Protocol of the Session on January 28, 2004

Herr Dr.Rüttgers, in Ihrer Rede war doch nichts drin. Es ist nicht Ihre Aufgabe, die Landesregierung zu loben, sondern es ist Ihre Aufgabe, Schwächen in der Landespolitik - verantwortet durch die Mehrheit hier im Landtag und die Landesregierung - aufzudecken und Alternativen anzubieten.

Wer Ihnen aufmerksam zugehört hat, wird zu folgendem Schluss kommen: Ja, Angriffe und Vorwürfe gegenüber der Landesregierung hat er vorgetragen. Das kam alles ein wenig geschäftsmäßig herüber, ohne viel Engagement.

Meine Damen und Herren, was bietet - in einer der schwierigsten Haushaltslagen NordrheinWestfalens, die jemals hat bewältigt werden müssen - dieser Oppositionsführer, der als Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl antreten will, diesen Menschen an? Welchen Zukunftsentwurf hat er?

(Beifall bei der SPD)

An der Stelle haben Sie weder uns hier noch den Menschen im Land etwas geboten. Sie verweisen auf ein Programm, das Sie hochgestochen "Zukunftsprogramm" nennen, obwohl es letztlich nichts anderes ist als ein Aufguss dessen, was Sie uns bei den letzten Haushaltsberatungen vorgeschlagen haben. Das ist wie ein Teebeutel, den man mehrmals in heißes Wasser tunkt und der immer schwächer wird. Das Bild passt auch zu Ihrem Programm, wenngleich es zugegebenermaßen ein bisschen flotter formuliert ist, ein bisschen eleganter. Aber von der Substanz her ist es genauso inhaltsleer, genauso widersprüchlich und wenig konkret, wie das schon im letzten Jahr der Fall gewesen ist. Und das bietet diese CDU dem Land angesichts dieser schwierigen Lage an! Das ist ein Armutszeugnis für die Opposition und nicht mehr!

(Beifall bei der SPD)

Die Kennzeichen Ihres Zukunftsprogramms, das Sie uns in der vergangenen Woche vorgelegt haben und heute zur Abstimmung stellen, hat keinem einzigen Fachausschuss zur Überprüfung vorgelegen. Nirgendwo im Parlament haben wir über dieses Zukunftsprogramm geredet. Es ist ausschließlich ein Scheinantrag für die Parlamentsdebatte hier und heute. Mit diesem Antrag wollen Sie in Nordrhein-Westfalen Politik machen?

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Das ist lachhaft und für eine Opposition beschämend. Es tut mir herzlich Leid, Ihnen das in dieser Heftigkeit sagen zu müssen. Sie sehen: Ich bin engagierter im Thema als der Oppositionsführer und daher auch ein bisschen heftiger.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN - Oh-Rufe von der CDU)

Herr Dr. Rüttgers, Sie haben uns ein Programm vorgelegt - so haben Sie es im Übrigen auch heute wieder vorgetragen -, das allen Leuten alles verspricht. Sie sprechen davon, alle Kürzungen zurückzunehmen, weil alles falsch ist. Dafür finden Sie Zeugen und Zitate, von denen Sie einige hier benannt haben. Wenn Sie eine solche Politik vorbereiten, setzen Sie sich aber auch mit Ihren Leuten zusammen und versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie Sie diese Politik finanzieren wollen. Die Finanzierungsvorschläge, die Sie machen, tun in diesem Land niemandem weh. Sie machen allgemeine Versprechungen: Wir wollen den Umsatzsteuerbetrug stärker bekämpfen! Wir verkaufen Vermögen! Wir wollen Beamte, die man jedenfalls in der allgemeinen Verwaltung sowieso nicht braucht, entlassen! - Das tut niemandem weh. Sie wollen Menschen einen Gefallen tun, sind aber gleichzeitig dabei, niemandem weh zu tun. Das ist politisch verantwortungslos. So lösen Sie kein einziges Problem. Das können Sie im Übrigen auch gar nicht.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Auf Ihren Antrag, der im Übrigen vor lauter Fehlern nur so strotzt, will ich in aller Kürze eingehen: So fordern Sie beispielsweise, wir sollen ein Viertel der Anteile am Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW verkaufen. Dazu hat schon der Finanzminister Stellung genommen. Diese Position hätten Sie bis heute wenigstens korrigieren können.

