Protocol of the Session on June 25, 2009

So ist es auch, Herr Minister Krautscheid, mit den Novellen, die Sie jetzt vorlegen. Mit der Novelle des Landesmediengesetzes – das ist unsere Überzeugung – gibt das Medienland Nordrhein-Westfalen endgültig seine medienpolitische Vorreiterrolle auf. Es gibt keinen neuen Impuls, der versucht, auf aktuelle Fragen eine Antwort zu finden. Das Gesetz, Herr Minister Krautscheid – das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen –, bleibt in der analogen Welt stecken. Es regelt den Hörfunk, es regelt das Fernsehen, aber es blendet – Sie haben es ja in der Begründung gesagt, warum wir die Gesetze ändern – crossmediale Entwicklungen aus. Sie berücksichtigen die crossmedialen Entwicklungen im lokalen und regionalen Raum überhaupt nicht. Sie nehmen noch nicht einmal Bezug zu Angeboten über das Internetprotokoll. Jeder weiß doch genau, diese Angebote leisten einen Beitrag zur Meinungsvielfalt. Sie sind meinungsrelevant, transportieren meinungsrelevante Inhalte. Aus allen Studien wissen wir, dass ganze Generationen ausschließlich ihre Information genau über diese Distributionswege beziehen, auch im lokalen und regionalen Raum. Darauf geben Sie mit dem Gesetz keine Antwort.

(Beifall von der SPD)

Wir können ja darüber diskutieren. Der von Ihnen benannte Sachverständige, Prof. Huber, hat deutlich gemacht: Wir sind noch nicht so weit. Es gibt noch keine verlässliche, verbindliche Antwort. Aber das entledigt Sie doch nicht Ihrer politischen Verantwortung zu überlegen, wohin die Reise gehen kann. Prof. Huber hat mit dem Hinweis auf das Punktesystem – übrigens auch ein Vorschlag von Prof. Schneider, dem Direktor der Landesanstalt für Medien – gesagt: Lasst uns versuchen, ähnlich wie beim Zuschaueranteilsmodell eine Regelung zu finden, an die wir glauben. Darum geht es doch. Es geht darum, dass wir eine Regelung finden, auf die wir uns verständigen. Aber Sie machen diesen Versuch nicht.

Was machen Sie? Sie legen ein Landesmediengesetz vor, das streckenweise so detailliert ist, dass man sich manchmal scheut, solche Details in Satzungen zu regeln.

(Minister Andreas Krautscheid: Da muss man sich reindenken!)

Ja, „reindenken“. Herr Krautscheid, das ist immer Ihr Versuch, es auf diesem Niveau herunterzubrechen. Leider entlarven Sie dann auch wieder das Angebot. Lassen Sie uns doch darüber reden, wie man das macht, etwa darüber, dass die Landesanstalt für Medien bestimmte Fragen in ihrer Satzung sicherlich besser organisieren kann, die Sie aber jetzt in dem Gesetz regeln. Darüber kann man in diesem Parlament doch einmal reden, ohne dass Sie gleich an der Stelle – mit Verlaub – ein bisschen pampig werden. Aber wir wissen ja vielleicht, warum.

Gefragt ist nicht die Detaildichte im Gesetz, die Flexibilität erschwert, sondern gefragt sind mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Organe der Landesanstalt für Medien, um auf die unterschiedlichen Bedingungen in unterschiedlichen lokalen und regionalen Räumen flexibel antworten zu können.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es geht doch um Geschwindigkeit. Wir leben doch in einer schnellen Zeit. Gerade die durch die Digitalisierung angestoßenen Prozesse führen dazu, dass wir manchmal nicht schnell genug sind. Meine Damen und Herren, Detailverliebtheit im Gesetz ist Bremsklotz und nicht Flexibilität und Beschleuniger.

(Beifall von der SPD)

Im Fokus des Landesmediengesetzes – das ist unstrittig und war zu Recht Ihr erster Punkt – steht Ihr Vorschlag für die Neufassung des § 33 LMG. Ministerpräsident Rüttgers hat immer wieder – und Sie in seinem Geleitzug – angekündigt, das verlegerfreundlichste Gesetz zu schaffen.

