Protocol of the Session on October 22, 2008

der Obdachlosenhilfe streichen wir gerade 1,2 Millionen €, weil man glaubt, wir hätten in Nordrhein-Westfalen nicht mehr so viele Obdachlose, und man müsste in diesem Bereich nichts mehr tun. Das finde ich in so einem Zusammenhang blamabel. Ich bitte Sie, wenn wir uns bei der Kultur eventuell morgen verständigen können, auch noch einmal darüber nachzudenken, ob wir für das Jahr 2009 nicht zumindest – ich weiß, dass das eng wird im Finanzkorsett – die 1,2 Millionen € für die Kultur „Jeder braucht ein Dach über dem Kopf“, nämlich für die Obdachlosenarbeit, beibehalten und nicht so herzlos sind und die auch noch streichen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich würde mich über eine solche Gemeinsamkeit freuen.

Ich nehme mir die Mahnung des Präsidenten zu Herzen: Meine Damen und Herren, vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Groth. – Jetzt hat der Finanzminister das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einbringung des zweiten Nachtragshaushalts 2008 geschah am 18. Juni 2008. Ich habe damals vorgetragen: Nichts ist beständiger als der Wandel. Ich glaube, die letzten Wochen haben das mit dramatischer Intensität gezeigt.

Einerseits kann ein Haushaltsplan naturgemäß eine Entwicklung nur schwer vorwegplanen. Aber ich sage auch sehr deutlich: Das Haushaltsrecht des Parlaments und die Begrenzung exekutiven Handelns sind ein hohes Rechtsgut. Gelegentlich macht das erforderlich, im laufenden Jahr eine Planänderung vorzusehen. Dies geschieht mit dem zweiten Nachtragshaushalt. Wesentlicher Anlass – darüber ist gesprochen worden – für diese Einbringung sind die Umsetzung des Ergebnisses der Steuerschätzung vom Mai 2008 sowie zwangsläufige Ansatzveränderungen, die sich im Haushaltsvollzug 2008 abzeichnen und so bei der Haushaltsaufstellung nicht absehbar waren.

Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss die notwendige Anpassung an aktuelle Entwicklungen so gestaltet sein, dass durch einen Nachtragshaushalt die haushalts- und finanzpolitische Gesamtlinie nicht verlassen wird. Lieber Herr Groth, dies ist beim zweiten Nachtragshaushalt 2008 der Fall. Ich glaube, Sie hätten sich gefreut, wenn Sie jemals, als Sie hier Nachtragshaushalte vorlegten,

(Horst Becker [GRÜNE]: Wir hätten uns ge- freut, wenn wir eure Steuereinnahmen ge- habt hätten!)

so ein Ergebnis hätten vorweisen können.

(Beifall von Christian Möbius [CDU])

Es bleibt nämlich bei der vorgesehenen Nettoneuverschuldung von 1,77 Milliarden €. Sie wissen, früher waren Nachträge immer der Offenbarungseid eines jeden Finanzministers oder des gesamten Kabinetts.

Herr Groth, Sie hatten, als Sie hier den Begrüßungsapplaus nicht so ganz verkraften konnten, Feststellungen machen wollen. Ich will Ihnen einmal sagen, wie Ihre Feststellungen aussehen.

Sie haben erklärt – es geht ja immer um die Steuereinnahmen –, dass Sie von 2000 bis 2005 weniger Steuereinnahmen gehabt hätten, aber natürlich auch weniger Schulden gemacht hätten im Verhältnis zu diesen geringeren Steuereinnahmen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Steuereinnahmen betrugen damals 3,1 Milliarden € weniger, und die Nettokreditaufnahme ist zu dieser Zeit um mehr als 3,1 Milliarden € gestiegen. Das nur zu Ihren Feststellungen.

Ich darf mir erlauben, noch einmal das Ergebnis von 1995 bis 2000 vorzutragen. Da hatten Sie 4,4 Milliarden € mehr Steuereinnahmen und haben die Nettokreditaufnahme um 407 Millionen € erhöht. Das zu Ihren Glanzleistungen in der Vergangenheit.

