Protocol of the Session on November 12, 2008

Meine Damen und Herren, natürlich ist es so, dass das Finanzvolumen von 4 Milliarden € gewahrt werden musste und es deshalb auch bei der Steuer

klasse II bei 30 bis 50 % geblieben ist. Das ist sicherlich so. Dafür hat man aber Befreiungen im unternehmerischen Bereich und auch bei der selbst genutzten Immobilie vorgenommen, die wir jeweils hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit sehr genau prüfen müssen.

Sie wissen, dass uns das Bundesverfassungsgericht verpflichtet hat, Verkehrswerte anzusetzen und Verschonungstatbestände nur im Hinblick auf die Gemeinwohlorientierung vorzunehmen. Das muss jeweils mit dem auch parteilich Gewünschten abgeglichen werden. Ich glaube, dass wir in dieser Frage schon sehr sorgfältig hinsehen müssen und hier nicht nur das, was wir gerne hätten, realisiert wird.

Meine Damen und Herren, gerade die Gemeinwohlorientierung, die uns das Verfassungsgericht vorgeschrieben hat, muss in jedem Punkt sehr genau geprüft werden. Es ist sicherlich gut, dass offensichtlich die Verschonung innerhalb der direkten Linie – so habe ich die SPD verstanden – von ihr auch so gewünscht ist. Das ist schon einmal ein Positivum gegenüber manchem, was ich von Herrn Remmel im Hinblick auf seine Tiraden über leistungsloses Einkommen gehört habe.

Herr Remmel, Sie haben davon gesprochen, dass wir im Bildungsbereich 1 Milliarde € mehr zugesagt hätten. Wenn Sie einen Blick in den Haushalt werfen, sehen Sie, dass wir allein im Haushalt 2009 für den Bildungsbereich über 700 Millionen € mehr veranschlagt haben. Ich weiß nicht, woher Sie jetzt Ihre Intervention genommen haben.

Sie hätten im Übrigen viele Jahre in Berlin Zeit gehabt, all das zu realisieren, was Sie heute vorgetragen haben. Ich verstehe nicht, warum Sie das nicht getan haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Warum machen Sie denn so etwas nicht? Sie kommen auf einmal zu Erkenntnissen, die Sie alle in der Regierungszeit überhaupt nicht gehabt haben. Aber das ist das Spielchen, was sich immer wieder wiederholt.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, NordrheinWestfalen hat ein Abzinsmodell vorgelegt, das sehr viel Bürokratie erspart hätte. Dazu ist es nicht gekommen, weil sich die Verhandlungsführer Koch und Steinbrück sehr früh auf dieses Modell geeinigt hatten, an dem sie – das muss man sagen – nun enorme Verbesserungen vorgenommen haben. Das, was jetzt herausgekommen ist, ist mit dem ersten Entwurf nicht mehr zu vergleichen. Insofern ist das sicherlich ein großer Fortschritt.

Was die Mittelstandskomponente oder die mittelständischen Unternehmen angeht, so ist interessant zu sehen, wie sich Handwerksverbände zu diesem Modell einlassen. Sie beurteilen es durchaus sehr positiv. Auch Herr Thumann hat sich sehr positiv geäußert. Ich glaube, man muss noch intensiv dar

über reden, was nun wirklich nachher im Gesetzestext steht.

Ich glaube, wir haben noch Zeit, diese Prüfung vorzunehmen. Sie wissen, dass die Fraktionen in Berlin auch zwei Wochen haben, sich intensiv damit zu beschäftigen. Insofern sollte sich die Opposition keine Sorge machen, dass eine Kompensation für die etatisierten 1,2 Milliarden € notwendig sind. Ich glaube, dass Ende des Jahres ein ordentliches Modell steht.

(Gisela Walsken [SPD]: Ach! Doppelspiel!)

Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir haben auch noch Zeit, einige Korrekturen, die vielleicht notwendig sind, vorzunehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. – Für die SPD spricht nun Herr Kollege Börschel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich in meiner jetzt etwa dreijährigen Zugehörigkeit zum Hohen Hause selten bei einer das Land Nordrhein-Westfalen betreffenden so wichtigen Frage einen derart planlosen und sich widersprechenden Auftritt der Landesregierung und der koalitionstragenden Fraktionen erlebt habe.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Da rühmt sich zunächst der künftige möchtegernerbschaftspolitische Sprecher der CDU/CSUBundesfraktion, Herr Klein, mit den vielen Dingen, die CDU und CSU an Gutem und Richtigem in diesem Kompromiss zur Erbschaftssteuer erreicht hätten.

(Zuruf von Hans-Theodor Peschkes [SPD])

Herr Kollege Klein, ich muss Ihnen Recht geben: Sie rühmen sich richtigerweise damit, dass sich die Großgrundbesitzer innerhalb von CDU und CSU durchgesetzt haben, dass es Ihnen – was übrigens unter allen Beteiligten völlig unstreitig war – eben nicht darum ging,

(Gisela Walsken [SPD]: Ja!)

