Protocol of the Session on June 21, 2023

Wir haben uns außerdem gemeinsam, in Absprache mit den Verbänden, dazu entschieden im zweiten Nachtragshaushalt die Randzeitenregelungen zu verlängern. Seien Sie sich sicher, wir ziehen hier keinen Schlussstrich. Aber: immer im Dialog mit allen Beteiligten. Denn wir stehen für eine landesweit verlässliche und finanziell abgesicherte frühkindliche Bildung.

Wir zählen auf das Augenmaß, mit dem die Kultusministerin hier agiert und gegebenenfalls die KitaNotverordnung nochmals verlängert. Im Übrigen besteht für die Träger bereits jetzt Gestaltungsspielraum, um bei Personalengpässen in Absprache mit den Eltern zu agieren.

Wichtig und richtig aber bleibt: Die Leistung, die niedersächsische Kitas für die frühkindliche Bildung bieten, liegt beim Fachpersonal. Das sind wir der nächsten Generation schuldig. Eine Verschlechterung der Zukunftschancen folgender Generationen tragen wir nicht mit.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Grashorn - Für die Fraktion der AfD hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Harm Rykena.

(Beifall bei der AfD)

Herr Rykena, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Not in niedersächsischen Kindertagesstätten ist riesengroß. Regelmäßig erreichen uns Hilferufe aus der Fläche. Überall fehlt Per

sonal, nicht mal der Notbetrieb kann oftmals aufrechterhalten werden. Immer wieder kommt es dazu, dass Gruppen tageweise ganz geschlossen werden müssen. Die betroffenen Eltern sind verzweifelt und die Kita-Leitungen ratlos bis zornig angesichts dieses riesigen Personalmangels. Die Situation ist schlicht unhaltbar, und es muss schnell für Entlastung gesorgt werden. Und dabei betone ich: Das muss sehr schnell gehen.

Und genau an dieser Stelle setzt der vorliegende Gesetzentwurf der CDU an. Die CDU-Fraktion belässt es nicht bei einem unverbindlichen Entschließungsantrag mit appellativem Charakter; der Gesetzentwurf macht Nägel mit Köpfen und passt an einigen wenigen Stellen das Kita-Gesetz an, was verhältnismäßig wenig Aufwand bedarf und bei gutem Willen - und das wäre jetzt das Wichtige - tatsächlich sehr schnell umzusetzen wäre.

Es geht in dem Entwurf in erster Linie um die Ausweitung der Möglichkeit des Einsatzes von pädagogischen Assistenzkräften, einerseits in Ausnahmesituationen, die von drei auf zehn Arbeitstage im Monat erweitert werden sollen, und andererseits um Randzeiten. Der Ausnahmeparagraf § 11 Abs. 7 NKiTaG würde hiermit quasi zum Regelparagrafen verändert. Aber in Anbetracht der Dramatik und des Umstandes, dass dies nur Ausnahmefälle und Randzeiten betrifft, halten wir das für vertretbar. Sollte sich in einigen Jahren die Situation wieder entspannen, kann man über eine Rückabwicklung nachdenken. Derzeit wäre dies aber endlich mal ein gutes Beispiel für wenigstens ein kleines bisschen Bürokratieabbau; denn immerhin könnte man so für einen Verzicht auf den Antrag und die Bearbeitung durch das Landesjugendamt sorgen.

Des Weiteren soll der § 30 des NKiTaG angepasst werden. Und damit könnte tatsächlich der Personenkreis derjenigen, die während der Aus- und Weiterbildung zum Erzieher oder zur pädagogischen Fachkraft mit einigen Stunden bereits in der Kita tätig sind, deutlich vergrößert werden. Das würde sich durch die erweiterten praktischen Erfahrungen zusätzlich sogar noch positiv auf die Qualität der Ausbildung, die Sie ja immer wieder anmahnen, auswirken. Mehr Praxis heißt nicht weniger Qualität - im Gegenteil: Das bedeutet mehr Qualität. Zudem könnte die Attraktivität einer ausbildungsbegleitenden Tätigkeit an der Kita erhöht werden.