Der Ansatz der im Haushalt 2008 zu erwartenden Steuereinnahmen steigt von 41,52 Milliarden € auf 41,63 Milliarden €; das sind 110 Millionen € mehr. Das ist sicherlich nur deshalb möglich, weil wir die Ansätze insgesamt mit der gebotenen Vorsicht und unter Abwägung der bestehenden Risiken kalkuliert hatten. Dafür haben Sie mich oft genug gescholten. Aber ich glaube, dass sich das als sehr gut erwiesen hat.

Für uns gilt seit 2005 eine klare haushaltspolitische Linie: Konjunkturell bedingte Steuermehreinnahmen, die sich im Haushaltsvollzug ergeben, müssen im Sinne einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft und/oder zur Absenkung der Verschuldung eingesetzt werden; so habe ich es immer vorgetragen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, beziehen sich immer nur auf die Absenkung der Verschuldung. Darüber haben wir schon beim Versorgungsfonds, beim Pensionsfonds und verschiedenen anderen Vorsorgemaßnahmen gestritten. Sie wollen diese nachhaltige Haushaltswirtschaft ja offensichtlich nicht begrüßen.

Unsere Konsolidierungsleistung haben Sie heute schon zum ungefähr sechsten Male gebetsmühlenartig angezweifelt; auch Sie, Frau Brunn, haben sich ja daran beteiligt. Sie wissen, dass wir bis einschließlich des Haushalts 2008 knapp 90 % der verfügbaren Steuermehreinnahmen für das Land ausschließlich für die Absenkung der Nettokreditaufnahme verwandt haben. Ich habe mir erlaubt, Ihnen noch einmal das gesamte Paket an Daten

und Fakten zuzuleiten; wir hatten darüber im Haushalts- und Finanzausschuss gesprochen. Ich empfehle es Ihnen zur Lektüre. Normalerweise können Sie danach Ihre Behauptungen nicht wiederholen; anhand der Haushalte der jeweiligen Jahre können Sie ja alles überprüfen. Mein Optimismus, dass Sie hier tatsächlich die Wahrheit vortragen werden, hält sich aber in Grenzen.

In den Bereich Vorsorge fällt die Bereitstellung von 95 Millionen € für die Dotierung des Risikofonds für die WestLB-Garantie. Mit dem ersten Nachtragshaushalt 2008 hatte eine Mehrheit dieses Hauses die Landesregierung zur Abgabe einer Garantieerklärung für die WestLB ermächtigt. Sie ist ein wesentliches Element des Gesamtkonzepts zur Zukunftssicherung der WestLB, auf das sich alle Eigentümer verständigt haben. Zusammen mit der Einrichtung einer Zweckgesellschaft war das auch der richtige und angemessene Schritt. Ich glaube, wir waren seinerzeit Vorreiter für das Berliner Handeln in der letzten Woche. Sie haben das damals abgelehnt, anders als Ihre Kollegen in Berlin das jetzt getan haben, obwohl das Handeln vergleichbar ist.

Sie, Frau Brunn, haben heute den Nachtrag mit der Begründung abgelehnt, dass das Gremium nach § 10a des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, das jetzt im Bundestag gegründet wird, vorbildhaft sei und wir so etwas nicht hätten. Ich glaube, Herr Groth hat Ihnen gerade gesagt, dass wir einen Unterausschuss „Landesbetriebe und Sondervermögen“ haben. Da wird selbstverständlich minutiös berichtet werden. Ich glaube, keiner von Ihnen kann sich über die Informationspolitik des Finanzministeriums beschweren. Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich Sie, sogar ohne dass Sie anklopfen oder einen Wunsch äußern, von mir aus informiere. Ich wäre Ihnen, Herr Groth, dankbar, wenn Sie Bemerkungen wie die von vorhin in Zukunft sein lassen würden.

(Beifall von der CDU)

Ich will Ihnen gerne noch etwas zu dem Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds in Berlin sagen. In § 10a Abs. 2 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes heißt es:

Das Gremium wird vom Bundesministerium der Finanzen über alle den Fonds betreffenden Fragen unterrichtet.

Genau das machen wir hier in Nordrhein-Westfalen schon seit Langem, und zwar in Bezug auf jede Angelegenheit. Eine dünnere Begründung für die Ablehnung, Frau Brunn, konnten Sie sich wirklich nicht einfallen lassen.