Ich will ausdrücklich sagen: Die SPD NordrheinWestfalen steht in einer langen medienpolitischen Tradition, verantwortungsbewusst den Handlungsspielraum von nordrhein-westfälischen Verlegern weit auszuschöpfen. Dabei geht es immer um die Balance zwischen den Entwicklungsmöglichkeiten derjenigen, die eine wirtschaftliche Basis für die Finanzierung von Qualitätsjournalismus brauchen, und andererseits um die Verhinderung von vorherrschender Meinungsmacht auf jeder Ebene, im Lokalen und Regionalen noch mehr als auf nationaler Ebene.

Wir haben doch mit dem Zweisäulenmodell im Hörfunk – übrigens von Ihnen verfassungsgerichtlich überprüfen lassen – Verlegern eine Möglichkeit gegeben, die es in keinem anderen Land in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Es ist ein erfolgreiches und gutes Beispiel für unsere Balance.

Mit der noch gültigen Fassung des § 33 des Landesmediengesetzes hat die damalige rot-grüne Koalition versucht, diesen verantwortbaren Spagat weiter fortzusetzen. Auch das gehört zur Wahrheit: Am bestehenden Gesetz ist keine Zulassung von lokalem Fernsehen mit Verlegerbeteiligung in Nordrhein-Westfalen gescheitert.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was ist der Landesregierung im Jahr 2009 konkret eingefallen? Um es auf einen Nenner zu bringen: Kluge-TV für Paderborn oder ein Programmbeirat als kleiner Rundfunkrat mit doch eher schwammigen Befugnissen.

Das mit der Sendezeit für unabhängige Dritte nimmt damit eine schon aberwitzige Entwicklung. Nicht alle von Ihnen wissen – Sie, Herr Kollege Hegemann, wissen das ganz genau; Sie waren dabei –: Die Sendezeit für unabhängige Dritte nahm ihren Aus

gang in der nordrhein-westfälischen Rundfunkgesetzgebung, um beim kommerziellen Fernsehen Vielfalt zu sichern.

Diese Regelung war damals so gut, dass alle anderen Länder gesagt haben: Das, was sich NordrheinWestfalen ausgedacht hat, wollen wir bundesweit für nationales privates Fernsehen haben. Diese Regelung ist so gut – daraus machen wir eine Regelung im Rundfunkstaatsvertrag. Das war ein Vorschlag aus dem vergangenen Jahrhundert.

Was macht die Regierung Rüttgers? Die Regierung Rüttgers holt diese Regelung zurück in das Landesmediengesetz für das Jahr 2010 und folgende. Meine Damen und Herren, deutlicher kann man seine eigene Fantasielosigkeit nicht unter Beweis stellen.

(Beifall von der SPD)

Rechtssicherheit soll es geben – Herr Minister Krautscheid, das war gerade Ihr Argument –, aber Sie verwechseln Rechtssicherheit mit Mutlosigkeit. Sie hatten nicht den Mut zu überlegen, wie man das, was neben Hörfunk, neben Fernsehen, neben Zeitung noch existiert und im Bewusstsein der Menschen immer stärker wird, in Ihre Skala einbeziehen kann. Diese Entwicklung blenden Sie vollständig aus. Das ist die große Schwäche Ihres Gesetzes.

Damit geben Sie auch auf, dass eine Regelung aus Nordrhein-Westfalen am Ende Gesetz für alle Länder werden kann. Denn der Vorbildcharakter ist lange vorbei.

Herr Kollege Eumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Jarzombek von der CDU?

Wenn ich Sie hätte selbst bestellen dürfen, dann hätte ich das gerne gemacht. Aber so ist es mir beinahe noch lieber, Herr Kollege Jarzombek.

Ja oder nein?

(Heiterkeit – Ralf Witzel [FDP]: Jetzt müssen Sie sich entscheiden!)

Mann, das war aber eine schwierige Geburt. – Bitte, Herr Jarzombek.

Die Charmeoffensive der SPD ist zumindest bei mir angekommen.

(Bodo Wißen [SPD]:Das ist nicht so gemeint!)

Ich bitte darum, das ins Protokoll aufzunehmen.

Bitte etwas kürzer und schneller!

An mir scheitert es nicht. – Herr Kollege Eumann, wirklich nur eine Nachfrage: Sie sprechen sich dafür aus, das Internet zu regulieren? Habe ich Sie richtig verstanden?

Herr Kollege Jarzombek, Sie wissen doch, dass das Internet längst in großen Teilen reguliert ist. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und darf nie ein rechtsfreier Raum werden.

(Ralf Witzel [FDP]: China!)

