Protocol of the Session on February 11, 2009

Ich finde es erstaunlich, dass unter allen großen Industriestaaten der Welt, von den USA bis China, Japan und Russland, die Deutschen die einzigen sind, die glauben, sie könnten ohne Kernkraft auskommen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Dann setzt er fort – ich zitiere den großen Sozialdemokraten Helmut Schmidt –:

Die große Mehrheit aller Staaten der Welt, aller Parlamente und Regierungen der Welt ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses Risiko ethisch vertretbar sei. Ich wundere mich darüber, dass allein Deutschland zu einem anderen Ergebnis kommen möchte. – Zitat Ende.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist sozial, und das ist demokratisch, Herr Römer.

Mit Blick auf den Klimaschutz, lieber Herr Priggen, möchte ich Ihnen doch auch noch ein nettes Zitat zurufen, ein Zitat des Gründungsdirektors von Greenpeace International, der 1981 die Gründungsakte von Greenpeace Deutschland unterschrieben hat, Patrick Moore. Patrick Moore hat im August 2008 Folgendes gesagt – ich darf auch das mit Genehmigung der Präsidentin zitieren –:

Wird es nicht Zeit, dass die Umweltbewegung einsieht, dass die Atomenergie keine Bedrohung ist, sondern das Zukunftsversprechen einer sicheren, sauberen Energie und die machtvollste Technologie, über die wir verfügen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen und den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren?

(Beifall von CDU und FDP)

Das zeigt, dass wir hier eine sehr verantwortliche Debatte führen, wie wir unser Land besser gestalten können.

Damit bin ich bei meinem Punkt „Verantwortung für eigenes Handeln“. Denn es ist ja nicht so, Herr Priggen und Herr Römer, als hätten Sie sich zu Zeiten Ihres Regierungshandelns um diese Fragen gar nicht mehr gekümmert, als wäre das eine Art atomfreie Zone in Nordrhein-Westfalen gewesen.

(Ralf Witzel [FDP]: Das Gegenteil war der Fall!)

Nein, Sie haben noch im Jahre 2005 als Landesregierung eine Entscheidung getroffen, die ich sehr begrüße – damit da kein Zweifel aufkommt. Sie haben nämlich einen ganz deutlichen Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau genehmigt, von damals 1.800 t auf 4.500 t Urantrennarbeit pro Jahr.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Das haben Sie im Jahr 2005 genehmigt. Ich darf aus der Antwort auf die Mündliche Anfrage, die seinerzeit der Abgeordnete Gerhard Papke an die Landesregierung gerichtet hat, mit Erlaubnis der Präsidentin kurz zitieren, in der es heißt:

Das Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung hat am 14. Februar 2005 der URENCO Deutschland GmbH die atomrechtliche Genehmigung zum Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau auf eine Kapazität von 4.500 t Urantrennarbeit pro Jahr sowie deren Betrieb erteilt. Sie konnte erteilt werden, nachdem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zusammen mit der Strahlenschutz- und Reaktorsicherheitskommission im Genehmigungsentwurf keine Versagensgründe festgestellt hatte.

Nur zur Erinnerung: Dieses Ministerium führte damals Herr Trittin von den Grünen.

(Beifall von CDU und FDP – Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)

Das heißt, Sie haben mit eigenem Handeln die Grundlage dafür gelegt, dass nicht nur die friedlich genutzte Kernenergie in Deutschland weiter betrieben werden kann, sondern Sie haben die Grundlage dafür geschaffen, dass auch Kernenergie außerhalb Deutschlands aus Nordrhein-Westfalen beliefert werden kann. Im Übrigen haben Sie das im Weiteren damit begründet, es sei ganz wichtig, dieses jetzt schnell zu entscheiden, denn es ginge um Mittelstand, es ginge um Arbeitsplätze, es ginge um den Wirtschaftsstandort Deutschland.

(Beifall von CDU und FDP)

Das war eine kluge Entscheidung. Sie war nur in einem Punkt – wenn ich das noch anmerken darf – in hohem Maße nicht lauter, wie ich finde. Denn zum gleichen Zeitpunkt, zu dem Sie diese Entscheidung getroffen haben, die begrüßenswert ist, haben Sie die Kernenergiesicherheits- und Entsorgungsforschung am Standort Nordrhein-Westfalen runtergefahren. Sie wollten sie auslaufen lassen.

Das hat mit Verantwortungsethik nichts zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Denn wenn ich weiter in diese Technologie investiere – und das haben Sie möglich gemacht –, dann habe ich auch die Verantwortung, die Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben.

