Protocol of the Session on October 7, 2009

Im Gesetzgebungsverfahren haben wir verschiedene Anregungen der Sachverständigen aufgegriffen. Ich will an dieser Stelle nur zwei Aspekte herausgreifen. Das ist zum einen das Taschengeld, das wir Untersuchungsgefangenen zur Überbrückung einer unverschuldeten Bedürftigkeit gewähren wollen. Wenn sich der Anspruch gegen den Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig realisieren lässt, liegt es auf der Hand, dass ein mittelloser Untersuchungshäftling Gefahr läuft, in die Abhängigkeit von Mithäftlingen zu geraten. Genau das wollen wir verhindern.

(Beifall von der CDU)

Aber im Gegensatz zur Opposition, die lediglich die Regelungen des länderübergreifenden Modellentwurfs wörtlich übernommen hat, haben wir eine Regelung gefunden, die besser ist, nämlich die Gewährung des Taschengeldes als Darlehen. Sie führt nicht nur dazu, dass der bedürftige Untersuchungsgefangene zu Beginn seiner Haftzeit nicht vollständig mittellos ist. Nein, darüber hinaus wird auf diese Weise auch sichergestellt, dass Leistungen des Sozialhilfeträgers nicht aufgrund der Taschengeldzahlung der Anstalt gemindert werden.

Als weitere Anregung haben wir die Klarstellung der Nacktdurchsuchung und der Videobeobachtung des Anstaltsgeländes bzw. des Inneren der Anstalt aufgegriffen. Mit unseren Änderungsvorschlägen, die der Rechtsausschuss in seine Beschlussempfehlung aufgenommen hat, tragen wir der zum Teil erst im August dieses Jahres ergangenen aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfassend Rechnung und schaffen damit umfassend Klarheit und Rechtssicherheit für die Untersuchungshäftlinge wie auch für die Anstaltsleitungen und das Anstaltspersonal.

Wegen des heute kurzfristig vorgelegten Änderungsantrags zur Videobeobachtung und akustischen Überwachung darf ich hinsichtlich der Kurzfristigkeit um Verständnis bitten. Aber wir greifen an dieser Stelle auch ein Anliegen der Opposition auf, wobei wir noch ein Stück weiter gehen. Eine akustische Überwachung des besonders gesicherten Haftraums kommt ohnehin nur im Ausnahmefall in Betracht. Eine Aufzeichnung ist weder geplant noch gewollt. Dies wird durch unseren Änderungsantrag nun auch klargestellt. Insofern hoffen wir auf Ihre Zustimmung.

Ein anderer Punkt ist das Arbeitsentgelt für Untersuchungshäftlinge. Wir haben uns nach ausführlicher Beratung dafür entschieden, das Arbeitsentgelt in Anlehnung an das Strafvollzugsgesetz auch in Zukunft bei 5 % der Bezugsgröße zu belassen. Ich will Ihnen gerne erklären, warum wir dies tun.

Erstens. Im Unterschied zu Strafgefangenen sind Untersuchungshäftlinge nicht gehalten, ein Überbrückungsgeld zu bilden. Das heißt, das von ihnen erzielte Arbeitsentgelt steht ihnen sofort und vollständig zur freien Verfügung.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Zweitens. Die Mehrkosten für eine pauschale Angleichung betragen nach vorsichtigen Schätzungen 2 Millionen €. Auch das muss berücksichtigt werden.

Drittens. Selbst der von der Opposition angesprochene länderübergreifende Modellentwurf sieht keineswegs, wie von SPD und Grünen gefordert, eine pauschale Angleichung des Entgelts vor. Vielmehr finden sich dort differenzierte Regelungen, in denen das Entgelt nach Art und Qualität der Arbeit des Untersuchungshäftlings gestuft werden kann, sodass es in der Praxis vermutlich deutlich unter 9 %, teilweise sogar unter 5 % liegen wird – ganz zu schweigen vom Verwaltungsaufwand.

