Protocol of the Session on September 10, 2009

abgegeben. Bei der zweiten jetzt in Frage stehenden Tranche werden wir eine Garantie von 1,52 Milliarden € abgeben. Das sind zusammen 5,28 Milliarden €. Das sage ich nur, damit Sie in Zukunft auch die richtigen Zahlen verwenden, wenn Sie darüber sprechen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Groth?

Ja, gerne.

Nein? – Gerne. Ich dachte, ich höre nicht richtig; denn das wäre bei Ihnen etwas ganz Neues.

Immer gerne.

Herr Kollege Groth, bitte schön, Sie haben das Wort.

Nein, nein, Herr Präsident. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, Herr Finanzminister Linssen und ich mögen uns sehr. Deshalb lässt er die Zwischenfragen auch gerne zu; denn es sind meistens Stützfragen.

(Zuruf)

Ja, wir gehören in der Frage der Finanzen schwer zusammen.

Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass nicht nur das Landesgeld in Höhe von ca. 3,5 Milliarden € dazugerechnet werden kann, was direkt über die Steuern von den Bürgerinnen und Bürgern abgerechnet wird, sondern dass auch das Geld dazu gehört und Steuergeld ist, was über die Landschaftsverbände in diesen Bürgschaftsschirm gegeben worden ist? Auch die Garantien, die die Sparkassen geben müssen, sind im Grunde genommen auch kommunales Geld und damit Vermögen der Bürgerinnen und Bürger. Müssen Sie mir nicht zustimmen, dass das insgesamt doch die 9 Milliarden € sind und dies 500 € pro Bürgerin und Bürger ausmacht? In einer vierköpfigen Familie ist das jetzt schon ein Risiko von 2.000 €.

Herr Groth, stellen Sie sich einmal vor, was es ausmachen würde, wenn Sie das auf die 112 Milliarden € Schulden umrechneten, die uns die Roten und die Grünen hinterlassen haben.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Ich antworte aber gerne auf Ihre Frage. Wenn Sie den kommunalen und den Landessteuerzahler zusammennehmen, sind es selbstverständlich 9 Milliarden €. Sie richten den Vorwurf aber immer gegen

die Landesregierung. Dagegen wollte ich mich wehren. Ich glaube, das ist bei Ihnen auch richtig angekommen.

Die Zeit ist begrenzt. Lassen Sie mich daher noch Folgendes sagen: Die Landesregierung unterstützt die Forderungen nach einer grundlegenden Veränderung der Bonussysteme auch auf internationaler Ebene. Was die G20-Staaten derzeit in Vorbereitung auf den Gipfel von Pittsburgh Ende des Monats planen, ist die wohl ambitionierteste Neujustierung der Regeln für die Finanzmärkte, die es bisher gegeben hat. Banken sollen über verschärfte Eigenkapitalanforderungen verpflichtet werden, sich selbst besser vor Zusammenbrüchen zu schützen. Hedgefonds sollen ebenfalls eine Mindestkapitalausstattung vorhalten, um spekulative Schneeballsysteme zu erschweren.

Es ist unverkennbar, dass die Finanzmarktkrise das politische Denken verändert. Das ist richtig. Wir brauchen eine Rückbesinnung auf kaufmännische Grundtugenden und die soziale Verantwortung wirtschaftlichen Handelns auch und gerade auf den Finanzmärkten. Kurz gesagt, brauchen wir eine Rückkehr zu den Fundamenten der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall von der CDU)

Dazu gehört auch die Frage nach dem moralischen Fundament unserer Wirtschaftsordnung. Grundlegender gefragt: Wie muss eine globale Wirtschaftsordnung aussehen, wenn sie auf Dauer funktionieren und von den Menschen auch akzeptiert werden soll?

Die soziale Marktwirtschaft gibt dem Wirtschaftenden einen Ordnungsrahmen. Sie ermöglicht die richtige Balance zwischen Freiheit und Verantwortung. Dieses Grundverständnis findet sich auch in den aktuellen Debatten über eine neue Weltfinanzarchitektur wieder.

Dies, meine Damen und Herren, hat auch direkte Folgen für die in den letzten Jahren entstandene Abkoppelung der Vergütungssysteme von der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen. Es ist den Menschen nicht vermittelbar, dass die Managergehälter explodieren, wenn gleichzeitig Banken vor der Pleite stehen. Es muss wieder so sein, dass die Manager wie ihre Mitarbeiter in guten Zeiten die Früchte ihrer Arbeit ernten, in schlechten Zeiten aber auch ebenso sparen wie das Unternehmen insgesamt.

(Gisela Walsken [SPD] geht zu ihrem Platz.)

Frau Walsken, es wäre schön, wenn Sie zuhören könnten; denn wir haben sicherlich auch in Zukunft noch öfter Diskussionen über dieses Thema.

Es ist zum Beispiel richtig, meine Damen und Herren, wenn geregelt wird, die Auszahlung von Bonuszahlungen über mehrere Jahre zu strecken, sie erst am Ende einer erfolgreichen Periode zu zahlen

oder eine Höchstgrenze für den Anteil der Boni an der Gesamtvergütung festzulegen. Denn zweifellos haben aggressive Vergütungssysteme einen deutlichen Einfluss auf die Entstehung der Finanzmarktkrise gehabt. Es wurden diejenigen belohnt, die schnelle Erfolge in den Büchern hatten. Auf die mittel- und langfristigen Risiken wurde vielfach kaum geachtet. Wenn die Risiken sich realisierten, waren die Vergütungen längst gezahlt, der Banker teilweise schon wieder bei der nächsten Bank. Das ist nicht nachhaltig, sondern das ist ruinös für das Institut und für die gesamte Branche.