(Beifall von der FDP)

Sie wissen, dass mit dem Risikofonds auch die Belastungen in der Zukunft bezüglich Zeit und Höhe geglättet werden und dass das verantwortungsvolle,

vorsorgende und nachhaltige Haushaltspolitik ist. Die Zustiftung in Höhe von 15 Millionen € für die Stiftung Zollverein gehört ebenfalls in diese Kategorie. Sie wissen, dass damit dauerhaft 600.000 € jährlich eingespart werden. Es ist ein notwendiger Zuschuss für dieses Kulturerbe in unserem Land.

Die übrigen zwangsläufigen Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen verteilen sich auf verschiedene Einzelposten mit einem Volumen von rund 180 Millionen €. Sie werden vollständig durch Minderausgaben oder nichtsteuerliche Mehreinnahmen gedeckt. Auch diese Minderausgaben zeigen, dass wir in den Ansätzen sehr realistisch sind und immer mit einem Vorsichtsfaktor rechnen. Auch das könnten Sie hin und wieder positiv hervorheben.

(Beifall von der FDP)

Hervorzuheben sind sicherlich die 56,9 Millionen € Mehrausgaben für die Kindpauschalen nach dem KiBiz. Die Meldungen der Jugendämter haben ein Mehr von 66,9 Millionen € ergeben. Da wir bereits 10 Millionen € für Sonderbedarfe im Umstellungsjahr eingeplant hatten, müssen nur noch 56,9 Millionen € abgedeckt werden.

Zu den von Ihnen angesprochenen 72 kw-Stellen kann ich nur sagen, dass Ihnen auch nichts Neues mehr einfällt. Darüber haben wir jetzt schon so oft gesprochen. Schauen Sie sich in den Anhörungsprotokollen nur einmal an, was der DGB-Chef in Nordrhein-Westfalen, Herr Schneider, dazu vorgetragen hat. Ich zitiere aus dem Protokoll eine Aussage von Herrn Schneider:

Ich halte das für eine „Kinderdiskussion“. Jede neue Regierung hat den Anspruch darauf, zumindest im engeren Kern mit Personen ihres politischen Vertrauens tätig zu werden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Kinder sind ver- nünftiger als Sie!)

Als Grüne, Frau Löhrmann, würde ich mich nicht trauen, auch nur ein Wort dazu zu sagen.

(Beifall von der CDU)

Sie, die Grünen, haben 1995 zwei Ministerien bekommen; wir haben elf Ministerien übernommen. Sie haben seinerzeit 24 oder 26 neue Stellen geschaffen. Multiplizieren Sie die mit fünfeinhalb, und Sie kommen auf eine Größenordnung, die weit über das hinausgeht, was wir gemacht haben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Quatsch!)

Das ist Ihnen natürlich unangenehm.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist falsch!)

Aber es ist die Wahrheit, und deshalb muss man es vortragen. Im Übrigen haben wir so viele kw-Stellen abgebaut, dass allein die Ministerialkapitel bis Ende 2009 226 kw-Stellen weniger ausweisen werden. Vor diesem Hintergrund ist Ihr ganzes Gerede über diesen Sachverhalt Tinnef.

Mit dem Entwurf des zweiten Nachtragshaushalts geht die Landesregierung auf den aktuellen Änderungsbedarf in diesem Jahr ein und setzt ihn im Haushalt um. Bei aller Veränderung liegt dieser zweite Nachtragshaushalt gleichwohl voll und ganz auf der haushaltspolitischen Linie dieser Landesregierung. Wir kommen damit unserer Verantwortung gegenüber dem Land nach. Sie als Opposition sind einfach immer blind dagegen.

Herr Minister!

Schauen Sie sich einmal an, wie wir uns verhalten haben. Wir haben dadurch an Finanz- und Wirtschaftskompetenz gewonnen. Nirgendwo auf den Kompetenzfeldern ist der Abstand zwischen Ihnen und uns so groß wie genau auf diesen Feldern. Aber das haben Sie davon.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, dass wir etwa zwei Stunden über der Zeit sind und heute Abend noch einen gemeinsamen Termin haben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wenn die Lan- desregierung so lange redet!)

Die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort. – Herr Möbius verzichtet. Das halte ich für sehr lobenswert.

(Allgemeiner Beifall)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herrn Becker gemeldet. Wünscht er das Wort? – Nein, aber Herr Groth noch einmal.