Viertens – damit komme ich zum Schluss –. Gegen die in unserem Gesetzentwurf gewählte Höhe des Arbeitsentgeltes sprechen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat 2004 festgestellt, dass kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz darin liegt, dass nach dem gesetzgeberischen Regelungskonzept die Arbeit von erwachsenen Untersuchungsgefangenen nicht in gleicher Weise entgolten wird wie die Arbeit von Strafgefangenen.

Wir bitten daher um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU, SPD und FDP)

Danke schön, Herr Giebels. – Für die SPD spricht nun der Kollege Stotko.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Gesetzentwurf haben wir, glaube ich, ausführlich genug diskutiert. Ich will insbesondere darauf hinweisen, dass wir durch unseren Antrag dafür gesorgt haben, dass es zu einer Sachverständigenanhörung gekommen ist. Das Schöne ist, dass das Parlament auf diese Anhörung reagiert. Ansonsten haben wir ja häufig genug eine gewisse Beratungsresistenz

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wohl wahr!)

bei den koalitionstragenden Fraktionen. Aber in diesem Fall ist es einmal so gewesen, dass die Anregungen der Sachverständigen in großer Menge aufgenommen wurden und zu einer Änderung eines Gesetzentwurfs geführt haben. Deshalb ist es umso besser, dass die SPD gemeinsam mit den Grünen diese Anhörung beantragt hat. Diese hat, wie ich finde, zu einer Verbesserung des Gesetzentwurfs geführt; das wollen wir ausdrücklich sagen.

Frau Ministerin, seltenst lobe ich die Arbeit der Regierung oder der sie tragenden Fraktionen. Das will ich hier aber einmal ausdrücklich für meine Fraktion tun.

Es ist müßig darauf hinzuweisen – ich will es trotzdem tun –, dass weiterhin drei Kritikpunkte bestehen, an denen wir hier auch festhalten wollen.

Der erste Kritikpunkt ist die Regelung zur Durchsuchung von Strafverteidigern. Wir sind weiterhin der festen Auffassung, dass wir, wenn Sie eine Formulierung gefunden hätten, die klargemacht hätte, dass es ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist, dass eine Durchsuchung also nur ausnahmsweise erfolgt, gesagt hätten: Dem, was Sie in § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 3 regeln, können wir zustimmen. In diesem Fall jedoch stellen Sie dem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ein Armutszeugnis aus; denn Sie unterstellen, dass in der Regel eine Durchsuchung möglich ist. Das steht nach unserer festen Auffassung dem staatlichen Vertrauensvorschuss entgegen, den ein Rechtsanwalt im rechtlichen Verfahren genießt. Da hätten wir gerne mit Ihnen um eine Lösung gerungen. Das war offensichtlich nicht möglich.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Der zweite Kritikpunkt ist die Möglichkeit der Nacktuntersuchung von Untersuchungshäftlingen. Wir bleiben dabei, dass auch die jetzt vorhandene Fassung verfassungswidrig ist. Wir möchten weiterhin daran erinnern, dass Untersuchungshäftlinge Untersuchungshäftlinge sind, das heißt, dass für sie auch weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Wir reden hier ja über die Frage, dass durch generelle Anordnung nach jedem Besuch eines Untersuchungshäftlings durch seine Angehörigen, nach jedem Besuch durch seinen Verteidiger die Möglichkeit besteht, den Untersuchungshäftling nackt zu untersuchen. Das hat das Bundesverfassungsge

richt im Übrigen auch in diesem Jahr wieder einmal abgelehnt. Das heißt, die generelle und unabhängig vom Einzelfall getroffene Regelung ist verfassungswidrig. Wir halten das auch in diesem Fall für falsch.

