Sie haben das Ohr nicht mehr in der Bevölkerung. Fragen Sie einmal vor Ort nach. Auch diese Probleme sind nicht gelöst.
Meine Damen und Herren, es geht ja nicht nur um den höchsten Ausgabenstand. Damit einher geht nämlich der höchste Schuldenstand des Landes, den wir je erreicht haben. Sie haben es inzwischen geschafft, dass wir jedenfalls in der Planung – das wird nicht reichen – bei einem Schuldenstand von 128 Milliarden € angelangt sind. Auch dazu sagen Sie: Wir können nicht wirklich etwas machen. Das ist die Wirtschaftskrise. – Am Jahresende werden Sie bei über 130 Milliarden € gelandet sein. Auch dafür nehme ich jede Wette an. Herr Finanzminister, die Wette gilt, wenn Sie gleich einschlagen. Sie werden bei einer Verschuldung von mindestens 130 Milliarden € in diesem Lande liegen bleiben.
Gleichzeitig fällt das Land wirtschaftlich zurück. Betrachten Sie nur einmal unsere Zahlungen in den Länderfinanzausgleich: Man kann sehr deutlich spüren, dass wir in der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vorne mitschwimmen. Über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg waren wir Nettozahler. Ab und zu sind wir inzwischen sogar schon zum Nehmerland geworden. Nach neuesten Planungen zahlen wir noch einmal 100 Millionen €. Das ist ein Scherz! Unter Ihrer Regentschaft ist Nordrhein-Westfalen wirtschaftlich nicht nach vorne gekommen, sondern Nordrhein-Westfalen ist im Vergleich mit den anderen Bundesländern zurückgefallen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zum Wassercent sagen; das ist auch eine haushalterische Frage. Die FDP ist 2005 mit der Ansage gestartet, dass der Wassercent abgeschafft wird. Jetzt befinden wir uns im Jahre 2009.
2010 soll es dazu kommen, dass der Wassercent zumindest in Zehn-Jahres-Raten auf Null gefahren wird. 2005 ist er mit einem Betrag von 86 Millionen € gestartet. In Schritten von 8,6 Millionen € werden Sie den Wassercent abbauen. Im Jahre 2020 werden Sie die Bevölkerung von diesem Wasserpfennig entlastet haben,
Sehr geringfügig. Das, was Sie an Schulden anhäufen und wofür wir Zinsen und Tilgung in diesem Lande zu zahlen haben, ist ein Vielfaches von dem, was Sie den Menschen innerhalb von zehn Jahren zurückgeben wollen. Stattdessen verpassen Sie die ökologische Lenkungswirkung einer solchen Abgabe. Die Großunternehmen, die zum Schaden unseres Naturhaushaltes viel Wasser verbrauchen, sind durch eine solche Abgabe nämlich angehalten, Wasser zu sparen. Sie in Ihrem Klein-Klein-Kariertem können aber nur eine Wasserabgabe von 86 Millionen € sehen.
Wenn der Erfolg dieser Koalition lediglich darin besteht, dass Sie die Bevölkerung, aber im Wesentlichen nicht die Privathaushalte – im Wesentlichen entlasten Sie ja die großen Firmen –, um 8,6 Millionen € im nächsten Jahr entlasten wollen, muss ich wahrlich sagen: Das ist weder ein Erfolg für private Haushalte noch ein Erfolg für Industrieunternehmen. Es ist eine Niederlage, was Ökologie und Lenkungswirkung insgesamt im Landeshaushalt angeht.
Meine Damen und Herren, ich will noch einmal auf das andere Thema zurückkommen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen haben es nicht nötig, dass sich dieser Ministerpräsident vor sie stellt. Sie haben es nicht nötig, dass man ihre Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern, aber auch die in diesem Land, verunglimpft.
Deshalb meine ich, wir sollten diese Haushaltsberatungen nicht nur zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, wie wir mehr Integration in diesem Lande schaffen können, sondern auch zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, wie man es als gewählter Politiker schaffen kann, zuzugeben, etwas falsch gemacht zu haben, und zu sagen, das es in Zukunft nicht mehr vorkommen soll: Es tut mir leid! – Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Groth. Gibt es weitere Wortmeldungen zum Haushalt? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir kommen zum GFG. Ich erteile Herrn Jäger für die SPD-Fraktion das Wort.
definanzierungsgesetz beraten, das zum Inhalt hat, wie erhebliche Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen unter den 396 Kommunen aufgeteilt werden sollen. Dazu hat der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen vor etwa vier Stunden eine Rede gehalten. Wir sollten im Ältestenrat einmal darüber diskutieren, ob diese Art der Haushaltsberatung überhaupt Sinn macht.