Inwiefern die im Entwurf dargestellten Änderungen tatsächlich für spürbare Entlastungen sorgen können, das sollen uns dann Praktiker im Ausschuss darstellen. Ich meine aber: Einen Versuch wäre das

immerhin wert. Wir werden den Gesetzentwurf unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rykena. - Für die Fraktion der SPD erteile ich der Abgeordneten Corinna Lange das Wort.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Bitte schön, Frau Lange!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis zu meiner Wahl in den Niedersächsischen Landtag war ich in einer Kita angestellt. Ich bin staatlich geprüfte sozialpädagogische Assistentin und Mama von drei Kindern. Ich habe den schönsten Beruf der Welt gelernt: Kinder in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen zu dürfen.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich kenne die Situation der Eltern, Kita-Leitungen, Fachkräfte und der Kommunen aus meiner eigenen Erfahrung. Die niedersächsischen Kitas befinden sich in einer Notsituation. Durch den massiven Fachkräftemangel müssen Kernzeiten dramatisch reduziert werden, oder Gruppen müssen ganz schließen. Die Eltern sind verzweifelt, haben massive Probleme mit Arbeitgebern und können oft nicht mehr verlässlich ihrer Arbeit nachkommen. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Lechner.

Aber auch die pädagogischen Fachkräfte stellt die Situation vor enorme Herausforderungen. Sie arbeiten jeden Tag aufs Neue an der Belastungsgrenze. Beschäftigte, die in der Kindererziehung und -betreuung arbeiten, sind deutlich öfter krankgeschrieben als der Durchschnitt.

Jetzt gibt es hier diesen Gesetzentwurf von der CDU, in dem Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, mit den Ängsten der Eltern spielen und suggerieren: Mit einer einfachen Gesetzesänderung ändern wir die Not in den Kitas.

(Christian Fühner [CDU]: Das hat er nicht gesagt! - Sebastian Lechner [CDU]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe genau das Gegenteil gesagt!)

Ich bin noch nicht lange Landtagsabgeordnete, das gebe ich zu, aber im Juni einen Gesetzentwurf einzubringen, der meiner Meinung nach frühestens zum nächsten Kita-Jahr 2024/2025 kommt, ist nicht das, was Eltern und Fachkräften jetzt hilft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Veronika Bode [CDU]: Wir kön- nen ihn auch früher einbringen!)

Dort steht u. a.:

„Während der gesamten Randzeit müssen in einer Gruppe, in der ausschließlich Kinder vor der Vollendung des dritten Lebensjahres betreut werden, mindestens zwei pädagogische Assistenzkräfte oder geeignete Fach- oder Betreuungskräfte regelmäßig tätig sein.“

Ja, wir müssen über die Randzeiten diskutieren. Aber hier bietet das Gesetz schon heute Möglichkeiten. Das hat meine Kollegin Frau Grashorn gerade bereits ausgeführt. Zwei pädagogische Assistenzkräfte in den Randzeiten einzusetzen, das ist heute schon möglich. Das kann das Landesjugendamt auf Antrag zulassen, sogar rückwirkend.

Sie hätten aber auch gerne geeignete Fach- und Betreuungskräfte. Da kann ich leider nicht ganz mitgehen. Ich bin, ehrlich gesagt, gespannt, im Ausschuss zu hören, was Sie sich darunter vorstellen.

(Christian Fühner [CDU]: Das erkläre ich Ihnen gleich!)

Ich kann Ihnen nur aus der Praxis sagen: Wir brauchen Kolleg*innen, die zu keiner weiteren Belastung, sondern endlich zu einer Entlastung des Personals führen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

In einer Zeit, in der die Arbeit in den Kitas immer herausfordernder wird, in der dringend Multiprofessionalität in den Kitas gebraucht wird, in der mir die Kitas sagen: „Wir brauchen hier Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialarbeiter“, da möchten Sie die Qualität in Kitas weiter absenken.

