Protocol of the Session on November 8, 2024

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Sie alle kennen die Antwort, und diese sollte uns motivieren, schnell und gemeinsam dem Schutz von Frauen vor Partnergewalt weitere erwiesen wirkungsvolle Instrumente hinzuzufügen. Ich bin unserer Innenministerin Daniela Behrens und unserer Justizministerin Kathrin Wahlmann sehr dankbar, dass sie auf den Innen- und Justizministerkonferenzen nicht nachlassen, die Gewalt im häuslichen Umfeld immer wieder herauszuholen aus dieser verschwiegenen, dunklen Ecke der vorgeblichen Privatheit. Und ich bedanke mich bei Kollegin Evrim Camuz für ihr Engagement hier in diesem Haus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, unter häuslicher Gewalt versteht man natürlich nicht nur Gewalt gegen Frauen. Wir alle wissen aus den Polizeistatistiken, dass die Isolation in Corona-Zeiten offenbar zu einem sprunghaften Anstieg derselben geführt hat.

Heute liegt der Fokus jedoch auf der Gewalt gegen Frauen durch männliche Partner oder Ex-Partner. Und schon die Zahlen sind brutal. Ich zitiere das Bundesinnenministerium:

„Alle vier Minuten erlebt eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner … 2023 wurden in Deutschland 155 Frauen … Opfer von Gewalttaten mit tödlichem Ausgang durch ihre Partner oder früheren Partner.“

Viele Delikte jenseits der Tötungen bleiben im Dunkeln. Jede vierte Frau in Deutschland erleidet in ihrem Leben mindestens einmal körperliche und/oder sexualisierte Gewalt. Jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu ermorden.

Wie zum Beispiel am 22. August 2023: In Hannover-Wettbergen hat ein Mann versucht, seine ExFrau zu töten. Er hat sie niedergestochen. Die Gerichtsverhandlungen dazu haben gerade begonnen. Wie gesagt, manche versuchen es - jeden Tag. Und an jedem dritten Tag gelingt es einem Mann. Wie am Sonntag in Berlin: Franziska W. wird zusammen mit ihren fünf und sechs Jahre alten Töchtern vom Ex-Partner getötet. Wie am Dienstag in Dortmund: Eine Frau wird vom Ex-Partner getötet, vor den Augen der drei gemeinsamen Kinder. Laut Westdeutscher Allgemeiner Zeitung hatte die Frau ein Annäherungsverbot wegen häuslicher Gewalt erwirkt und - die Frau war 30 Jahre alt - war gerade erst in eine eigene Wohnung gezogen. Wie gesagt: An jedem dritten Tag gelingt es einem Mann.

Lassen Sie uns auf Niedersachsen blicken! Die Polizei in unserem Bundesland hat 2023 insgesamt 29 875 Fälle häuslicher Gewalt registriert und damit eine Zunahme um rund 11 % gegenüber dem Vorjahr. Es gab 82 Tötungsdelikte im Kontext häuslicher Gewalt, darunter viele Femizide.

Gegen diese Gewalt und diesen Terror können die betroffenen Frauen natürlich vorgehen, auch gerichtlich. Aber es bedarf weiterer Instrumente, um Frauen in und aus gefährlichen Beziehungen zu helfen. Der Verein „Gewaltfrei in die Zukunft“ zum Beispiel hat eine App entwickelt, die - quasi hinter einer anderen App verborgen und damit der Kontrolle des gewalttätigen Partners entzogen - nicht nur Informationen über Hilfsmöglichkeiten gibt, sondern auch eine Art Gewalttagebuch anbietet. Das ermöglicht Betroffenen, beispielsweise Fotos von Verletzungen oder Zerstörungen hochzuladen und zu dokumentieren. In Berlin und in Niedersachsen hat die Erprobungsphase begonnen: im November 2022 in der Polizeidirektion Hannover, im September dieses Jahres in der Polizeidirektion Braunschweig und der Polizeidirektion Oldenburg. Bislang noch mit einer kleinen Zahl von Nutzerinnen: Die App wurde bislang 1 179-mal heruntergeladen. Es ist wichtig, dass noch sehr viel mehr Frauen von dieser Möglichkeit erfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele Betroffene wenden sich, wie gesagt, in ihrer Angst und Verzweiflung an die Polizei, erwirken vor Gericht

Kontakt- und Annäherungsverbote. Das Gewaltschutzgesetz gibt dem Opfer nach § 1 die Möglichkeit, eine gerichtliche Schutzanordnung zu beantragen. In der Schutzanordnung trifft ein Amts- oder Familiengericht die Maßnahmen, die verhindern sollen, dass es zu weiteren Verletzungen oder Bedrohungen kommt. Doch viele Gewalttäter lassen in ihrer Raserei nicht von dem Opfer ab - so wie am Dienstag in Dortmund.

