anhaftete: Der Finanzminister zieht Bilanz und hält seine Abschiedsrede, und der Innenminister hält eine Abwicklungsrede. Feurige Haushaltsreden in diesem Hause haben schon einmal anders ausgesehen, meine Herren!
Ja, wir sind in Wahlkampfzeiten. Da geht es um politische Auseinandersetzungen. In Wahlkampfzeiten, wenn die Menschen sensibler sind, sollten wir die Chance nutzen, deutlicher zu machen, für was wir stehen.
Die CDU versucht hingegen, sich wegzuducken. Da ist statt politischer Debatte Personenkult angesagt und nicht klare Kante. Wir haben heute hier in der Haushaltsdebatte die Gelegenheit, miteinander darüber zu reden, was unsere politischen Inhalte und die Themen sind.
Ich bin sehr gespannt, was der Ministerpräsident gleich noch beiträgt, beklagten doch gerade Sie, Herr Ministerpräsident, die fehlenden Inhalte. Sie haben heute die Chance, Ihre Inhalte darzustellen.
Ich kenne aus den letzten Monaten von Ihnen eigentlich nur zwei wesentliche Positionen, die Sie bezogen haben.
Eine Position war Ihr Einsatz für die Mindestrente. Allerdings: So, wie Sie sie propagieren, hat die Kanzlerin sie aus ihrem Wahlprogramm herausgestrichen, Herr Ministerpräsident.
Daraus ist nichts geworden. Das müssen wir heute einmal festhalten. Sie haben sich nicht durchsetzen können. Das ist Fakt!
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Er hat sich wieder nicht durchsetzen können!)
Ihr zweites Thema ist das Schonvermögen. Hierzu haben wir beide etwas in unseren Wahlprogrammen stehen. Wir wollten das noch vor der Wahl umsetzen. Olaf Scholz hat dazu gestern einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Ihre Parteifreundinnen und -freunde haben dem nicht zugestimmt. Sie hätten es gestern machen können. Sie hätten es mit uns noch über die Bühne bringen können. Mit der FDP wird das nicht gelingen.
Ja, Sie können sich nicht durchsetzen. Wir haben das ja schon bei den Jobcentern und anderen Themen erlebt.
Reden. Da lohnt doch einmal der Blick auf Folgendes: Sie sagen immer, Schwarz-Gelb in NordrheinWestfalen solle Blaupause für Berlin sein.
Wenden wir doch einmal den Blick auf NordrheinWestfalen und sorgen einmal für ein bisschen mehr Klarheit. Was stand im Mittelpunkt zu Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit? – Drastischer Sozialabbau, Kürzen bei den Kurzen, Kahlschlag im sozialen Netz, bei den Arbeitslosenzentren, den Frauenhäusern. Hiermit machen Sie in diesem Haushalt weiter. Als Beispiel nenne ich die Kürzung der Schülerfahrtkosten von 130 Millionen € auf 98,5 Millionen €. Wissen Sie, was Sie damit im ländlichen Raum anrichten? Wissen Sie das?
Schwarz-Gelb in NRW: „Privat vor Staat“ ohne Rücksicht auf Verluste. Was haben wir dort alles miterlebt? – Die Stadtwerke, die Mieter – gegen all diese wurde vorgegangen, von § 107 GO, über die LEG bis zum Bofrost-Wald. Bei der Sparkasse haben wir gemeinsam mit den Kommunen noch Schlimmstes verhindern können.
Jetzt kommt der Angriff auf das Landeswohnungsbauvermögen. Ich sage Ihnen eines: Wenn diese Blaupause des Sozialabbaus in Deutschland käme, dann würde Deutschland etwas blühen. Das werden wir verhindern, meine Damen und Herren!
Die Richtung wollen Sie ja beibehalten – zumindest die FDP sagt klipp und klar, was Sie wollen; das muss ich ihr zugute halten-: Privatisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich sage heute noch einmal: Sie haben doch den Knall nicht gehört! Schauen Sie einmal in die USA, was passiert, wenn man das alles auf private Basis stellt. Das können Sie doch den Menschen in Deutschland nicht zumuten!
Aber auch hier duckt sich die CDU schön weg. Ich habe gelesen, Herr Ministerpräsident, dass Sie neuerdings nicht mehr für die Kopfpauschale sind. Das kommt im Wahlkampf nicht so gut an, kam schon 2005 nicht so gut. Aber was kommt denn stattdessen? – Da habe ich von Ihnen noch gar nichts gehört. Was ist denn Ihre Position, wie es da weitergehen soll? Oder sind Sie jetzt mit uns der Meinung, dass es eine Bürgerversicherung geben sollte?
Für uns ist klar – klare Kante SPD –: Wir sind für eine solidarische Gesellschaft, in der die Starken die Schwachen mittragen. Das ist das Modell unserer Gesellschaftsordnung in Deutschland.
