Protocol of the Session on May 27, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pieper-von Heiden, es ist schade, dass all die Frauen, die heute zu dem Parlamentarischen Abend des Frauenrats gekommen sind, nicht hier im Saal sind. Wenn die Ihre Rede, die eine einzige frauenpolitische Geisterfahrt war, gehört hätten, dann hätten die Frauen in diesem Land endgültig gewusst, dass die FDP frauenpolitisch nicht nur unwählbar, sondern wirklich unterirdisch ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Lachen von der FDP)

Wir sind es von Ihnen nicht anders gewohnt, deswegen gehe ich auf die Inhalte gar nicht weiter ein.

Frau Milz, ich finde es sehr erfreulich, dass Sie hier in der Debatte zumindest Ihr persönliches Bekenntnis kundgetan haben. Das freut mich sehr, weil ich es wichtig finde, dass man auch in einer Partei wie der CDU zumindest einzelne Kräfte hat, die inhaltlich bei diesem Thema auf dem Weg in die richtige Richtung sind. Ich wäre ja sehr froh, wenn der Arbeitsminister an der Stelle auch die Frauen in seiner Fraktion unterstützen würde; das würde mich sehr freuen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Immer!)

Immer. Frau Milz, Sie haben mit Herrn Laumann einen heftigen Unterstützer Ihrer Position. Er hat sich gerade geoutet.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ich habe damit gar kein Problem!)

Es freut mich sehr, wenn das in den Reihen der CDU-Fraktion auch so ist. Ich glaube nur, mit dem Bohren dicker Bretter werden Sie noch eine Weile zu tun haben, bis es sich in der eigenen Fraktion umkehren wird.

Auf der anderen Seite bin ich aber auch froh, dass die SPD hier jetzt einen solchen Antrag wieder einbringt, auch wenn ich an dem Antrag sehr viel zu kritisieren habe. Deswegen haben wir einen eigenen Antrag vorgelegt. Als wir das erstmalig 2006 hier ins Plenum gebracht haben, gab es auch zwischen den Frauen und den Wirtschaftsleuten noch den einen oder anderen Dissens, der scheinbar zumindest ein bisschen verringert worden ist.

Aber mein großes Problem mit dem Antrag an der Stelle ist, dass er auch jetzt wieder nur ein Lippenbekenntnis ist, ohne wirklich an die Fakten heranzugehen. Warum? Sie haben in Ihrem Antrag angeführt, dass der Landtag die Landesregierung auffordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass …. Dies zu fordern und gleichzeitig zu sagen, man solle in Richtung Norwegen vorangehen, heißt: Faktisch ändert sich erst einmal gar nichts.

2007 haben Sie noch klar in der Debatte gesagt, eigentlich wollten Sie bis 2012 abwarten und bis dahin gar nichts machen. Wenn bis dahin auf freiwilliger Ebene nichts passiert sei, könnte man etwas gesetzlich regeln. Der Antrag ist ja auch nichts anderes.

Sie sind im Bund ja nun mit in der Koalition. Warum fordern Sie in NRW Ihren Bundeskoalitionspartner auf, im Bund eine Initiative zu machen? Das können Sie als SPD-Fraktion im Bund auch.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

Sie hätten auch unserer Grünen-Initiative im Bund zustimmen können. Das ist auch wieder ein bisschen „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Das finde ich an der Stelle einfach bedauerlich.

Ich möchte ganz klar sagen: Wir möchten nicht, dass wir wieder in die Warteschleife einsteigen wie in Norwegen. Das haben wir in der Ausschussdebatte bei unserem letzten Antrag auch schon einmal inhaltlich lang und breit diskutiert. In Norwegen war es auch so, dass man mit dieser Übergangsfrist und dem „Liebe Unternehmen, ihr dürft mal und sollt mal, und wenn ihr nicht, dann machen wir ein Gesetz“ ist man auch nicht weitergekommen. Denn Anfang 2006 waren 86 von 491 Gesellschaften den Anforderungen nachgekommen. 215 Gesellschaften hatten zu dem Zeitpunkt überhaupt keine Frauen in ihren Aufsichtsräten.