Wie also kann der Schutz der Frauen in dieser Situation verbessert, vielleicht sogar ein Mord verhindert werden? Spanien setzt bei der Überwachung von Kontakt- und Annäherungsverboten seit

2009 - ich habe mir dahinter ein Ausrufezeichen gemacht - auf den Einsatz von elektronischen Fußfesseln via GPS-Technologie. Wir kennen diese Technologie im Rahmen der sogenannten Führungsaufsicht seit 2011 und seit 2017 für terroristische oder islamistische Gefährder. Laut der spanischen Tageszeitung El País ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung, ich zitiere, „zu 100 % erfolgreich“. Keine Spanierin, die im Rahmen dieser Maßnahme Schutz erfuhr, wurde getötet.

Frankreich setzt seit 2020 auf die Fußfessel im Bereich häuslicher Gewalt. Analog zum spanischen Modell werden auch in Frankreich Frauen elektronisch gewarnt. Im Kanton Zürich läuft seit einem Jahr ein Pilotversuch. In Bayern gab es seit 2018 nach Angaben der Opferschutzorganisation WEISSER RING bereits mehr als zwei Dutzend Beschlüsse zur Durchführung einer präventiv-polizeilichen elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Die zuständigen bayerischen Behörden - auch der Bayerische Innenminister - werten die bisherige Erfahrung mit der Fußfessel als, ich zitiere, „durchgängig positiv“. Der hessische Justizminister Christian Heinz, CDU, nennt die Fußfessel, wie ich finde, sehr zutreffend, eine elektronische Schutzzone.

Am 24. September hat Heinz in der hessischen Kleinstadt Weiterstadt, wo sich in einem Hochsicherheitstrakt der dortigen Justizvollzugsanstalt die gemeinsame elektronische Überwachungsstelle aller Bundesländer, abgekürzt GÜL, befindet, ein neues Modell der Fußfessel vorgestellt. Es ist etwa halb so groß wie eine Zigarettenschachtel, wiegt etwa 150 g, ist wasserdicht und stoßfest. Der Täter trägt eine Fußfessel, die mit einer GPS-Einheit kommunizieren kann, die das Opfer bei sich trägt. Ein Alarm wird ausgelöst, wenn der Aggressor dem Opfer entweder absichtlich oder unabsichtlich zu nah kommt. Wichtig: Es wird nicht eine vorgegebene Verbotszone definiert, zum Beispiel rund um die

Wohnung ein bestimmter Bereich überwacht, sondern eine Art Schutzschirm um das sich bewegende Opfer gebildet. Ein rechtzeitiger Hinweis, dass sich der Aggressor nähert, kann einer Frau zum lebensrettenden Vorsprung verhelfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich würden wir uns wünschen, dass diese Schutzlücke in einem Bundesgesetz geschlossen wird. Falls Berlin nicht handelt oder nicht mehr handeln kann - wer weiß -, wollen wir die elektronische Fußfessel im Rahmen häuslicher Gewalt notfalls im Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz verankern, und zwar bald.

Wenn am 25. November, am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, die Schülerinnen und Schüler der Johannes-SelenkaSchule auf dem Braunschweiger Schlossplatz ihre selbstgefertigten Holzkreuze aufstellen, mit Grablichtern, Blumen und Todesanzeigen versehen, sollten wir diesen jungen Menschen und allen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land sagen können: Wir hier im Parlament werden alle Möglichkeiten nutzen, um künftig Frauen besser zu schützen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dafür bitte ich Sie alle um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Die nächste Rednerin kommt von der CDU-Fraktion. Frau Butter, bitte!

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fälle von Partnerschaftsgewalt ist in Niedersachsen wie auch im Bund in den vergangenen Jahren gestiegen - hier in Niedersachsen vom Jahr 2022 bis zum Jahr 2023 um 10,7 %.

Die Zahlen sind dramatisch. Jede vierte Frau in Deutschland erlebt mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt - jede vierte Frau! Um das mal zu veranschaulichen: Wir sind hier im Niedersächsischen Landtag 52 weibliche Abgeordnete. Das hieße, 13 Kolleginnen von uns - allein hier - wären von Gewalt betroffen. Damit könnten Sie hier die ganze erste Reihe besetzen.

Jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu ermorden, an jedem dritten Tag leider mit traurigem Erfolg. Dies ist nicht länger hinnehmbar. Wir alle sind hier gefordert. Wir müssen etwas tun. Wir müssen die Frauen konsequenter schützen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch wenn tatverdächtigen Personen gerichtliche Näherungs- und Kontaktverbote auferlegt werden, sind viele gefährdete Frauen immer noch nicht sicher. Denn immer häufiger werden die gerichtlich verhängten Näherungs- und Kontaktverbote missachtet oder gar ignoriert. Die bisherigen Maßnahmen wirken also nicht, und die Betroffenen leiden weiter.

Meine Damen und Herren, während meiner Schicht, die ich bei der Polizeiinspektion Stade verbracht habe, wurden die Polizeikolleginnen und -kollegen, die ich in der Nacht begleitet habe, zu drei Fällen häuslicher Gewalt gerufen. Und in allen drei Fällen haben wir jeweils die Person angetroffen, die sich der Frau gar nicht hätte nähern oder in Kontakt mit ihr hätte treten dürfen.

