Protocol of the Session on October 22, 2008

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest: Hätten Sie früher auf uns gehört, hätte es dieses Nachtragshaushaltes nicht bedurft. Wir haben Ihnen schon sehr früh prophezeit, dass Sie bei KiBiz mehr Geld brauchen. Wir haben Ihnen auch aufgetragen, erst einmal eine funktionsfähige Finanzverwaltung hinzustellen und auch dort hinein zu investieren usw. usf. Es sind Anträge gestellt worden.

Und auch mit den Steuermehreinnahmen könnten Sie im Vollzug alles so machen, wie Sie es gesagt haben, nämlich jede Steuermehreinnahme in die Senkung der Nettoneuverschuldung zu stecken. Dann hätten wir am Ende des Jahres abgerechnet und Sie hätten Ihr Versprechen eingehalten. Das tun Sie aber nicht. Deshalb bedarf es dieses Nachtragshaushalts.

Meine Damen und Herren, früher hat Herr Minister Linssen, als er noch nicht Minister war, erklärt: Das mit den Nachtragshaushalten, das ist Verschleierung, das ist alles nicht transparent. – Dann musste er, gleich im ersten Regierungsjahr 2005, einen zweiten Nachtragshaushalt durchziehen. Da hat er dann gesagt: Ja, das mit der Transparenz und der Übersichtlichkeit, das gilt schon noch, was ich früher gesagt habe, und es soll jedenfalls demnächst nicht mehr zu Nachtragshaushalten kommen. – Im Jahr 2006 kam es dann tatsächlich nicht zu einem Nach

tragshaushalt, aber zu zwei Ergänzungsvorlagen, die im Übrigen größer waren als der Haushalt insgesamt, was auch nicht gerade der Transparenz gedient hat. Im nächsten Jahr, 2007, dann der erste Nachtrag, der zweite Nachtrag; 2008 erster Nachtrag, zweiter Nachtrag.

(Christian Möbius [CDU]: Alles Haushaltsver- besserungen!)

Das zur Übersichtlichkeit und Transparenz. Herr Minister Linssen, Sie sind ein wahrer Garant für Unübersichtlichkeit und Intransparenz, so wie Sie es früher selbst dargestellt haben. Wir Grüne haben Sie jedenfalls früh gemahnt, bei KiBiz einzustellen und die Finanzverwaltung in einen arbeitsfähigen Zustand zu versetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und jetzt kommen Sie uns auch noch mit diesen 72 Stellen. 72 hoch bezahlte Vertraute in der Staatskanzlei, 72 Getreue, meine Damen und Herren, 72mal das richtige Parteibuch.

Sie haben uns immer vorgeworfen, wir hätten zu rot-grüner Regierungszeit Leute in den Ministerien untergebracht. – Mitnichten! Sie mussten es in eigenen Vorlagen – Herr Minister, ich habe sie Ihnen mitgebracht – eingestehen, dass es keine einzige Stelle gegeben hat, die von uns nur wegen des Regierungswechsels eingerichtet worden ist. Es hat zwei Neueinstellungen gegeben, und die sind beide kw-gestellt worden. Die sind Ende des Jahres 1995 auch wieder kw gewesen. Von daher mussten Sie die ganzen Vorwürfe, die Sie dauernd versucht haben, im Lande Nordrhein-Westfalen zu virulieren, zurücknehmen.

Jetzt stehen Sie hier und verkünden, dass von diesen 72 Stellen keine einzige wegfällt, und: Ihre Getreuen, hoch bezahlt, mit dem richtigen Parteibuch, bleiben auf ewig dem Lande Nordrhein-Westfalen erhalten. – Vielen Dank dafür.

(Christian Möbius [CDU]: Wir regieren ja auch noch lange!)

Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler des Landes werden sich bei Ihnen bedanken können.

Meine Damen und Herren, Sie haben angekündigt, alle Steuermehreinnahmen in die Senkung der Nettoneuverschuldung fließen zu lassen. Das tun Sie eben nicht.

(Volkmar Klein [CDU]: Doch!)

Nein, das tun Sie nicht. – Das RWI hat erst kürzlich in einer Anhörung zum Haushalt im Haushalts- und Finanzausschuss dazu sinngemäß ausgeführt, dass diese Ankündigung von Anfang an unsinnig gewesen ist und im Übrigen auch nicht von Ihnen annähernd eingehalten wird.