Um das genau geht es uns. Wir wollen die Laufzeiten verlängern, um durch die Erträge die Forschung im Bereich Energie allgemein als auch auf diesem Sektor voranzutreiben: im Interesse unseres Standorts, im Interesse des Klimas, im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und im Interesse der Arbeitsplätze. Ich denke, das ist verantwortliches Handeln für Nordhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Prof. Pinkwart. – Für die SPD spricht der Kollege Groschek.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben einen großen Zitatenschatz gehört, aber wir haben nichts dazu gehört, wie es der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen in diesem Moment mit seiner Aussage hält, der Neubau von Atomkraftwerken müsse auch bei uns möglich sein. Dazu, Herr Professor Pinkwart, hätten wir von Ihnen gerne eine Klarstellung gehört. Sie haben zwar viel geantwortet, aber eben nicht auf diese zentrale Frage, Herr Professor Pinkwart.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Solange diese Meinungsäußerung von Ihnen, die wir nicht willkürlich erfunden haben, sondern aus der Presse zitieren, nicht widerspruchsfrei von Ihnen ausgeräumt wird, haben wir nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, die Menschen darüber aufzuklären, an welchen Standorten in Nordrhein-Westfalen ein solcher Neubau potenziell stattfinden könnte oder müsste.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von Ministerin Christa Thoben: Das stimmt doch nicht, Herr Groschek!)

Das ist unsere politische Pflicht!

Wir zitieren nur aus einem Enquetebericht, den Sie in Berlin selbst in Auftrag gegeben haben; das ist doch keine Phantasievorstellung von uns. Wir messen Sie also an Ihren eigenen Worten.

Außerdem äußert nicht nur Herr Professor Pinkwart, der Neubau von Atomkraftwerken müsse denkbar und möglich sein, sondern auch ein erheblicher Chor von gestandenen CDU-Bundestagsabgeordneten sagt, dass wir nicht nur über eine Laufzeitver

längerung, sondern auch über den Neubau von Atomkraftwerken nachdenken müssen. Dazu sagen wir: Nein danke! Mit uns gibt es eine solche Neubauperspektive für Atomkraftwerke nicht, und zwar weder im Bund noch in Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von der SPD)

Jetzt komme ich dazu, wer denn vertragsbrüchig geworden ist. Wir haben seit den bürgerkriegsähnlichen Zuständen nicht nur vor Kalkar, sondern auch vor Wackersdorf einen klaren Kurs gefahren. Damals ist gesagt worden, dass wir auf heimische Kohle, auf Energieeffizienz und auf erneuerbare Energieträger setzen. Das ging in der Großen Koalition eine ganze Zeit lang gut. Dann aber hat die CDU – damals noch in der Oppositionsrolle hier im Landtag – die Kohle-Koalition aufgekündigt. Der zweite Wortbruch war, dass Sie gesagt haben, das Ausstiegsgesetz sei nicht mehr bindend, weil Sie die Laufzeiten – das ist gesetzesbrecherisch – verlängern wollen.

Jetzt nehmen wir zur Kenntnis, dass offensichtlich schon zum dritten Mal der Bruch eines Versprechens vorbereitet wird. Wenn ich Herrn Kollegen Lienenkämper richtig verstanden habe, dann ist seiner Meinung nach der Einsatz modernster Energietechnik für CO2-freie Kohlekraftwerke 2020 gar nicht erreichbar. RWE, Herr Kollege Lienenkämper, hat den Einsatz im Jahr 2014 angeboten. Wenn Sie jetzt bestreiten, dass 2020 machbar ist, dann laufen Sie damit energie- wie gesellschaftspolitisch in eine Sackgasse. Auf diesem Weg werden wir Sie nicht begleiten.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Groschek. – Für die Landesregierung hat noch einmal Wirtschaftsministerin Thoben das Wort.

Frau Präsidentin! Ich habe nur ganz wenige Anmerkungen.

Erstens steigt die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen kontinuierlich.

(Ralf Jäger [SPD]: Und das trotz Ihrer Regie- rung!)

Sie wissen, dass ein weiterer Ausbau auf 40.000 Arbeitsplätze aus unserer Sicht sinnvoll und erreichbar ist.

(Beifall von der CDU)

Zweitens befinden wir uns im Hinblick auf das Gemeindewirtschaftsrecht – auch das könnten Sie wissen – in Gesprächen mit verschiedenen Stadtwerken, um das, was diese vor Ort vorhaben, in der Begründung so zu gestalten, dass es mit der Selbstverwaltung und Ortsbezogenheit von Kom

munen vereinbar ist. Das ist Ihnen auch nicht neu, aber Sie wollen es lieber verschweigen.

Drittens möchte ich mich noch auf einen bekannten Sozialdemokraten beziehen, der uns mittlerweile lieber berät als Sie; ich spreche von Herrn Vahrenholt. Er kommt aus dem Bereich der Windenergie, kennt alle Entwicklungen und Chancen und sagt zum wiederholten Male: Gebt den Erneuerbaren eine größere Chance, indem ihr die Laufzeit der bestehenden Kernkraftwerke verlängert, denn die erneuerbaren Energien brauchen Zeit, um wirtschaftlich zu werden.

Das, was Sie, Herr Groschek, vorgetragen haben, ist eine Unverschämtheit.

(Widerspruch von der SPD)

Sie behaupten, es sei gesetzesbrecherisch, wenn wir eine Debatte darüber für sinnvoll halten, ob wir unsere sicheren Kernkraftwerke länger laufen lassen, als bisher geplant. Das ist eine Unverschämtheit! Ich weise das zurück.