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, wer aufgibt, im Internet rechtliche Grundsätze anzuwenden, hat das Verhältnis zwischen Freiheit und Verantwortung nicht richtig verstanden.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Krautscheid, ich war angenehm überrascht, dass Sie nicht den Zitatenschatz der Zustimmung bemüht haben. Aber Sie wissen, dass es zu dem, was Sie vorgelegt haben, nicht nur Zustimmung gibt. Insbesondere das, was der Präsident des NRW-Zeitungsverlegerverbandes Ihnen vor knapp zwei Monaten in Berlin gesagt hat, ist so wichtig und entscheidend, dass ich es hier gerne zitieren möchte. Clemens Bauer sagte – Zitat –:

Seit einigen Wochen kennen wir jetzt den Arbeitsentwurf der Staatskanzlei für eine Neufassung des LMG. Bei einem Treffen unseres Vorstandes mit Prof. Schwartmann im Herbst 2008 stellten Sie uns, Herr Minister Krautscheid, dessen Gedanken zu einem rundfunkrechtlichen Gutachten vor. Sie versprachen uns zur Neufassung des § 33 LMG das zeitungsfreundlichste Landesmediengesetz eines deutschen Bundeslandes. Das war und ist unsere Erwartung. Die Analyse des Arbeitsentwurfs zeigt allerdings, dass die Landesregierung nur noch an eine kleine Lösung denkt.

Ja, so ist es.

Kritik kam aber auch vom Deutschen Journalistenverband. Kritik kam auch vom WDR. Gerade auch in der internen Anhörung der Staatskanzlei hat es massive Bedenken zum § 33 LMG gegeben. Der Verband Lokaler Rundfunk hat sich geäußert. Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausgesprochen dankbar, dass sie von Prof. Holznagel ein Gutachten hat erstellen lassen, das die generellen Zweifel zur Verfassungsrechtmäßigkeit des § 33 LMG fundiert erhärtet.

Herr Krautscheid, wir nehmen das Angebot an, dass Sie das nicht nur rhetorisch formuliert haben, sondern es auch inhaltlich bewerten.

Das WDR-Gesetz bedeutet überwiegend Handwerk, weil es rundfunkstaatsvertragliche Regelungen in landesgesetzliche Regelungen überträgt.

Dazu nur einige wenige Bemerkungen zum jetzigen Zeitpunkt:

Dort, wo die Landesregierung eigenständig agiert, marschiert sie prompt in die falsche Richtung. Noch Anfang des Jahres haben Sie, Minister Krautscheid, öffentlich davon gesprochen – das ist vielfach nachzulesen –, die Zahl der Rundfunkratsmitglieder wenn überhaupt, dann behutsam um zwei zu erhöhen. Davon war die Rede. Bei Ihnen ist die Rechnung: Aus zwei mach vier! Das ist sozusagen nicht nur eine Verdoppelung, sondern eine Erhöhung des Rundfunkrats um 10 %. Der Rundfunkrat ist – unter uns – mit 43 Mitgliedern groß genug.

Ihre Begründung, mehr Sachverstand im Dreistufentestverfahren herbeizuführen, ist dabei – unter uns – mehr als fadenscheinig. Sie wissen es: Zum einen werden die wichtigsten Grundsatzentscheidungen jetzt bei der Überprüfung des Bestandes getroffen. Die Landesregierung kommt medienpolitisch also wieder einmal zu spät. Zum anderen weichen sie einer grundlegenden Debatte über die Rollen und Aufgaben des Rundfunkrates – und um die es geht – komplett aus.

Die Frage stellt sich doch: Was braucht der Rundfunkrat, um die neuen Aufgaben, die ihm der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag übertragen hat, zu erfüllen? „Neue Mitglieder“ wäre die fantasieloseste Antwort. Die entscheidende Frage lautet: Wie kann das Ehrenamt in der Gremienarbeit so unterstützt werden, dass es Ehrenamt bleibt. Alle Mitglieder des Gremiums – insbesondere die, die in der Sachkommission für den Dreistufentest engagiert sind – leisten Enormes. Das geht eigentlich über das Ehrenamt hinaus. Sie geben keine Richtung vor, wohin die Reise gehen kann.

Dass wir die Übertragung Ihrer Verschlechterung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten – also die Anpassung an das LPVG – ablehnen, versteht sich an dieser Stelle von selbst.

(Beifall von der SPD)

Das, was Sie mit Blick auf die Inkompatibilität von Gremienmitgliedern in Gesellschaften, an denen auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk beteiligt ist, formuliert haben, trifft unsere ausdrückliche Zustimmung.