Protocol of the Session on January 28, 2004

Wachstumsgesetz geforderten hohen Beschäftigungsstand erreichen. Dieses Ziel können wir nur langfristig verwirklichen.

Aus all diesen Gründen erhöhen wir die Kreditaufnahme im Jahre 2004, also im nächsten Haushaltsjahr, um 1,5 Milliarden € und wirken damit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts entgegen.

Die Koalitionsfraktionen - das ist auch der Gegenstand öffentlicher Diskussionen gewesen - haben in einer großen Kraftanstrengung Korrekturen am Haushaltsentwurf der Landesregierung vorgenommen. Wir kürzen Ausgaben nur noch da, wo wir glauben, sie verantworten zu können, und manchmal ist da auch die Grenze erreicht. Aber wir zerschlagen keine Strukturen.

(Beifall bei der SPD - Marc Jan Eumann [SPD]: So ist das!)

Wir sichern die Strukturen eines Rechtsstaates, der dem Grundsatz der sozialen Verantwortung verpflichtet ist. Das ist unser Herzensanliegen, und dabei bleibt es auch in Zukunft.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Wir verhindern das weitere Ansteigen der Arbeitslosigkeit, und wir unterstützen den beginnenden wirtschaftlichen Abschwung - Aufschwung ---

(Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei der CDU)

- Was wollen Sie denn? Warum jubeln Sie bei Abschwung? Wünschen Sie sich das?

(Zurufe von der CDU)

Ist das Ihre politische Forderung? Wollen Sie das? Wir wollen doch Aufschwung! Sie hoffentlich auch!

(Zurufe von der CDU)

Das passt nicht in Ihr politisches Konzept. Aber die Menschen wollen den Aufschwung. Und wir werden dazu beitragen, dass er kommt. Meine Damen und Herren, das ist das Ziel, um das es hier geht und um nichts anderes.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Messlatte unseres Handelns sind die Landesverfassung, das Stabilitäts- und das Wachstumsgesetz und selbstverständlich auch die Landeshaushaltsordnung. Wir orientieren uns an den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Daraus leitet sich für das laufende Jahr 2004 die Notwendigkeit ab, die Regelgrenze für die Neuverschuldung aus

Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung zu überschreiten.

Es gibt Anzeichen für ein Anspringen der Konjunktur, was offenbar die Oppositionsparteien irritiert und von Ihnen auch nicht so positiv gesehen wird wie von uns, wie man gerade gemerkt hat. Aber die Belebung des Arbeitsmarktes wird sich erst mit einer Verzögerung einstellen.

Damit bleibt einer der vier Eckpfeiler des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts instabil. Solange die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts besteht, solange müssen wir auch bereit sein, die Verschuldung über die Regelgrenze hinaus anzuheben. Alles andere wäre auch konjunkturpolitisch unverantwortlich, nämlich gegenüber den Menschen, denen wir verpflichtet sind, eine neue Erwerbsperspektive zu schaffen.

Das verstößt nicht gegen die Verfassung, sondern entspricht ihrem Geist und auch ihrem Wortlaut. Unsere Verfassung und unsere Gesetze sehen ausdrücklich vor, dass der Staat aktiv gegen Arbeitslosigkeit vorgeht.

(Zurufe von der CDU)

Das soll nicht heißen, meine Damen und Herren, dass wir die Regelgrenze der Verfassung infrage stellen - im Gegenteil. Wir sind uns bewusst, dass die Überschreitung eine wohl begründete Ausnahme bleiben muss. Wir sehen aber in diesem Jahr die Notwendigkeit, von dieser Ausnahme Gebrauch zu machen. Damit stehen wir im Übrigen nicht allein.

Nach dem heutigen Stand haben auch der Bund und die Länder Niedersachsen, CDU-regiert, Hessen, CDU-regiert, Mecklenburg-Vorpommern, SPD/PDS-regiert, und Schleswig-Holstein, Rot/Grün-regiert, eine Störungslage festgestellt. Wir leben eben nicht auf einer Insel in NordrheinWestfalen. Wir gehen hier auch keinen Sonderweg.

Für ganz Deutschland ist die Störung durch den Bund festgestellt. Wir haben vergleichbare Herausforderungen in mindestens vier der anderen Bundesländer zu bewältigen. Im dritten Jahr hintereinander gehen die Steuereinnahmen zurück. Das hinterlässt im Landeshaushalt seine Spuren.

Noch schärfere Sparmaßnahmen würden die Probleme auf dem Arbeitsmarkt noch größer machen. Das ist nach Auffassung des Finanzministers und auch nach unserer Auffassung richtig so. Wir schließen uns in dieser Frage der Meinung des Finanzministers ausdrücklich an.

An die Begründung für eine Überschreitung der Regelgrenze stellen die Gerichte wachsende Anforderungen. Denen kommen wir nach. Zu diesem Zweck hat die Koalition heute einen Entschließungsantrag eingebracht, der im Einzelnen darlegt, worin die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu sehen ist.

Dieser Entschließungsantrag zeigt auch, warum für dieses Jahr eine Überschreibung der Regelgrenze angezeigt ist und wie durch eine höhere Neuverschuldung der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt wird. Auf den Inhalt dieser Entschließung nehme ich ausdrücklich Bezug. Wir bewegen uns in dem Korridor, den die Verfassung und das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vorgeben.