Oma ihr klein Häuschen in der Erbfolge zu sichern, sondern Sie haben die Villenbesitzer am Starnberger See und meinetwegen auch in Köln-Hahnwald begünstigt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist – ich muss das leider einräumen – Ihr Teil an dem Kompromiss. Deswegen will ich das, wenn auch ungern, hier zugeben; denn das können Sie sich in der Tat auf die Fahne schreiben.

Dann kommt Frau Kollegin Freimuth und verurteilt den gefundenen Kompromiss in Bausch und Bogen. Quintessenz sozusagen im Saldo und unterm Strich: Das sei auf gar keinen Fall zustimmungsfähig und die NRW-FDP werde alles tun, um zu verhindern, dass dieser Entwurf, der jetzt noch in die Gesetzesform gegossen werden muss, Realität und Wirklichkeit wird.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Das ist ein riesiger Widerspruch. Herr Kollege Witzel applaudiert, wenn auch etwas schwächlich. Damit ist zum Ausdruck gekommen, dass es zumindest einen ziemlich deutlichen Dissens zwischen den Fraktionen von CDU und FDP im Landtag gibt.

Noch viel schlimmer wird es aber nach dem Auftritt von Minister Linssen. Denn er fabuliert über Grundsätze des Steuerrechts im Allgemeinen und des Erbschaftsteuerrechts im Besonderen.

(Gisela Walsken [SPD]: Das sind Textbau- steine!)

Er hat sich wahrscheinlich aus zahlreichen eigenen Reden und früheren Reden des heutigen Ministerpräsidenten einige Textbausteine zusammensuchen lassen.

(Lachen von Minister Dr. Helmut Linssen)

Offensichtlich haben wir Sie in dieser Aktuellen Stunde so unvorbereitet getroffen, dass es Ihnen allen miteinander nicht gelungen ist, ein bisschen Ordnung in Ihre Reihen zu bringen.

(Beifall von der SPD)

Was Sie hier nämlich darstellen, geht nun wirklich völlig am Kern der Sache und der heutigen Debatte, die sich um das Landesinteresse, das Landeswohl und die Position des Landes drehen muss, vorbei.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie fabulieren über die angebliche Mittelstandsgefährdung durch den mühsam gefundenen Erbschaftsteuerkompromiss. Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass Firmenerben respektive die Erblasser mittlerweile ein Optionsmodell für sich in Anspruch nehmen können, das eben keinen Fallbeileffekt hat.

Hören Sie eigentlich gar nicht auf den Mittelstand, der am dringendsten Planungssicherheit will? Er will, dass das Hin und Her um die Erbschaftsteuer endlich aufhört.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Genau das verweigern Sie, Frau Kollegin Freimuth, wenn Sie wieder nur sagen: Wie lehnen den Kompromiss in Bausch und Bogen ab und können ihn unter gar keinen Umständen mittragen.

Ceterum censeo: Dass es überhaupt so lange gedauert hat – das wissen wir alle, und es ist von Ih

nen auch nicht ernsthaft bestritten worden –, lag doch an der wild gewordenen Regionalpartei CSU, die vor, während und nach der Landtagswahl völlig ausgetickt ist, den starken Max spielen wollte und sich am Ende für die Starnberger Villenbesitzer eingesetzt hat und für niemanden sonst.

(Beifall von der SPD)

Minister Krautscheid, ich will kurz zu Ihnen kommen. Minister Linssen weist darauf hin, er wolle ganz in Ruhe prüfen, bis ein Gesetzentwurf vorliegt, den er sich dann ganz genau angucken wolle. Er sei sicher, dass bis zum Jahresende noch etwas ganz Vernünftiges herauskommen werde.

Ich glaube, Herr Minister Linssen, ein Gespräch unter Kabinettskolleginnen und -kollegen täte auch Ihnen ganz gut. Das Kabinett ist mittlerweile erfreulich vollzählig im Plenum erschienen; bei einem Etatposten von über 1 Milliarde € bei Gesamtsteuereinnahmen von gut 41 Milliarden € geht es in der Tat um etwas.

Mein Eindruck ist, dass einige Kabinettsmitglieder verschiedene Positionen vertreten und sich offensichtlich schon eine intensivere Meinung gebildet haben als Sie, Herr Minister. So sagt der stellvertretende Ministerpräsident Pinkwart: Das ist alles Mist; das lehne ich ab.

Herr Krautscheid kündigt an, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat mindestens enthalten, aber keinesfalls zustimmen werde.

(Zuruf von Minister Andreas Krautscheid)

Wenn Sie das gleich richtig stellen, Herr Krautscheid, freue ich mich.

Der Ministerpräsident nimmt höchstpersönlich – willkommen, Herr Rüttgers, zu dieser wichtigen Debatte im Landtag des Bundeslandes, das Sie anführen – in der „Aktuellen Stunde“ am 7. November dieses Jahres auf die Anmoderation des Moderators, Jürgen Rüttgers sei mal wieder auf Konfrontationskurs, NRW werde im Bundesrat gegen den mühsam ausgehandelten Erbschaftsteuerkompromiss der Großen Koalition stimmen, der sei ihm zu bürokratisch, dazu Stellung.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)