Der dritte und letzte Kritikpunkt, den ich klarmachen will, betrifft eher die Systematik und auch das, was Sie, Herr Kollege Giebels, gerade gesagt haben. Wir hätten es weiterhin besser gefunden, NordrheinWestfalen hätte sich drei Vierteln der Bundesländer der Bundesrepublik angeschlossen und den gemeinsam getragenen Entwurf mitgestaltet. Denn jetzt passiert Folgendes: nicht nur, dass wir ein eigenes Gesetz bekommen – Herr Kollege, auch wir nehmen die Föderalismusreform ernst; trotzdem darf man gemeinsam mit anderen Ländern etwas schreiben –, sondern die Verteidiger in NordrheinWestfalen sind nun auch darauf angewiesen, sowohl die Systematik und Struktur des hiesigen Gesetzes kennenzulernen und auswendig zu lernen als auch den Zwölf-Länder-Entwurf und anderes. Es wäre schön gewesen, wenn man die hiesige Systematik dem Zwölf-Länder-Entwurf angepasst hätte. Das hätte die Arbeit der Strafverteidiger in Nordrhein-Westfalen erleichtert. Die werden es Ihnen demnächst danken.

Unsere Ablehnung zum Gesetzentwurf wird Sie nicht überraschen; das ist klar. Wir stehen zu unserem Änderungsantrag, den wir eingebracht haben. Aber, Frau Ministerin und liebe Kollegen der Koalitionsfraktionen, hören Sie genau zu: Ausnahmsweise – Sie haben völlig recht – will ich die regierungstragenden Fraktionen und die Regierung noch ein zweites Mal loben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nicht so dicke!)

Denn mit Ihrem Änderungsantrag, den Sie heute kurzfristig eingebracht haben und den wir dennoch ausdrücklich unterstützen, machen Sie klar – das finde ich wichtig; das haben wir mit unserem Antrag und dem Hinweis auf die Frage der Aufzeichnung von Videos und akustischer Überwachung bewirkt –, dass Sie nicht vorhaben, die Aufnahmen selbst oder ihre dauerhafte Speicherung in dem Bereich zuzulassen. Deshalb werden wir – das wird Sie dann vielleicht doch nicht überraschen – diesen Änderungsantrag im Gegensatz zu Ihrem Gesetzentwurf unterstützen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Stotko. – Für die FDP spricht nun Herr Dr. Orth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine vollkommen neue Situation, ganz ungewohnt: Nach zweimaligem Lob von Herrn Stotko reden zu dürfen, ist mir in den letzten viereinhalb Jahren nicht einmal passiert.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das soll nicht wie- der vorkommen!)

Ich frage mich gerade, ob wir heute etwas falsch gemacht haben

(Frank Sichau [SPD]: Nein!)

oder woran das sonst liegen mag. Aber es freut einen natürlich, wenn sich die Opposition einmal lobend äußert. Es ist ja tatsächlich so, dass es das vornehmste Recht des Parlamentes ist, dass Gesetzentwürfe beraten, diskutiert werden, dass in der Zeit der Diskussion eingehende Gerichtsurteile Berücksichtigung finden. Das ist selbstverständlich.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Leider nicht!)

Wenn wir – wie in dem jüngsten Änderungsantrag, den wir heute verteilt haben – feststellen müssen, dass in Gesetzesformulierungen offenbar etwas anderes hineininterpretiert wird, als wir meinen, dann stellen wir das doch einfach lieber klar, anstatt hinterher immer wieder sagen zu müssen: Wir meinen das doch gar nicht so, wie ihr das denkt. – Diese Debatte schneiden wir damit ab.

Allerdings, Herr Stotko, können Sie zu Ihren drei Kritikpunkten von mir jetzt kein Lob erwarten; das ist auch selbstverständlich.

Was die Durchsuchung von Strafverteidigern anbelangt, erlaube ich mir einfach einmal, auf § 22 hinzuweisen. Dieser Punkt hat sich nämlich durch die Änderungen, die zwischenzeitlich erfolgt sind, erledigt. Sie üben hier Kritik an etwas, was es gar nicht mehr gibt. Insofern möchte ich Sie bitten, das einfach einmal nachzulesen. Wir zeigen Ihnen auch gerne die einschlägige Stelle im Gesetzentwurf.

