte schön, Herr Romberg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So lange brauche ich gar nicht. – Lieber Rudolf, ich möchte mich im Namen der FDP-Fraktion für die Zusammenarbeit mit dir, für deine Debattenbeiträge, die die Beratungen in diesem Parlament immer wieder belebt haben, und für die persönlichen Gespräche herzlich bedanken. Ich wünsche dir einfach alles Gute für die Zukunft.
Wir haben gerade darüber debattiert, dass die Modernisierung des Gesundheitswesens für die Versorgung der Patienten eine ganz wichtige Aufgabe ist. Wenn dort zusätzlich ein guter Arzt aus Nordrhein-Westfalen vertreten ist, hilft das, glaube ich, bei der Reform weiter.
Für mich bleibt die schwierige Aufgabe, als letzter Arzt in diesem Parlament den ärztlichen Sachverstand hochzuhalten. Das werde ich aber hinbekommen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Herr Kollege Henke, dann ist es auch an mir, Ihnen im Namen des amtierenden Präsidiums alles Gute zu wünschen für die Fahrt nach Berlin – aber auch für die Fahrten zurück nach Nordrhein-Westfalen; denn als direkt gewählter Abgeordneter bleiben Sie dem Land in besonderer Weise verbunden.
Ich komme zur Abstimmung. Ich schlage vor, dass wir so vorgehen, wie es hier vereinbart wurde. Die antragstellende Fraktion der SPD hat um eine direkte Abstimmung gebeten. Damit stimmen wir erstens über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10023 ab. Wer ist für den Antrag der SPD? – SPD und Herr Sagel. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die Grünen. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 14/10060 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die Grünen und Herr Sagel. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Es enthält sich die SPD-Fraktion. Damit ist auch dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Ich eröffne die Beratungen und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Düker das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Henke, ich habe gerade Ihre Rede gehört. Ich fand sie beeindruckend, insbesondere dass Sie darauf hingewiesen haben, dass Nächstenliebe, Brüderlichkeit und Solidarität Werte in unserer Gesellschaft sind, die einen hohen Stellenwert haben.
Diese Werte, zum Beispiel die Solidarität, haben für mich nicht nur einen hohen Stellenwert, was die Gesundheit betrifft – Versicherung für alle –, sondern so etwas ist auch in der Flüchtlingspolitik mein Leitmotiv. Das sind Menschen, die lange unter uns leben, die hier ihre Kinder geboren haben, die hier aufgewachsen sind. Sie leben zehn, teilweise sogar 20 Jahre lang unter uns und haben sich hier integriert. Auch für sie haben wir eine Verantwortung.
Diese Begriffe zählen für mich auch, wenn ich heute unseren Antrag vorstelle. Es geht nämlich um die Minderheit der Roma. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Roma in Europa – da fällt oft der etwas verklausulierte Begriff „ethnische Segregation“. Was verbirgt sich dahinter? Was ist ethnische Segregation? – Übersetzt heißt dies einfach: Dies ist eine ethnische Minderheit in den europäischen Ländern, die zumeist am Rand der Gesellschaft lebt, wenig integriert und von Diskriminierung betroffen ist.
Um diese Gruppe geht es, und es geht darum, dass sich diese ethnische Minderheit in Kosovo in einer höchst prekären Situation befindet. Sie alle wissen, dass wir diese Debatte in einer der letzten Landtagssitzungen schon einmal hatten, als wir uns für einen generellen Stopp der Abschiebungen in den Kosovo ausgesprochen haben; denn nach dem deutsch-kosovarischen Rücknahmeabkommen ist der Weg für Abschiebungen von Roma in den Kosovo frei. Wir meinen, dass dies nicht verantwortbar ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn der Antrag, sich für einen generellen Abschiebestopp auszusprechen, im Landtag keine Mehrheit gefunden hat und dies zugegebenermaßen politisch sehr schwer durchzusetzen ist, möchten wir Ihnen das Thema heute noch einmal nahebringen, unter dem Aspekt, eine humanitäre Geste zu zeigen und wenigstens die Abschiebungen in den Wintermonaten auszusetzen.
Herr Wolf, es gab eine gute Tradition Ihres Vorgängers. Ich meine, es war in den Jahren 2003 und 2004, als wir in den Wintermonaten Abschiebungen nach Serbien, die damals ebenfalls möglich waren, ausgesetzt haben, um die Menschen nicht in eine solch prekäre Situation zu bringen, insbesondere die Familien mit kleinen Kindern, nicht im Winter in diese Lager, in diese Wellblechhütten zu schicken.