Blaupause Nordrhein-Westfalen: Was würde das denn für nordrhein-westfälische und bundesdeutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeuten? Was haben wir denn hier erlebt? – Aufhebung Tariftreuegesetz, Rasieren der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, und was ist auf Bundesebene geplant? – Auch dort bezieht die FDP klar Stellung, bei der CDU muss man im Guttenberg-Papier nachlesen, das inhaltlich ganz eng mit dem im Zusammenhang steht, was Sie damals in Leipzig auf dem Parteitag beschlossen haben und was so in Ihrem Grundsatzprogramm steht. So weit weg ist das also nicht. Sie sollten es nicht so zuschütten, denn Sie wollen es ja wieder rausholen, wenn Sie mit der FDP regieren.
Darin steht die ganze Giftliste: keine Mindestlöhne – selbst die, die wir mit Ihnen schon mühsam erkämpft haben, wollen Sie wieder abschaffen –, massive Ausweitung des Niedriglohnsektors, mehr Leih- und Zeitarbeit, mehr prekäre Beschäftigung und Abbau beim Kündigungsschutz. Schwarz-Gelb im Bund heißt: Beschneiden der Arbeitnehmerrechte.
Nee, nee, warten Sie einmal ab. Ich habe keine falsche Rede. Sie können das nur nicht ertragen. Das ist Ihr Problem.
Ich mache mir Sorgen um dieses Land. Das haben Sie nicht drauf. Reden Sie doch einmal mit den jungen Menschen. Wissen Sie, dass nur noch 66 % in Nordrhein-Westfalen in einem – wenn Sie so wollen – „normalen“ Arbeitsverhältnis – nicht prekär – stehen? Wissen Sie das? Und wissen Sie, dass die Ausweitung der Leih- und Zeitarbeit nach der Krise weitergehen wird? Die IG Metall schätzt dies auf insgesamt 2 Millionen. Wissen Sie, dass 185.000 Haushalte in NRW Aufstockerhaushalte sind, in denen man sich wegen der niedrigen Löhne noch zusätzlich Geld vom Amt holen muss?
Wissen Sie das? – Nein, Sie wissen das nicht. Das ist nicht Ihre Lebenswirklichkeit, und das ist Ihr Problem, mein Lieber. Das ist Ihr Problem.
Mir macht das Sorgen. Mir macht der Niedriglohnsektor Sorgen. Reden wir jetzt einmal über die Jobs unter 5 € pro Stunde. Nach einer Studie des IAQ sind 17,7 % im Gesundheitswesen, 16,8 % im Einzelhandel und 10,7 % in der Leiharbeit im Niedriglohnsektor tätig.
Ja, meine Damen und Herren, das sind die Menschen, die Frauen, die in diesem Land diese Gesellschaft als Leistungsträger tragen, und die haben einen besseren Lohn verdient. Dabei bleibt es!
Blaupause Innenpolitik: Das ist auch hochinteressant. Hier ist Schwarz-Gelb jetzt offensichtlich völlig handlungsunfähig geworden. Innere Sicherheit, Bürokratieabbau: Das waren einmal zentrale Themen von Ihnen, Herr Ministerpräsident. Wo stehen wir denn da? Das war doch einmal Ihr Markenkern. So haben Sie das bezeichnet. Diese zentralen Themen versanden und enden im Koalitionsstreit.
Die Blockade im Polizeigesetz: Herr Stahl sagt – WDR, 17. August –: Das, was vorgelegt wird, ist nicht zustimmungsfähig. Herr Biesenbach sagt – WDR, 8. September –: Wolf will Polizei zahnlos lassen. Herr Papke sagt – 3. September, „Kölner Stadt-Anzeiger“ –: Bisher ist es gute Sitte, miteinander zu sprechen statt Depeschenwechsel für die Galerie.
Meine Damen und Herren, Sie kommen dort nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Sie kürzen auch noch die Stellen bei der Polizei.
Auch das ist in diesem Haushalt wieder einmal angelegt mit minus 350 Stellen. Schauen Sie hinein, Herr Stahl – das lohnt sich –: minus 350 Stellen, minus 290 Stellen in der Justiz. Ihre Regierung steht blank da.
Wir sagen: Klare Kante. Unser Entwurf für das Polizeigesetz liegt vor. Er ist rechtsstaatlich einwandfrei. Ihre Regierung kann es nicht. Das haben wir auch in diesem Feld gesehen.
Zoff erleben wir auch – das ist eine schwarz-gelbe Blaupause – beim Landesplanungsrecht, Frau Ministerin Thoben. Die Landesregierung will die gute Erfahrung aus OWL offensichtlich nicht auf das Land übertragen. Ja, da ist Stillstand, da ist Streit, da geht nichts voran.
Bei uns: Klare Kante. Wir wollen keine Rolle rückwärts. Wir haben das Modellprojekt OstwestfalenLippe auf den Weg gebracht, und wir wollen, dass es im ganzen Land umgesetzt wird. Dort haben wir eine klare Position.