Ihnen hat zu diesem Punkt doch schon der Finanzminister gesagt - das hätten Sie wenigstens bis heute korrigieren können -, dass dem Wert dieses BLB von 9,7 Milliarden € gleichzeitig Bilanzverbindlichkeiten in der Größenordnung von

8,7 Milliarden € gegenüberstehen. Wir reden also über 1 Milliarde €. Wo wollen Sie also die Mittel herholen, von denen Sie sprechen? - Das ist doch eine Luftbuchung. Da steckt doch nichts dahinter.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Das hat Ihnen der Finanzminister doch schon letzte Woche gesagt. Sie tragen aber heute das Gleiche vor und stellen es dieses Parlament zur Abstimmung.

Dann fangen Sie wieder - das habe ich eben schon angesprochen - mit Personalabbau in der "engeren Landesverwaltung" an. Was ist das denn, Herr Dr. Rüttgers? - Sind das auch die Finanzämter? Sind das auch die Hochschulen?

(Ministerin Hannelore Kraft: Das würde ich auch gerne wissen!)

Denn bei Ihrer Definition haben Sie nur Polizei, Justiz und Schulen herausgenommen. Alles andere rechnen Sie offenbar zur engeren Landesverwaltung.

(Manfred Palmen [CDU]: Lesen!)

Dann sprechen Sie von 70.000 Stellen. Von denen könne man 1,5 % streichen. - Ich sage Ihnen: Wenn wir von der engeren Landesverwaltung sprechen, reden wir über 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Beamte können wir nicht kündigen, Herr Dr. Rüttgers. Oder wollen Sie dem Arbeitgeber das Recht einräumen, Beamte zu kündigen; das glaube ich nicht. Also reden wir davon, dass man Angestellte kündigen oder den Angestelltenstellenbestand abbauen soll. Das sind aber in der Regel lebensjüngere Personen. Denn die Älteren genießen aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit meistens Kündigungsschutz.

Ihr Ziel besteht also darin - wenn ich es richtig verstanden habe -, dass Sie 1,5 % aus der engeren Landesverwaltung - das sind jüngere Männer, jüngere Frauen, also auch die leistungsfähigen Mitarbeiter mit einer Zukunft - herauskündigen wollen. Sie wollen betriebsbedingte Kündigungen. Diese Personen wollen Sie aus der Verwaltung herausschmeißen, um an anderer Stelle etwas hineinzustecken. Nein, Herr Dr. Rüttgers, das funktioniert nicht.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Im Übrigen muss man Folgendes anmerken: All das, was Herr Dr. Rüttgers hier für seine Partei vorschlägt, macht von seinen Parteifreunden in den anderen Bundesländern - von Hessen über Niedersachen und Bayern bis hin zu BadenWürttemberg - nicht ein Einziger.

(Manfred Palmen [CDU]: Die haben auch andere Haushalte!)

Das schlägt nur Herr Rüttgers vor. Alle anderen gehen andere Wege. Da sage ich Ihnen, Herr Rüttgers: Wir glauben Ihnen auch nicht, dass das die von Ihnen gewollte Politik ist. Sie tragen das vielmehr nur vor. Das sind alles Scheinargumente.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Dann wird es ganz lustig bei Ihnen. Sie schlagen z. B. vor, dass wir die Grundstücks- und Finanzierungsgesellschaft des Landes NordrheinWestfalen verkaufen sollen. Da fragen wir uns: Wie sollen wir das denn machen? - Schließlich existiert diese seit Mitte 2001 nicht mehr. Die gibt es doch überhaupt nicht mehr. Diese Forderung steht aber in Ihrem Papier. Haben Sie das übersehen, oder erzähle ich den Leuten Blödsinn?