Mit den Steuermehreinnahmen konsolidieren Sie eben nur noch zu rund 48 %. Und die Tendenz ist

sinkend. Nicht einmal das machen Sie. Sie setzen also die Steuermehreinnahmen – Steuermehreinnahmen, die Sie nicht verdient haben, sondern die die Bürgerinnen und Bürger gezahlt haben – nicht für die Schuldensenkung ein. Sie halten Ihre Versprechen nicht ein, meine Damen und Herren.

Jetzt möchte ich Ihnen ein Beispiel aus der rotgrünen Regierungszeit 2000 bis 2005 nennen. Damals hatten wir nicht steigende Steuereinnahmen, wie Sie sie haben, sondern wir hatten sinkende Steuereinnahmen. Was tut man bei sinkenden Steuereinnahmen? Was würden Sie tun? – Sie würden die Nettoneuverschuldung erhöhen. Das haben auch wir machen müssen. Aber, meine Damen und Herren, wir haben die Nettoneuverschuldung nicht in dem Umfang erhöht, wie uns die Steuereinnahmen ausgefallen sind. Bei zurückgehenden Steuereinnahmen haben wir den Rest, den wir nicht über Verschuldung gemacht haben, tatsächlich eingespart. Das sind etliche Milliarden in unserer Regierungszeit gewesen. Das sollten Sie sich einmal zu Herzen nehmen. Sie schaffen es nicht einmal, bei steigenden Steuereinnahmen bei dem zu bleiben, was Sie versprochen haben.

Herr Kollege Groth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klein?

Aber gerne doch. Er ist immer qualifiziert.

Sie haben ja auch andauernd Zwischenfragen gestellt; dann müssen Sie das auch anderen erlauben.

Herr Kollege Groth, sind Sie denn eventuell bereit zuzugestehen, dass ein erheblicher Teil der Steuermehreinnahmen des Landes automatisch an die Kommunen weiterzureichen ist und insofern nicht mehr zur Schuldenreduzierung zur Verfügung steht, oder wollen Sie eventuell den Kommunen den kommunalen Anteil streitig machen?

Herr Kollege Klein, den kommunalen Anteil haben Sie abgesenkt – gut, dass Sie mich noch einmal darauf gebracht haben, denn das hatte ich Ihnen noch gar nicht vorgeworfen. Er liegt ja gar nicht mehr bei 23 %. Den haben Sie abgesenkt.

Im Übrigen: Wenn 23 % an die Kommunen fließen, dann wissen unsere Zuschauerinnen und Zuschauer, dass 77 % beim Land verbleiben. Das ist das Dreifache. Damit haben Sie aber eben nicht die Schulden gesenkt, sondern Sie haben verkonsumiert. Sie haben im Moment noch nicht einmal im

Umfang der Hälfte eine Konsolidierung. Den Rest verpulvern und konsumieren Sie.

(Zuruf von Volkmar Klein [CDU] – Christian Möbius [CDU]: Bildung!)

Das ist das eigentliche Desaster. Sie haben seit 2005 mehr als 8 Milliarden € zur Verfügung. Sie verwenden das aber nicht für eine strikte solide Haushaltspolitik. Die sieht jedenfalls anders aus. Mehr als die Hälfte davon haben Sie verpulvert.

Mit der Geschichtsklitterung jedenfalls, an allem sei die Erblast von Rot-Grün schuld, haben wir jetzt endgültig aufgeräumt. Wir sind die tatsächlichen Sparer in der Not gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sparen nicht einmal in der Zeit, in der Sie Geld übrig haben. Selbst in dieser Zeit verpulvern Sie noch die Hälfte.

Ab jetzt steht Ihnen aber eine ganz andere Ausrede dafür zur Verfügung. Wir haben ja gerade die Zeitenwende. Heute Morgen haben wir die Finanzkrise diskutiert. Ab heute werden Sie ja nicht mehr sagen: Dafür trägt Rot-Grün die Schuld. Langsam hat ja auch der Letzte gemerkt, dass Sie hier bereits ein paar Jahre regieren. Ab heute werden Sie sagen: Jetzt können wir es nicht mehr. Jetzt liegt es an der Finanzkrise. – Das werden Sie sagen, wenn die Leute auf der Matte stehen und fordern, dass Sie jetzt bitte in die Jugendförderung, in die Kindertagesstätten, in die U3-Plätze, in die Über-MittagBetreuung und in das Mittagessen für die Kinder investieren sollten.