Wenn es nicht Rede und Widerrede gibt, sondern erst vier Stunden später auf vergangene Zitate Bezug genommen werden kann, ist das dem Parlamentarismus nicht sonderlich dienlich.
(Ewald Groth [GRÜNE]: Obwohl wir alle ein langes Gedächtnis haben, gerade was Ver- sprechungen angeht!)
Herr Groth, wir haben nicht nur ein gutes Gedächtnis, es ist auch protokolliert, und wir können darüber hinaus mitschreiben; ein bisschen habe ich heute Morgen mitgeschrieben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten einen Blick auf die Finanzsituation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen werfen. Diese haben rund 13 Milliarden € Kassenkredite aufgehäuft. Dem, was bei uns der Überziehungskredit beim Girokonto ist, entsprechen bei den Kommunen kurzfristige Kredite bei Bankinstituten, die sie für teures Geld haben aufnehmen müssen, um ihre Aufgaben zu finanzieren.
Jede vierte Kommune in Nordrhein-Westfalen – Herr Dr. Wolf, wir sollten nicht darüber streiten, was ursächlich auf das Neue Kommunale Finanzmanagement zurückgeht – hat keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Diese dramatische Situation hat sich insbesondere in den letzten zwei Jahren im Rahmen einer Hochkonjunktur, in der die Steuereinnahmen so sehr sprudelten wie noch nie zuvor, zugespitzt. Dennoch sind eine ganze Reihe – die meisten – Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit ihrem Geld nicht ausgekommen und haben Schulden machen müssen, einige in einer existenzbedrohenden Höhe.
Viele Kommunen sind finanziell schlichtweg am Ende. Sie schaffen es nicht, die ihnen übertragenen Aufgaben, Pflichtaufgaben wie beispielsweise die Sozialausgaben, die Hilfen zur Erziehung, die Eingliederungshilfen für Behinderte, die dynamisch wachsen, zu erfüllen, auch weil die Landeszuweisung die Dynamik nicht nachvollzogen hat. Sie verfügen über ein strukturelles Defizit, das sich aus Einnahmen auf der einen Seite und Ausgaben auf der anderen Seite erklärt; ein Defizit, das vielerorts so groß ist, dass die Kommunen selbst dann, wenn sie auf alle freiwilligen Leistungen verzichten würden – Hallenbad, Bücherei, Museum, Schauspielhaus –, nicht in der Lage wären, die ihnen übertragenen Aufgaben mit dem zur Verfügung stehenden Geld zu finanzieren. Sie würden – und tun dies seit
Jahren – vergeblich und immer wieder sparen, tatsächlich aber immer weiter in die Schuldenfalle hineinsteuern und letztendlich auf einem Schuldenberg sitzen, der von ihnen selbst nicht mehr abzubauen ist.
Sicherlich gibt es auch aus den Kommunen immer wieder plakative Beispiele, dass Ausgaben nicht sachgerecht getätigt worden sind. Aber das ist keine Erklärung und erst recht keine Entschuldigung dafür, dass die Kommunen schon vor der Finanzkrise in großen Schwierigkeiten waren und ihre Finanzausstattung seit vielen Jahren völlig unzureichend ist. Sie sind nicht mehr in der Lage, die aufgehäuften Altschulden sowie die strukturellen Defizite aus eigener Kraft abzudecken. Das hat im Übrigen nichts mit politischer Farbenlehre, also damit zu tun, wer gerade die Mehrheit in der jeweiligen Kommune hat. Vom tiefen Oberbergischen Land bis hin ins Ruhrgebiet gibt es überall dieselben Probleme.
Das ist äußerst deprimierend für die neu gewählten Ratsmitglieder und Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten. Sie finden Haushalte vor, die ihnen die nach der Verfassung des Landes NordrheinWestfalen übertragenen Rechte und Pflichten nehmen, nämlich sich sehr ortsnah und zielorientiert um die Probleme der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden zu kümmern. Es existieren Haushalte, die jeden Gestaltungsspielraum vermissen lassen.
Das ist, objektiv betrachtet, die Situation in den nordrhein-westfälischen Kommunen, die nicht von der SPD oder anderen schlechtgeredet wird, sondern das ist die Meinung der kommunalen Spitzenverbände, der Finanzwissenschaft und derer, die sich seit vielen Jahrzehnten im kommunalen Finanzbereich tummeln. Die Lage hat sich trotz Hochkonjunktur in den letzten drei Jahren dramatisch verschlimmert.