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Das ist nur ein Beispiel. - Dann schlagen Sie, wir sollten die Landesentwicklungsgesellschaft veräußern. Im Haushalts- und Finanzausschuss hat die FDP einen entsprechenden Antrag gestellt. Dort hat die CDU gegen diesen Antrag gestimmt. Was soll das denn?

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Was ist das denn für eine Oppositionsarbeit? - Ich könnte noch mehr Beispiele aufzeigen. Ich schenke es mir. Das bringt uns nicht weiter.

(Zurufe von der SPD: Mehr!)

- Nein, lassen wir es sein.

Ich möchte zum Schluss noch Folgendes zu diesem Zukunftsprogramm sagen: Wir reden über die Haushalte 2004 und 2005. Sie legen uns in der letzten Haushaltsdebatte ein Zukunftsprogramm vor, das über einen Zeitraum bis 2011, also über acht Haushaltsjahre, geht. Aber zu dem, was wir heute hier zu leisten haben, zu der Arbeit, die wir hier zu machen haben, und zu dem Problem, dass wir den Haushalt ausgleichen müssen - und bezüglich dessen Verfassungsmäßigkeit Sie Vorstellungen haben -, haben sie uns heute keinen Vorschlag gemacht, der Ihren eigenen Ansprüchen auf einen verfassungsmäßigen Haushalt gerecht geworden wäre.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN - Marc Jan Eumann [SPD]: Sehr gut!)

Sie haben nicht einen einzigen Vorschlag unterbreitet! Das soll es dann sein, meine Damen und Herren.

Wir werden heute trotz der Äußerungen des Oppositionsführers, trotz dramatischer Einnahmeausfälle, die wir zu verzeichnen haben, zwei Haushaltspläne verabschieden,

(Manfred Palmen [CDU]: Der letzte Haushalt, den Sie machen!)

die den Grundstein für eine langfristige Konsolidierung der Landesfinanzen legen

(Lachen bei der CDU)

und die uns den politischen Handlungsspielraum bewahren, und zwar durch konsequente Schwerpunktsetzung bei der Lösung der wichtigsten Zukunftsaufgaben unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)

Die Einnahmeausfälle, meine Damen und Herren, betreffen alle öffentlichen Haushalte bei Bund, Ländern und Kommunen, und diese Einnahmeausfälle hat uns kein Sachverständiger - und damit meine ich gar nicht die Politik, sondern diejenigen, die Politik begleiten und auch in der Presse ihren Niederschlag finden - vorausgesagt.

Die Steuereinnahmen des Jahres 2005 werden trotz wachsender Aufgaben und trotz wachsender Ausgaben - auch durch Tarifverträge bedingt - in vielen Bereichen unter denen des Jahres 2000 liegen. Wir können diese Situation nur durch Kürzungen in fast allen Bereichen des Landeshaushaltes meistern. Allerdings gilt eine Ausnahme: An der Schule, an der Zukunft unserer Kinder und damit an der Zukunft unseres Landes wird nicht gespart. Gespart wird in anderen Bereichen.

(Beifall bei der SPD - Oh-Rufe von der CDU)

Wir sind gezwungen, die Ausgaben 2004 und 2005 deutlich zurückzufahren. Von den Kürzungen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes durch Mehrarbeit und Gehaltsverzicht betroffen. Betroffen sind fast alle Förderprogramme des Landes, und zwar auch die - und das tut uns Sozialdemokraten besonders weh - im sozialen Bereich. Weitere Einschnitte sind sozialpolitisch und auch wirtschaftspolitisch nicht mehr zu verantworten.

Wir gehen davon aus - da stimme ich Herrn Dr. Rüttgers auch zu -, dass die deutsche Wirtschaft nach drei Jahren der Stagnation jetzt wieder in eine Aufschwungsphase hineinkommt. Das ist gut so.

Trotzdem, meine Damen und Herren, wird die Lage auf dem Arbeitsmarkt auch in den nächsten Jahren noch sehr schwierig bleiben. Zumindest werden wir nicht schnell den vom Stabilitäts- und

Wachstumsgesetz geforderten hohen Beschäftigungsstand erreichen. Dieses Ziel können wir nur langfristig verwirklichen.