Die höhere Neuverschuldung ist gerechtfertigt. Wir gehen einen Weg der Einsparungen ohne Strukturbrüche, der der Arbeitslosigkeit entgegenwirkt, ohne dass wir damit die Zukunft belasten.

Wir erfüllen mit unserem Landeshaushalt die Ziele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Das ist nicht nur unsere Meinung, meine Damen und Herren. Wir haben vergangene Woche von der CDU ein Gutachten von Prof. Birk aus Münster erhalten. Das war der Vertreter der CDU in dem Rechtsstreit über die Verfassungsmäßigkeit der beiden Haushalte, die er dann für verfassungswidrig erklärt hat.

(Bernhard Recker [CDU]: Er hatte Recht! - Weitere Zurufe von der CDU)

Wir haben in der Kürze der Zeit dieses Gutachten überprüfen lassen und uns selber ein Gutachten zu dieser Frage besorgt. Dieses Gutachten ist wegen der Kürze der Zeit leider erst in der heutigen Nacht, um 4:00 Uhr, in unserem Büro im Landtag eingegangen. Das Gutachten ist von Prof. Dr. Helmut Siekmann aus Bochum. Wir werden Ihnen dieses Gutachten zur Verfügung stellen. Es sagt eindeutig, dass der von der Landesregierung und den Koalitionsfraktionen beschriebene Weg die gesetzlichen Vorgaben sowohl aus der Verfassung als auch aus dem Stabilitätsgesetz und der Landeshaushaltsordnung einhält.

Wir stellen Ihnen das Gutachten zur Verfügung. Wir bitten Sie, sich auch mit diesem Gutachten intensiv auseinander zu setzen und Ihre Position in dieser Frage noch einmal zu überprüfen.

(Helmut Diegel [CDU]: Das hat er für 2001 und 2002 auch schon gesagt!)

Meine Damen und Herren, mit gezielten Sparmaßnahmen schaffen wir aber auch finanzielle Spielräume, die wir brauchen, um künftig die

Staatsverschuldung zu verringern. Einnahmeverbesserungen ab dem Jahre 2006 werden in erster Linie zur Rückführung der Schulden des Landes genutzt. Das setzt aber voraus, dass wir wieder steigende Einnahmen für den Landeshaushalt haben. Diskussionen oder Vorschläge - die kommen vor allem von der CDU - für noch weitergehende Steuerkürzungen sind mit dieser Politik nicht zu verbinden.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen hat sich die CDU an dem Steuerkonzept von Herrn Merz geradezu berauscht. Sie war euphorisch. Toller Vorschlag! Da hat man von Befreiungsschlag geredet, von einem Meilenstein in die richtige Richtung. Durchbruch zur Steuerwende! - Das waren die euphorischen Bewertungen der CDU und auch von Vertretern der CDU aus Nordrhein-Westfalen.

Und heute? Was ist daraus geworden? - Ich zitiere, meine Damen und Herren: "Was in den vergangenen Tagen aus der Partei" - damit war die CDU gemeint - "zu hören war, hat mit Klarheit, Richtung oder Berechenbarkeit nichts zu tun", so der Kommentar in der „Aachener Zeitung“ vor wenigen Tagen.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Das „Handelsblatt“ ging noch einen Schritt weiter. Auch der Finanzminister hat dieses Zitat schon einmal gebracht. Herr Finanzminister, es ist so schön, dass ich es hier noch einmal verwenden möchte. Das „Handelsblatt“ hat nämlich zu den Plänen der CDU zur Steuerreform gesagt, das sei Simsalabim-Politik. Wörtlich:

"Man schürt heftigste Erwartungen, die dann aber von anderen befriedigt werden sollen. Andere sollen bezahlen, was man selber verspricht.“

Das ist Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Bewertung trifft den Nagel auf den Kopf. Genau darum geht es.

Es ist für die CDU in Nordrhein-Westfalen eben typisch, dass sie die politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und finanziellen Rahmenbedingungen unseres Landes ignoriert und rein parteipolitisch handelt. Sie agiert ausschließlich mit dem Ziel der Landtagswahl im Mai 2005. Nichts anderes haben Sie im Auge, nur die Wahl - nicht das Wohl des Landes in diesem Jahr, nicht das Wohl im nächsten Jahr, nur Ihre Wahl im Jahre

2005. Das ist aber nicht im Interesse der Menschen in unserem Land.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind gegen jede Kürzung. Jede Kürzung, die die Landesregierung oder die Koalitionsfraktionen vorgeschlagen haben, ist von Ihnen abgelehnt worden.

Sie reden jedem nach dem Mund. Jeder, der gegen die Sparpläne protestiert, kann sicher sein, dass sofort irgendjemand von der CDU Applaus heischend vor ihm steht.

Sie machen aber keine eigenen Kürzungsvorschläge. Sie stellen in den Fachausschüssen keine Änderungsanträge. Das kennzeichnet die Konzeptionslosigkeit Ihrer Politik, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD)

Die paar Scheinanträge, die Sie kurz vor Toresschluss noch gestellt haben, ändern nichts an diesem Eindruck, den Sie bei diesen Haushaltsplanberatungen wieder einmal erweckt haben. Allen Fachberatungen haben Sie sich entzogen.