Es ist die Frage: Was legt die Landesregierung angesichts einer solchen Situation vor? Wie begegnet sie diesen Problemen? Wo sind ihre Lösungen, Konzepte, Ideen, wo sind ihr Mut und ihre Kraft, tatsächlich einer solchen Situation zu begegnen?
Ich habe heute Morgen zwei Dinge mitgeschrieben, die Herr Innenminister Wolf erklärt hat: Es gebe eine gute Nachricht für die Kommunen. Der Zuweisungsstand sei der zweithöchste in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen. – Das mag rechnerisch noch stimmen, Herr Wolf, aber Sie wissen selbst, dass das unwahr ist. Wahr ist, dass sich dieser Zuweisungsstand aus einem Referenzzeitraum ergeben hat, für den noch völlig andere Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt worden sind. Um es einfach aus
zudrücken: Sie werden den Kommunen im nächsten Jahr im Rahmen des GFG wieder einiges von den 7,2 Milliarden € wegnehmen.
Meine Damen und Herren, unser Innenminister hat heute Morgen gesagt: Das Land NordrheinWestfalen ist ein verlässlicher Partner der Kommunen.
Wahr ist dagegen – das kann ich Ihnen nicht ersparen –, dass es eine ganze Liste von Grausamkeiten gibt, die in den letzten Jahren in einer unheilvollen Allianz zwischen Finanz- und Innenminister einen Rollgriff auf, ja geradezu einen Raubzug durch die kommunalen Kassen ausgelöst haben.
Sie haben dafür gesorgt und hier beschlossen, dass die Grunderwerbsteuer für die Kommunen wegfällt – jährlich 180 Millionen €. Das heißt, die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben seit 2006 720 Millionen € weniger erhalten.
Sie haben den Verbundsatz um 1,17 % reduziert; das sind noch einmal 414 Millionen €. Kürzung bei der frühkindlichen Bildung: 141 Millionen € weniger. Kürzung der Förderung der Betriebs- und der Investitionskosten bei Kindergärten: 87,5 Millionen € weniger. Einbehaltung von Bundesmitteln für Betriebskosten für Krippenplätze: 72 Millionen € weniger. Kürzung für Kindertagesstätten mit besonderen Angeboten: minus 18,7 Millionen €.
Unterdeckung im Landesjugendplan seit 2006, Herr Linssen: 78,8 Millionen €. Kürzung der Erstattung bei der Schülerbeförderung: 115 Millionen €. Kürzung der Zuschüsse nach dem Weiterbildungsgesetz: 34 Millionen €. Streichung der Mittel für unabhängige Beratungsstellen: 4,9 Millionen €. Streichung der Kofinanzierung beim Ziel-2-Programm: 6,8 Millionen €. Kommunalisierung der Umweltverwaltung: 24 Millionen €. Kappung der Haushaltsmittel „Frau und Beruf“: 9 Millionen €. Kürzung bei den Mitteln für die Frauenhäuser: 9,4 Millionen €. Verdoppelung des Anteils an den Krankenhausinvestitionen: 330 Millionen €.
Wenn man das einmal zusammenrechnet, stellt man fest, dass Sie die Kommunen in NordrheinWestfalen seit 2006 um 1,15 Milliarden € schlechter gestellt haben.
Das ist aber noch längst nicht alles. Sie wissen, dass seit 2006 ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen existiert, in dem dem Begehren der klagenden Kommunen recht gegeben und festgestellt wird, dass die Heranziehung der Kommunen zur Finanzierung des Solidarpaktes Ost offensichtlich, um es einmal dip
lomatisch auszudrücken, in einem nicht ganz fairen Ausgleich zwischen Interessen von Land und Kommunen stattgefunden hat. Wenn man es anders formulieren möchte, kann man auch sagen, dass die Kommunen wissentlich und bewusst abgezockt worden sind.
Das Gutachten von Frau Prof. Dr. Färber liegt seit letzter Woche vor – seltsamerweise erst drei Tage nach der Kommunalwahl – und weist aus, dass den Kommunen auch nach Ihren Eingeständnissen und kleineren Rückzahlungen immer noch 1,15 Milliarden € vorenthalten worden sind.
Jetzt ziehen wir einmal einen Strich darunter. Von 2006 bis 2009 haben Sie die Kommunen in Nordrhein-Westfalen um 3,3 Milliarden € erleichtert. Das ist auch kein Gutachterstreit, wie Herr Stahl heute Morgen gemeint hat. Vielmehr beruhen diese Zahlen auf einem Urteil des Landesverfassungsgerichtshofes.