Ein konsequenter Schutz der gefährdeten Frauen durch die Polizei ist weder leistbar noch machbar. Insofern lege ich das Hauptaugenmerk nicht auf die in Ihrem Antrag vorgestellte App - hierüber werden wir im Ausschuss noch beraten. Uns als CDU-Fraktion geht es - Frau Schröder-Köpf, hier habe ich die gleiche Stoßrichtung - um die Frage, wie wir die Frauen konsequent schützen können, und hier ist auch nach unserer Auffassung eine sehr gute Antwort die elektronische Überwachung, sprich die sogenannte Fußfessel.

Warum? Der Täter weiß, dass er unter ständiger Kontrolle steht, und überlegt sich gut, ob er sich erneut dem Opfer nähern wird. Die richterlich angeordneten Maßnahmen können wesentlich effektiver kontrolliert werden. Nähert sich ein Täter mit einer Fußfessel einer gefährdeten Person, wird das gemeldet, und - darauf kommt es uns an - es können unmittelbar Schritte zum Schutz des Opfers unternommen werden. Es kann rechtzeitig reagiert werden. Das wäre konsequenter Schutz.

Nach Auffassung der CDU-Fraktion kann die Fußfessel merklich dazu beitragen, die Fälle von häuslicher Gewalt zu minimieren. Und, meine werten Kolleginnen und Kollegen - das möchte ich betonen -, der CDU geht hier eindeutig Opferschutz vor Datenschutz.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Der Antrag „Mit mehr Entschiedenheit: häusliche Gewalt bekämpfen“ sieht vor, dass sich die Landesregierung zunächst auf Bundesebene für eine bundesweit einheitliche Regelung des Einsatzes von elektronischen Fußfesseln im Gewaltschutzgesetz einsetzen möge. Das ist zu wenig. Anstatt der Bitte an die Landesregierung, sich auf Bundesebene einzusetzen, ist das Gebot der Stunde: Selbst tätig werden und die elektronische Überwachung im Polizeirecht verankern. Wir hier im Niedersächsischen Landtag sind in der Lage, das eigenständig zu regeln. Denn Sie glauben wohl nicht, dass sich die Ampelregierung ernsthaft um das Thema kümmern wird.

(Stephan Bothe [AfD]: Welche Am- pel?)

- Herr Bothe, Sie stutzen zu Recht. Denn diesen Passus habe ich Mittwochnachmittag in diese Rede geschrieben; da gab es die Ampel noch.

Insofern kann ich heute an dieser Stelle meine Frage selbst beantworten: Nein, die Ampelregierung wird sich definitiv nicht mehr um dieses Thema kümmern. Also muss die Landesregierung, müssen Sie, Frau Ministerin Behrens, sofort handeln. Wir brauchen eine präventiv-polizeiliche Befugnisnorm, und zwar schnellstmöglich. Wir werden der Landesregierung gern behilflich sein, um die elektronische Fußfessel im Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zu verankern und unserem Schutzauftrag gerecht zu werden.

Die häusliche Gewalt betrifft nach unserer Auffassung auch den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, um dessen Mitberatung ich hier bitte, die ich beantrage.

Meine Damen und Herren, ein besserer Schutz von Frauen in Niedersachsen ist machbar.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. - Der nächste Redner kommt aus der AfD-Fraktion. Herr Bothe, bitte!

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schröder-Köpf, sehr geehrte Frau Butter, vielen Dank für Ihre richtigen Worte, die Sie hier gefunden haben.

In Niedersachsen wurden 2023 täglich 48 Fälle häuslicher Gewalt erfasst. Bundesweit gab es über 255 000 Opfer - ein Anstieg um 7 %. Die Dunkelziffer kennen wir nicht. 155 Frauen wurden von Partnern und Ex-Partnern im letzten Jahr getötet. Erschütternd finde ich das.

Aber woher kommen diese Anstiege in einer doch aufgeklärten und modernen Gesellschaft? Woher kommt das?

Werte Kollegen, neben vielen richtigen Dingen, die gesagt worden sind, müssen wir den Blick auch auf andere Dinge richten, nämlich auf die Täter. Sie sind nämlich, wie leider bei sonstigen Gewaltdelikten auch, überproportional Ausländer, Menschen mit Migrationshintergrund - gemessen an dem gesamten Bevölkerungsanteil.

(Swantje Schendel [GRÜNE]: Die ein- zige Gemeinsamkeit ist, dass es Män- ner sind!)

Von daher mag eine App wie die vom Verein „Gewaltfrei in die Zukunft“ gut gemeint sein - definitiv. Aber sie schützt Frauen nicht vor Gewalt, denn sie geht an der Realität vorbei und ist nicht praxistauglich. Sie nützt in einer akuten Situation rein gar nichts. Das Aufzeichnen von Gewalttaten in ein Tagebuch der App hilft vor Gericht - klar -, wird aber Täter nicht davon abhalten, ihr primitives Frauenbild auszuleben.

Zwei Drittel aller Frauen in deutschen Frauenhäusern haben einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Fast 40 % aller Täter häuslicher Gewalt sind Ausländer, Tendenz ebenfalls steigend.

Herr Bothe, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Weippert zu?