Das heißt also, wenn man es der Wirtschaft selbst überlässt, dann ist es so, wie es immer ist. Selbstverpflichtungen nützen nichts. Das haben wir in all den Bereichen bei der Gastronomie mit dem Nichtraucherschutz bis hin zu allen anderen Sachverhal

ten so erlebt. Es nützt nichts, wieder zu appellieren und zu hoffen. Es müssen Fakten her, und deswegen wollen wir das in einem Mehrstufenverfahren erreichen: mit 25 % bis 2013, bis 2017 mit 40 % und bis 2021 mit 50 % – nur so kommt man wirklich zu einem Ergebnis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zwei andere ganz, ganz wichtige Sachen fehlen in Ihrem Antrag natürlich auch noch: Es sind die begleitenden Maßnahmen, denn die Bundesrepublik ist natürlich nicht Norwegen. Norwegen war damals auch an vielen anderen Stellen frauenpolitisch sehr viel weiter. Deswegen haben wir einen umfassenden Bereich noch einmal aufgelistet, was einfach an begleitenden Maßnahmen notwendig ist.

Die Wirtschaftskrise hat uns deutlich gezeigt: Die Qualität der männlichen Aufsichtsräte ist nicht überall so richtig gut, um das einmal freundlich und nett zu sagen. Deswegen wollen wir die Anforderungen an die Qualität von Aufsichtsratsmandatträgerinnen und -trägern insgesamt gesetzlich verankern und wollen hier eine sehr viel bessere Weiterbildung und Qualifizierung von Aufsichtsratmandatinhaberinnen und -inhabern haben.

Das kommt alles in Ihrem Antrag zu kurz. Deswegen haben wir als Grüne einen Entschließungsantrag formuliert, dem Frau Milz ja gerne folgen würde, wenn sie dürfte und könnte, entsprechend ihrer Überzeugung und ihrem Gewissen. Das freut uns. Trotzdem fänden wir es gut, wenn dann die anderen in diesem Saale oder der eine oder die andere wenigstens ihr Interesse daran bekunden würden und man dann perspektivisch doch gemeinsam zu einem anderen Weg in diesem Haus kommt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Jetzt hätte für die Landesregierung Herr Minister Laschet das Wort. Ich sehe ihn aber nicht. – Dann machen Sie das, Frau MüllerPiepenkötter. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit den vorliegenden Anträgen beweist die Opposition ein weiteres Mal, dass sie mit ihrer Arbeit keinen Innovationspreis gewinnen will. Ihre Forderungen sind in keiner Hinsicht neu und wurden hier im Landtag schon mehrfach diskutiert.

(Zuruf von der SPD: Jetzt haben Sie es uns aber gegeben!)

Dahinter steckt immer wieder die gleiche Idee: SPD und Grüne wollen offenbar alle Probleme und Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit der gesetzlichen 40-%- beziehungsweise die

Grünen mit einer 50-%-Quote in Aufsichtsräten regeln.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Löhrmann von den Grünen?

Frau Löhrmann.

Sehr geehrte Frau Ministerin, wie würden Sie denn den Innovationsfortschritt der Führungsebene der Landesregierung hinsichtlich mehr Frauengleichberechtigung mit Blick auf 40-%-Quoten bewerten?

Frau Löhrmann, Sie sollten mir zuhören, dann würden Sie es gleich hören.

Die SPD erhofft sich mit ihrem aktuellen Antrag von der Quote im Aufsichtsrat sogar positive Effekte für diejenigen Frauen, die bislang in ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen bzw. im Niedriglohnsektor arbeiten. Allheilmittel sind aber meistens nicht besonders wirksam.