Ja, wir müssen über Entlastung sprechen. Die Fachkräfte brauchen Entlastung z. B. bei Verwaltungsaufgaben. Vor zwei Wochen habe ich mich mit den Kita-Leitungen in meinem Wahlkreis getroffen. Diese sind tagelang damit beschäftigt, seitenweise Anmeldeformulare auszudrucken - für bis zu 60 neue Kinder! -, Briefumschläge zu beschriften, und, wenn die Anmeldeunterlagen für das neue Kita-Jahr

zurückkommen, tagelang das händisch von den Eltern Aufgeschriebene in den PC einzugeben.

Darüber müssen wir reden, finde ich.

(Carina Hermann [CDU]: Nicht reden, sondern lösen! Nicht nur Probleme be- schreiben!)

Das übernehmen aktuell qualifizierte Fachkräfte, die wir dringend für die Arbeit mit den Kindern brauchen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Sebastian Lechner [CDU]: Ich habe keinen Satz gehört, was Sie wol- len! - Christian Fühner [CDU]: Wo sind Ihre Vorschläge?)

Aber Sie haben sich noch mehr Gedanken gemacht - wobei ich es immer gut finde, wenn man sich Gedanken macht -, nämlich zum Thema Ausbildung.

Nur kurz vorweg: Wir haben in Niedersachsen noch nie so viele Menschen in Ausbildung gehabt wie aktuell. Das zeigt, dass Niedersachsen mit dem „Niedersachsenplan - Mehr Fachkräfte in die Kitas!“ sehr erfolgreich ist. Jährlich haben wir die Ausbildungszahlen immer weiter steigern können: von 11 000 im Jahr 2013 auf aktuell über 18 000 Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur sozialpädagogischen Assistenz- und Fachkraft. Das ist seit 2018 durchschnittlich eine Steigerung von jährlich 500 Schülerinnen und Schülern. Und das zeigt: Wir haben die Menschen, die einen der schönsten Berufe der Welt ergreifen wollen.

Es gibt verschiedene Wege bei uns im Land, Sozialpädagogische Assistentin oder Erzieher*in zu werden: Vollzeit, Teilzeit, berufsbegleitend, mit BAföG, Aufstiegs- BAföG, kommunalen Stipendien, Zuwendungen vom Land und ab 1. August über eine besondere Finanzhilfe, über § 30 NKiTaG. Auch das ist schon angesprochen worden; das ist ein weiterer Meilenstein vom Land Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Und trotz dieser guten Nachrichten steigt der Anteil der fehlenden Fachkräfte immer weiter an. Fehlende Auszubildende sind also gar nicht das Hauptproblem, im Gegenteil. Wir müssen mehr über Ausbildungsschulen und einfachere Gründungen reden. Ich habe bei mir in der Region Berufsschulen, die jedes Jahr eine weitere Klasse aufmachen. Und was fehlt denen jetzt? - Fachlehrer!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns auf das Halten der ausgebildeten Fachkräfte in den Einrichtungen konzentrieren. Die Arbeitsbedingungen sind so belastend und herausfordernd, dass die Fachkräfte immer öfter Einrichtungen wechseln, in ganz andere Bereiche abwandern oder, wenn sie besonders gut in der Schule waren, studieren gehen.

Wir müssen auch darüber reden, dass es nur wenig Perspektiven im Arbeitsleben einer Erzieherin gibt. Junge Menschen wollen sich weiterentwickeln. Sie wollen heute immer seltener 40 Jahre im Gruppendienst bleiben - und ehrlicherweise können sie das bei den Herausforderungen und Belastungen, die wir aktuell haben, auch überhaupt nicht.

Ein Einsatz ungelernter Kräfte in Kita wäre für die Fachkräfte eine noch höhere Belastung. Wir bekommen noch höhere Krankenstände, und es verlassen noch mehr Fachkräfte die Kita.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir die Debatte manchmal auch für Schulen, im Hinblick auf den Lehrkräftemangel zum Beispiel. Lehrer haben wir nicht - in der dritten und vierten Stunde kann Deutsch und Englisch unterrichtet werden, danach kommt eine Mutter oder ein Vater, die oder der sich vorstellen kann, ein paar Schulstunden zu übernehmen, weil sie ja sowieso morgens zu Hause sind. - Es würde zu Recht ein riesiger Aufschrei durch dieses Land gehen.