Protocol of the Session on September 9, 2009

Die Zahlen sprechen hier eine eindeutige Sprache.

Herr Hollstein, ich kann nicht nachvollziehen, wieso CDU und FDP gemeinsam mit der Landesregierung den Elternwillen so sträflich vernachlässigen oder nicht ernst nehmen. Sie relativieren Zahlen und versuchen, Zahlen von 15.000 auf 11.000 herunterzureden. Die Eltern in Nordrhein-Westfalen wollen gefragt werden. Bei den 40 Initiativen im Land, die es jetzt gibt, sind die Gemeinden so klug und fragen die Eltern der Grundschüler, welche weiterführende Schule sie wollen. Nur so kommen die Ergebnisse und die Forderung nach Gesamtschulen überhaupt auf den Tisch – nur, weil die Eltern es einfordern. Das heißt, Sie müssen doch einmal kapieren, dass Sie mit Ihrer Bildungspolitik in eine völlig falsche Richtung laufen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das setzt sich immer mehr im Land durch. Das spürt man an allen Ecken und Enden. Es gibt eine Person, die versucht, landauf, landab diese Gesamtschulinitiativen wieder kleinzumachen. Das ist nicht die Ministerin, sondern das ist der Staatssekretär. Welche Briefe der Staatssekretär schreibt, welche Telefonate er führt, das sagen uns diese Initiativen aus den Orten.

(Zuruf von der CDU)

Das ist bemerkenswert. Sie finden das jetzt vielleicht lustig, aber in der politischen Wirkung ist das für Sie vor Ort verheerend.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Frau Pieper-von Heiden, Sie kommen ja aus Bad Salzuflen. Sie müssen doch am besten wissen, wie das da gelaufen ist. Es ist doch so gewesen, dass es in Bad Salzuflen – ich erzähle es mal – zwei Schulzentren gibt. Beide hatten Haupt-, Realschulen und Gymnasien. Es war klar, dass man die Gymnasien in der Oberstufe nicht an beiden Schulzentren aufrechterhalten konnte. Der Rat hat mit der Stimme der FDP beschlossen: Eines dieser Schulzentren wandeln wir in ein Gesamtschulzentrum um, weil wir 500 Abwanderungen pro Jahr in andere Kommunen haben, und die wollen wir bei uns vor Ort – wohnortnah – beschulen.

Dann gab es ein Bürgerbegehren – natürlich zum Erhalt des Gymnasiums oder zum Erhalt des Schulstandortes –, das in doppelter Weise gescheitert ist. Einmal hat man nicht das erforderliche Quorum bekommen, zum anderen wollten mehr Menschen in Bad Salzuflen die Gesamtschule als den Schulstandort so behalten wie er war.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist Elternwille, und danach hat der Rat gehandelt. Das sollten Sie sich bei Ihrer Bildungspolitik mal auf die Fahnen schreiben. So geht es. Jetzt ist diese Gesamtschule endlich, nach langem Ringen, auch genehmigt worden.

(Zuruf von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Nun kommt der zweite Punkt: Diese Gesamtschule darf keinen Ganztag haben.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Logisch!)

Das geht nach den Ausführungen, die wir gerade gehört haben, nicht. Jetzt muss ich Ihnen jedoch sagen, dass in diesem Schulzentrum dann eine Hauptschule ihre Türen schließen wird, die einen Ganztag hatte. Warum kann man nicht die prozentualen Lehreranteile auf diese Gesamtschule übertragen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist doch nur logisch.

(Zuruf von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Nein, es ist ideologisch, wie Sie reagieren, indem Sie es verbieten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eines möchte ich noch zu Herrn Witzel sagen. Herr Witzel, ich bin ehrlich gesagt erschüttert, mit welchem Zahlenspektakel Sie versuchen, den Menschen im Land deutlich zu machen, dass die Leistungen der Gesamtschulen nichts taugen. Die Menschen im Land haben ganz andere Wünsche. Sie möchten ihre Kinder an diese Schulform schicken, weil Sie das verpatzte Turboabitur mit den verdichteten Unterrichtstafeln der unteren Jahrgangsstufe eingeführt haben. Darum möchten die Eltern diese Gesamtschulen. Das haben Sie durch Ihre Politik selbst zu verantworten, und jetzt wollen Sie es ihnen nicht ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Kollegin Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

In Anbetracht der Zeit und der Tatsache, dass wir heute Abend auf Wunsch der CDU noch viele Termine haben …

(Zuruf von CDU und FDP: Oh!)