(Zuruf von Volkmar Klein [CDU])

Das ist kein Luxus, Herr Klein. Das darf unsere Bevölkerung bei erhöhten Steuereinnahmen von Ihnen erwarten, dass Sie nachhaltig und zukunftsfähig so in Bildung und Umwelt investieren, dass wir auch etwas vom Steuergeld haben, und dass Sie das Geld nicht verpulvern.

(Beifall von GRÜNEN und Anke Brunn [SPD])

Herr Kollege Groth, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage von Herrn Möbius?

Im Moment würde ich gerne zum Ende meiner Rede kommen.

Ich fände das auch gut. Denn wir haben die vorgesehene Zeit schon weit überschritten. Je länger wir jetzt hier darüber debattieren, umso später ist der heutige Plenartag zu Ende. Sie wissen, wir haben noch einen Anschlusstermin. – Herr Groth, lassen Sie die Frage von Herrn Möbius jetzt zu oder nicht?

Nein. – Herr Möbius, wir können das nachher unter vier Augen klären.

Gut. Dann fahren Sie bitte fort, Herr Groth.

Ich nehme mir Ihre Ermahnung sehr zu Herzen, Herr Präsident, und komme deshalb auch relativ schnell zum Schluss.

Zum Risikoschirm will ich nicht mehr viel sagen. Die Risiken sind größer, als es allgemein hier dargestellt wird. Das werden wir am Ende noch sehen. Das wird auch über die Steuergelder abgerechnet werden. Das werden die Bürgerinnen und Bürger noch schmerzlich zu spüren bekommen.

Ich bin sehr kritisch, was das Gremium angeht. Wir haben gerade über den Vorschlag an die SPD gesprochen. Wenn wir das bis morgen so verändern, dass aus jeder Fraktion auch ein Mitglied in diesem Gremium vertreten sein kann, dann könnten wir uns in der dritten Lesung vielleicht darauf verständigen.

Ich möchte aber sagen: Dieses Gremium an sich gibt es schon. Wir brauchen nicht unbedingt ein neues Gremium. Aber wenn es denn so sein soll, dann sage ich: in Ordnung.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Richtig informiert werden muss der HFA. Da sind Sie an der ersten Stelle, Herr Finanzminister. Da müssen Sie nicht „Bravo!“ rufen. Wenn Sie das Gremium, das hier dafür installiert ist, nämlich den Haushalts- und Finanzausschuss, wirklich transparent, zeitnah und in aller Vertraulichkeit vernünftig informieren würden,

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das ist eine Unverschämtheit!)

dann würde das wahrscheinlich auch schon ganz anders aussehen. Vielleicht hätte die SPD diesen Antrag dann sogar gar nicht gestellt. Wir werden den Antrag unterstützen, wenn von jeder Fraktion ein Mitglied in diesem Gremium vertreten sein kann, und dann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit anstreben.

Es gibt jetzt den Antrag für Kultur, der morgen eingebracht werden soll. Es gibt dazu das positive Signal aus der Grünen-Fraktion. Ich kann Ihnen unsere Zustimmung aber noch nicht endgültig zusagen. Meine Damen und Herren, diese schnelle Gemeinsamkeit in Fragen der Kultur begrüßen wir natürlich. Wir finden es gut, dass dieses Hohe Haus dazu noch in der Lage ist. Aber ich bitte Sie auch einmal eindringlich um Gemeinsamkeiten in anderen Fragen.

(Beifall von GRÜNEN und Anke Brunn [SPD])

Wir streichen gerade bei einem besonderen Kulturgut. Das ist nämlich das Dach über dem Kopf. Bei

der Obdachlosenhilfe streichen wir gerade 1,2 Millionen €, weil man glaubt, wir hätten in Nordrhein-Westfalen nicht mehr so viele Obdachlose, und man müsste in diesem Bereich nichts mehr tun. Das finde ich in so einem Zusammenhang blamabel. Ich bitte Sie, wenn wir uns bei der Kultur eventuell morgen verständigen können, auch noch einmal darüber nachzudenken, ob wir für das Jahr 2009 nicht zumindest – ich weiß, dass das eng wird im Finanzkorsett – die 1,2 Millionen € für die Kultur „Jeder braucht ein Dach über dem Kopf“, nämlich für die Obdachlosenarbeit, beibehalten und nicht so herzlos sind und die auch noch streichen.