Was die Frage der Nacktuntersuchung anbelangt, da haben wir, meine Damen und Herren, ganz klare Änderungen vorgenommen. Das betrifft den zweiten Kritikpunkt. Eines ist auch klar: Wenn etwas eingeschmuggelt wurde, muss man nachgucken können. Es ist nur die Frage, in welchem Regel-AusnahmeVerhältnis wir das machen. Da haben wir im Vergleich zum Gesetzentwurf deutlich abgerüstet. Ich als Liberaler sage auch ganz bewusst: gerade in unserem Sinne. Das hätten wir uns von Anfang an etwas deutlicher vorstellen können. Da hat die Rechtsprechung unseren Bedenken ja auch recht gegeben.

Inzwischen hat aber eine Abrüstung dieser Regelung stattgefunden. Insofern, Herr Kollege Stotko, kann ich nicht verstehen, was Sie hieran noch als verfassungswidrig brandmarken wollen. Wir haben ganz klar gezeigt, dass wir nicht jeden untersucht haben wollen. Die Praxis wird belegen, dass dieses Gesetz an der Stelle praktikabel ist.

Was Ihren letzten Kritikpunkt, Bund-Länder-Entwurf, anbelangt, so kann ich nur an die Debatte erinnern, die wir hier schon bei Einbringung des Gesetzent

wurfes geführt haben. Sie haben immer für einen gemeinsamen Entwurf aller Länder plädiert.

Aber ich frage mich: Warum sind wir eigentlich der Landtag von Nordrhein-Westfalen? Warum haben wir ein eigenes Baugesetz? – Es wäre, wenn man Ihre Argumentation aufgreift, für alle Anwälte, die öffentliches Recht machen, doch viel einfacher, ein Baugesetzbuch für ganz Deutschland zu schaffen: die gleichen Regelungen für alle Länder. – Das machen wir doch auch nicht.

Nehmen wir als Beispiel die Umweltgesetze. Es wäre doch viel einfacher und übrigens auch viel logischer, wenn man sie bundeseinheitlich fassen würde. – Aber nein, jedes Land gönnt sich doch ein eigenes Umweltgesetz.

Und wenn die originäre Zuständigkeit für den Strafvollzug seit der Föderalismusreform nun doch bei uns liegt, dann, meine ich, müssen wir als Nordrhein-Westfalen unseren eigenen Standard setzen. Ich möchte nicht den bayerischen Standard, ich möchte auch nicht den mecklenburg-vorpommernschen Standard, sondern ich möchte mich mit unserer Regelung des Strafvollzugs auch als liberaler nordrhein-westfälischer Abgeordneter identifizieren können.

(Beifall von FDP und CDU)

Darum, meine Damen und Herren, muss ich mich nicht hinter einem Kompromisspapier verstecken; denn nichts anderes ist das Papier der anderen Bundesländer, die sich zusammengeschlossen haben. Da wird unter dem Aspekt der Vereinheitlichung doch im Kern etwas anderes gemacht. Da wird an den Gefangenen gespart. Da wird sich verschanzt und versteckt hinter Formulierungen, anstatt dass man hier ganz klar für sich definiert, wie Resozialisierung und wie Unterbringung jeweils funktionieren soll und dergleichen mehr.

Meine Damen und Herren, ich bin nicht glücklich gewesen, dass wir im Rahmen der Föderalismusreform überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich bekommen haben. Aber wenn wir sie haben, dann sollten wir sie ernsthaft wahrnehmen. Insoweit danke ich auch dem Ministerium, dass uns ein Gesetzentwurf vorgelegt worden ist, zu dem wir als Liberale im Parlament Ja sagen können. Es ist für die Untersuchungshaftgefangenen ein guter, positiver Schritt in die Zukunft. Auch insofern ist es gut, dass wir heute Ja sagen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Orth. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun Frau Düker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Kollegen