Es wäre deshalb konsequent, in gleicher Weise zukünftig Malusregelungen einzuführen, wenn Geschäfte eben nicht laufen und bei der Bank zu Verlusten führen. Das würde die Verantwortung für das eigene Tun und für das Unternehmen deutlich stärken.

(Beifall von der CDU)

Bei uns in Deutschland gibt es bereits heute als Konsequenzen aus diesen Fehlsteuerungen drei wesentliche Regelungsbereiche; das darf ich vielleicht gerade auch in die Richtung der Opposition sagen.

Erstens. Die neu gefassten Mindestanforderungen an das Risikomanagement, aufgestellt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, also BaFin, sind grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2009 in allen Banken umzusetzen. Hier ist vorgesehen, insbesondere die Vergütungssysteme so zu verändern, dass sich negative Geschäftsentwicklungen künftig auch in der variablen Vergütung niederschlagen. Das ist die sogenannte Malusregelung.

Zweiter Punkt. Im Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz ist eine neue Ermächtigung enthalten, die es der Bundesregierung erlaubt, nähere Bestimmungen für solche Banken zu treffen, die Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin in Anspruch nehmen. Das betrifft vor allem Vergütungssysteme und Vergütungen von Organmitgliedern und Geschäftsleitern. In der inzwischen erlassenen Verordnung findet sich auch die öffentlich immer wieder diskutierte grundsätzliche Gehaltsobergrenze für Vorstände von 500.000 €.

Drittens ist das Aktiengesetz geändert worden. Der neue § 87 Abs. 2 Satz 1 des Aktiengesetzes gebietet es beispielsweise dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, vertraglich vereinbarte Bezüge auf eine angemessene Höhe herabzusetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung der Bezüge so verschlechtert hat, dass eine Weitergewährung der höheren Vergütung unbillig wäre.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Auf internationaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene sind die Rahmenbedingungen für die Banken, aber auch für die Bankmanager in den letzten Monaten so drastisch

verändert worden wie nie zuvor. Die Politik hat gehandelt, und sie wird auf dem G-20-Gipfel weiter handeln.

Vor diesem Hintergrund ist der hier vorliegende Antrag in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

Erstens. Die SPD-Fraktion hat all diese Entwicklungen offensichtlich gar nicht zur Kenntnis genommen – und das, obwohl in Berlin nicht nur die Kanzlerin dieses Thema intensiv beackert, sondern auch ein sozialdemokratischer Finanzminister mit Wahlkreis hier in Nordrhein-Westfalen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr richtig!)

Man könnte dann natürlich darüber nachdenken, dass es vielleicht gar nicht um die Sache, sondern nur um Stimmungsmache geht.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Genau so ist das!)

Das wäre sehr traurig, denn dafür sind die Vorgänge viel zu ernst.

Ein Zweites. Die Vorstände, die bei der WestLB heute Verantwortung tragen, haben mit den Geschäften, die zu der krisenhaften Zuspitzung bei der Bank in der Vergangenheit beigetragen haben, nichts mehr zu tun.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Jetzt doch, Herr Linssen? – Zuruf von Rüdiger Sagel [frakti- onslos])

Sollen diese Vorstände über parlamentarische Debatten dafür diffamiert werden, dass sie zum Aufräumen bei der WestLB bestellt wurden?

(Gisela Walsken [SPD]: Ach? Wird der Vor- stand denn ausgewechselt?)

Ich sage auch deutlich: Wir waren 2008 sehr glücklich, eine so gute Vorstandsmannschaft verpflichten zu können.

(Lachen von Frank Sichau [SPD])

Ein Drittes möchte ich zu dem Antrag bemerken: Er verkennt gegen besseres Wissen die Eigentumsverhältnisse an der WestLB AG und die geltende Rechtslage. Bei allen Neuregelungen auf Bundesebene wurde in den letzten Monaten aus guten Gründen immer zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften sowie zwischen bestehenden Verträgen und Neuabschlüssen differenziert. Diese aus rechtlichen Gründen erforderliche Unterscheidung verkennt die SPD-Fraktion; aber auch Herr Groth hat sich dieser Unterscheidung offensichtlich nicht anschließen können.

Bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft wie der WestLB Aktiengesellschaft ist es ausdrücklich der Verantwortung der Eigentümer überlassen, die richtigen Instrumente für die Gesellschaft zu finden.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Mehrheitseigentümer der WestLB AG sind aber, anders als die von der SPD-Fraktion ausschließlich an die Landesregierung gerichtete Forderung suggeriert, die Sparkassenverbände.

Wenn ich richtig zugehört habe, hat Frau Walsken heute eine kleine Nuancierung hineingebracht. Sie hat hier gesagt, das Land solle darauf hinwirken. Das ist völlig korrekt. Dann haben Sie aber den Satz angeschlossen, das Parlament solle das beschließen.

(Gisela Walsken [SPD]: In unserem Antrag steht: „dafür Sorge zu tragen“! Lesen Sie es nach!)

Wenn Sie meinen, dass wir darauf hinwirken sollen, bin ich völlig damit einverstanden.