Schauen wir uns die Berichte an, zum Beispiel den aktuellsten Recherchebericht von Pro Asyl. Der Sozialwissenschaftler Dr. Stefan Dünnwald war im September 2009 im Auftrag von Pro Asyl im Kosovo, um sich die Situation der zurückkehrenden Roma anzuschauen. Dieser Bericht weist aus: Es gibt für einen Roma, der in den Kosovo zurückkehrt, nach wie vor kaum eine Chance, eine menschenwürdige Existenz zu begründen. So ist die Situation. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 100 %. Der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und zur Bildung ist erschwert. Körperliche Unversehrtheit kann nicht gewährleistet werden. Die Menschen sind massiver Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Menschenrechte können von diesem Staat noch nicht geschützt werden. So lange dürfen wir diese Menschen nicht abschieben.
Die Sicherheitslage für diese Minderheit – so heißt es selbst im Lagebericht des Auswärtigen Amtes – ist nach wie vor nicht stabil. Übergriffe kommen nicht zur Anzeige, finden sich nicht in den Statistiken wieder. Es gibt sie aber. Wir haben mehr als diesen einen Bericht von Pro Asyl. Wir haben etliche Berichte, zum Beispiel vom Auswärtigen Amt. All das, was uns zurückgemeldet wird, weist darauf hin: Es ist nicht verantwortbar.
Deswegen bitten wir, wenn es schon keinen generellen Abschiebestopp gibt, heute darum, dass die Familien wenigstens nicht im Winter in diese prekäre Situation zurückkehren müssen.
Unsere zweite Forderung – Stichwort: Rückkehrprojekte –: Es wird immer auf die tollen Rückkehrprojekte verwiesen, da finanzieren wir doch etwas.
Auch dies haben wir uns einmal genau angeschaut, und auch dazu gibt es Berichte. Das Projekt URA 2 – das ist eines der zentralen Rückkehrprojekte, an dem sich auch NRW beteiligt – kann nachweislich keine nachhaltige Reintegration sichern. Es schafft ein kleines Polster für ein paar Monate, aber keine der Maßnahmen hat eine Laufzeit von länger als fünf Monate. Es ist nur ein Aufschub vor dem Absturz ins Elend – so kann man diese Rückkehrprojekte beschreiben. Sie dienen nicht der dauerhaften Existenzsicherung. Für eine kurze Zeit wird Miete bezahlt und können die Kosten von Medikamenten erstattet werden. Nach fünf Monaten ist aber meistens Schluss – wenn es überhaupt so lange geht.
Außerdem endet das Projekt am 31. Dezember 2009. Wenn schon die Abschiebungen rechtlich nicht verhindert werden können, möchten wir wenigstens, dass dieses Projekt vernünftig ausgestattet wird und dass diejenigen, die freiwillig zurückkehren, einen vernünftigen Anknüpfungspunkt in ihrem Herkunftsland haben. Das Projekt muss verlängert und qualifiziert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind bescheidene Wünsche, die wir heute äußern. Ich weiß, dass ein Abschiebestopp politisch nicht durchsetzbar ist. Aber aus meiner Sicht darf die Menschenwürde in diesem Land nicht am Flughafen Düsseldorf enden. Sprechen Sie sich bitte mit uns wenigstens für einen Stopp der Abschiebungen nach Serbien und in den Kosovo in den Wintermonaten für Romafamilien mit Kindern aus. – Schönen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! „Und täglich grüßt das Murmeltier“! Ich kann es mir nicht verkneifen, angesichts des Antrags der Grünen unter der Drucksache Nummer 14/10018 auf diesen hier im Hohen Hause schon oft zitierten Filmtitel zu verweisen.
Erst am 10. September 2009 hat der Landtag nach ausführlicher Debatte einen entsprechenden Antrag zurückgewiesen. Gleichwohl wird dieser Antrag – allerdings um den „Winterteil“ erweitert – erneut gestellt.
Wolfgang Schmitz (CDU: Erstens darf ich zur grundsätzlichen Debatte – Abschiebestopp ja oder nein – auf meine Ausführungen in der Plenardebatte vom 10. September 2009 verweisen.
Zweitens wurde in den Jahren 2002 und 2003 vom Innenminister ein sogenannter Wintererlass herausgegeben, wonach Familien mit Kindern unter 16 Jahren nicht nach Serbien und Montenegro abgeschoben werden durften; sie erhielten vielmehr eine sechsmonatige Duldung. Dies geschah damals aufgrund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz, mit der eine bundeseinheitliche Regelung gewährleistet werden sollte.
Zum einen ist heute aber eine lebensbedrohende Situation für die Rückkehrer nicht mehr zu befürchten;
dies jedenfalls ist allen offiziellen Stellungnahmen zu diesem Thema zu entnehmen. Das würde bedeuten, dass man eine humanitäre Regelung in diesem Punkt erlassen würde.
Die offiziellen Berichte, die ich kenne – diese haben Sie nicht zitiert, Frau Düker; ich möchte sie an dieser Stelle aber auch nicht alle aufführen –, gehen davon aus, dass für die Heimkehrer in den Kosovo eine lebensbedrohende Situation nicht gegeben ist, dass es vielmehr durchaus zumutbar ist, die Personen in einem vernünftigen Rahmen zurückzuführen.