Wenn die Herrschaften meinen, ich würde irgendwie kneifen, dann fragen Sie mal bitte. Jetzt, los!

Bitte schön, Herr Kollege Ratajczak.

Vielen Dank, Frau Schäfer. Sie haben gerade das Wort ideologisch in den Mund genommen. Ich möchte Sie als frühere Schulministerin fragen …

(Das Mikrofon des Abgeordneten funktioniert nicht mehr.)

Daran bin ich auch schuld.

Versuchen Sie es bitte noch einmal, Herr Kollege!

(Der Abgeordnete versucht vergeblich, sich erneut einzudrücken.)

Irgendetwas scheint hier nicht zu stimmen. Vielleicht können Sie es am Nachbarmikrofon probieren.

Vielleicht klären wir beide das gleich im gemeinsamen Gespräch. – Lassen Sie mich einfach mit einem Zitat schließen, das sich auf Herrn Hollstein bezieht. Herr Hollstein, Sie haben sinngemäß gesagt: Was gestern richtig war, kann heute nicht so falsch sein. Ich frage Sie ernsthaft, wie es um den Gesundheitszustand unseres Landes bestellt wäre, wenn sich Mediziner so wie Sie in der schwarz-gelben Bildungspolitik verhalten würden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schäfer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Kollege Recker das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann für die letzten drei Jahre sagen: alle Jahre wieder. Kollege Klaus Kaiser war nicht mehr zu bewegen, noch einmal zu reden. Er sagte, wir haben doch alles beantwortet. Deshalb habe ich einen Beitrag aus seinem Text, in dem er beim letzten Mal, im März, gesagt hat, dass man hier wohl von einem Glaubensbekenntnis der Grünen sprechen muss, das sie immer wieder ablegen. – Offensichtlich fällt Ihnen neben Strukturdebatte, gesunder Ernährung, Kopfnoten wirklich nichts Neues mehr ein, Frau Beer.

(Beifall von der FDP)

Ich will es noch einmal deutlich machen – meine Vorredner haben es bereits ausgeführt –: Die Gesamtschule ist Bestandteil unseres Systems, und sie wird genauso unterstützt wie jede andere Schulform, aber nicht mehr und auch nicht weniger. Wir behandeln alle gleich.

(Beifall von CDU und FDP)

Für uns steht im Gegensatz zu Ihnen der Schüler im Mittelpunkt. Hier geht es nicht wie bei Ihnen seit 40 Jahren um Strukturen.

Ich möchte nur auf einige wenige Aussagen im Antrag zu sprechen kommen:

Sie sagen – so der Text in Ihrem Antrag –: Gesamtschulen leisten einen größeren Beitrag zur Integration von Kindern aus Migrationsfamilien. Sie ermög

lichen mehr Bildungschancen für Kinder. –Was soll eine so einseitige Aussage, die nur einer Schulform diese Anerkennung ausspricht? Wissen Sie gar nicht, was zum Beispiel Hauptschulen leisten, die 80 bis 90 % dieser Kinder fördern?

(Beifall von CDU und FDP)

In einer der größten Realschulen sind 50 Kinder mit Migrationshintergrund. Alle Schulen leisten ihren Beitrag und haben nicht diese einseitige Schau wie Sie.

(Beifall von CDU und FDP)

Ferner stellen Sie fest, dass die Ergebnisse des Zentralabiturs eine beinahe gleich gute Durchschnittsnote bei Gymnasien und Gesamtschulen zeigen. – Okay, ich will das nicht bestreiten. Aber hier ist es angebracht, sich nicht nur oberflächlich mit diesen Ergebnissen zu beschäftigen.

(Beifall von CDU und FDP)

Was ist Frau Sommer im letzten Jahr attackiert worden, als sie es wagte, den Gesamtschulen zu sagen, dass es teilweise deutliche Unterschiede zwischen den Prüfungsleistungen im Abitur und den Vornoten gibt:

(Beifall von der FDP)