Der richtige Weg kann doch nur sein, auf mehreren Ebenen anzusetzen, wie es die Landesregierung tut. Darum erklärt die Landesregierung tariflich vereinbarte Mindestlöhne für allgemeinverbindlich. In Nordrhein-Westfalen wurden – einmalig in Deutschland – auch für das Gaststätten- und Hotelgewerbe Mindestlöhne vereinbart. Das hilft den vielen dort beschäftigten Frauen.

Darum fördern wir berufliche Weiterbildung, den Wiedereinstieg nach der Familienphase und die Berufswahlorientierung. Das verbessert die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Und wir sind bundesweit führend und vorbildlich mit unseren Maßnahmen zur Steigerung des Anteils von Frauen in Führungspositionen.

In diesem Haus besteht in der Tat über alle Fraktionen hinweg Einigkeit darüber, dass Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft in Deutschland unterrepräsentiert sind. Norwegen – auch das ist richtig – steht in dieser Hinsicht erheblich besser da. Dort lag der Frauenanteil in börsennotierten Unternehmen bei 43 %. Auch bin ich eine große Befürworterin des Schauens über den Tellerrand, des Lernens aus dem europäischen Ausland. Ich weiß aber auch aus Erfahrung, dass die Übertragung von Modellen aus dem Ausland in der Realität nicht so einfach ist. Das gilt auch für die norwegische Quotenregelung.

Erstens. Die Beschäftigungssituation von Frauen stellt sich in Norwegen anders dar als in Deutschland. Die Erwerbsquote liegt bei 77 %, in Deutsch

land bei 64 %. Über 30 % der Führungspositionen im privaten Bereich sind von Frauen besetzt.

Zweitens. Bei Verstößen gegen gesetzliche Auflagen droht in Norwegen nicht nur bei der Verletzung der Quotenregelung die Auflösung der Gesellschaft durch Gerichtsbeschluss. Das ist eine denkbar strenge Rechtsfolge, die wir im deutschen Recht nicht kennen.

Drittens. Es ist fraglich, ob die gesetzliche Vorgabe einer starren Quote mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar ist. Ich möchte daran erinnern, dass die nordrhein-westfälische Quote für den öffentlichen Dienst der gerichtlichen Prüfung nur standhalten konnte, weil sie im Unterschied zu anderen Bundesländern die Möglichkeit zu einer Einzelfallprüfung umfasste.

Sie sehen also, die Ausgangsbedingungen sind in Deutschland doch sehr anders als in Norwegen. Daher wäre eine Quotierungsregelung nach norwegischem Vorbild für Deutschland nicht angemessen.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Mir scheint, ein anderes skandinavisches Land hat ein für uns hilfreicheres Modell entwickelt. Im schwedischen Corporate Governance Kodex gibt es seit 2004 die Empfehlung einer geschlechtergerechten Sitzverteilung im Aufsichtsrat. Der Frauenanteil an den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen in Schweden ist damit auf 27 % gesteigert worden. Das zeigt, dass Frauen auch auf diesem Weg durchaus vorankommen. Ein solcher Weg über den Corporate Governance Kodex wäre auch für uns in Deutschland gangbar.

(Svenja Schulze [SPD]: Den Antrag haben Sie abgelehnt! Den Antrag haben wir ge- stellt!)

Würde beispielsweise die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex eine Klausel zur Erhöhung des Frauenanteils an den Aufsichtsräten in den Kodex aufnehmen mit der Folge, bei Abweichung eine Entsprechenserklärung abgeben zu müssen, und würden Sie gleichzeitig eine Erhöhung des Frauenanteils in dieser Regierungskommission Corporate Governance Kodex selbst fordern, in der von zwölf Mitgliedern nur eines weiblich ist, hätten Sie dafür die volle Unterstützung der Landesregierung.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen also über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/9267 ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich ums Handzei

chen. – Die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Die Fraktionen der CDU und der FDP. Wer enthält sich? – Die Grünen. Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Entschließungsantrag Drucksache 14/9311 der Grünen ab. Wer will diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben? – Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – SPD. Damit ist auch dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt, über den wir heute debattieren werden: