Protocol of the Session on December 10, 2020

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wenn es etwas ruhiger wird, können wir mit der Beratung beginnen. Zu Wort gemeldet hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Eva Viehoff. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Und wieder ist das Thema Kultur der letzte Tagesordnungspunkt des Plenums - wie schon im Novemberplenum. Ich vermute jetzt einmal nicht, dass das mit der Unbedeutsamkeit der Kultur zu tun hat.

(Wiard Siebels [SPD]: Das ist ein- stimmig im Ältestenrat beschlossen worden!)

Es ist schon so, dass es heute wieder darum gehen wird, dass wir nichts Substanzielles für die in ihrer Existenz bedrohten Erwerbstätigen aus dem Bereich der Kunst und Kultur in Niedersachsen beschließen werden.

Wir beraten heute die beiden Grünen-Anträge „Sonderfonds Kultur Jetzt“ sowie „Förderung der Club- und Festivalkultur“. Der erste Antrag ist aus dem April, der zweite aus dem Juni. Außerdem steht der Antrag „Nachhaltige Hilfen für die Kultur- und Kreativbranche“ von SPD und CDU aus dem November dieses Jahres auf der Tagesordnung.

Die sehr lange Beratungszeit beider Grünen-Anträge bestätigen real das, was auch Sascha Lobo auf Spiegel online gerade so treffend beschreibt: Es gibt reichlich Lippenbekenntnisse zur Kreativ- und Kulturindustrie, aber die mit Abstand wichtigste Arbeitsform dafür, die Soloselbstständigkeit, wird sehr gering geschätzt. Das Mantra bei der Förderung in Corona-Zeiten ist die Festanstellung. Jeder und jede, die so nicht leben will oder auch nicht leben kann, ist selber schuld und muss leider sehen, wo er oder sie bleibt.

Nur leider sind gerade die Kreativen die Innovationstreiber. Auch wenn das zunächst nichts mit Kunst und Kultur zu tun hat - ohne Apple oder Google, die alle in einer Garage angefangen haben, könnte ich meine Rede jetzt nicht von meinem Gerät ablesen.

Doch selbst in der Krise ist das nicht viel wert, da bleiben Soloselbstständige und besonders diejenigen in Kunst und Kultur auf der Strecke.

Ich werde auch nicht müde, auf den wirtschaftlichen Beitrag von Kunst und Kultur hinzuweisen. Nehmen wir die Musikwirtschaft aus dem Bericht der Bundesregierung: Erwerbstätige: 90 879, Umsatz: 9 Milliarden Euro, Umsatzprognose 2020: minus 59 %. Oder die Darstellende Kunst: Erwerbstätige: 111 300 - das sind deutschlandweite Zahlen -, Umsatz: 5,7 Milliarden Euro, Umsatzprognose 2020: minus 72 %.

So stehen wir heute zum Abschluss des Plenums und kurz vor dem Ende des Jahres 2020 hier und müssen konstatieren:

Es wird in Niedersachsen keinen Unternehmerlohn geben, keine 1 180 Euro wie in Baden-Württemberg erfolgreich umgesetzt und in unserem Grünen-Antrag gefordert. Es gibt keine fassbare, greifbare und reale Hilfe für die vielen Menschen in der Kreativwirtschaft. Es gibt keine aktuellen konkreten finanziellen Hilfen für die Club- und Festivalszene in Niedersachsen. Es gibt mit dem Antrag von SPD und CDU einen lobenden Hinweis an das Bundesprogramm „Neustart Kultur“, das mit Meldungen von heute im Bereich Darstellende Kunst um 40 Millionen überzeichnet ist. Ergo, die Kulturmilliarde reicht hinten und vorne nicht. Es gibt viel Eigenlob und wenig bis gar nichts Konkretes, worauf sich Künstler und Künstlerinnen und die Kultur in Niedersachsen sozusagen als Weihnachtsgeschenk freuen können.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Nicht zu glauben!)

Für viele Menschen in Kunst und Kultur in Niedersachsen ist es in diesem Jahr nicht nur ein sehr stilles, sondern auch ein sehr trauriges Weihnachtsfest.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es bleibt die Hoffnung - und hier nehme ich Herrn Toepffer mit seiner Aussage von heute Morgen beim Wort -, dass es in 2021 mehr Mittel für Corona-Hilfen geben wird und damit eben nicht nur für die TUIs, die VWs, sondern ganz besonders für die Kunst und die Kultur.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So bleibt mir zum Schluss, Ihnen hier allen noch ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Für die CDUFraktion hat sich der Kollege Burkhard Jasper zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Viehoff, der Höhepunkt kommt immer am Schluss. In diesem Landtag ist das offensichtlich die Kultur, und darüber freue ich mich natürlich.

(Beifall bei der CDU)

In mehreren Ausschusssitzungen haben wir ausführlich die Situation der Kultur- und Kreativbranche während der Corona-Pandemie erörtert, Programme besprochen und überlegt, wie Perspektiven aufgezeigt werden können. Das Ergebnis ist nun dieser Antrag, der ein Bündel von Maßnahmen enthält.

Hinweisen möchte ich auf die Förderung neuer Veranstaltungsformate, auf die Unterstützung

kommunaler Einrichtungen und auf die Vereinfachung der Anträge für Programme.

Besonders bewegt mich, welche Schwierigkeiten Soloselbstständige haben. Diese Probleme verschärfen sich, weil die Corona-Pandemie solange dauert und Lockerungen in der jetzigen Situation mit hohen Infektionszahlen das falsche Signal wären.

Grundsicherung erhalten Soloselbstständige oft nicht, weil sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Gewährung von Überbrückungshilfe scheitert daran, dass sie kaum Fixkosten haben. Die November- und Dezemberhilfe kann nicht beantragt werden, weil viele Kulturschaffende ein zweites Standbein haben. Verträge mit der Übernahme des Honorars durch das Land werden nicht abgeschlossen, weil jetzt kaum Veranstaltungen durchgeführt werden. Allerdings sind schon Auszahlungen aus dem Programm „Niedersachsen dreht auf“ erfolgt. Anträge zu diesem begrenzten Unternehmerlohn können bis Ende Februar 2021 gestellt werden. Diese Darstellung zeigt die schwierige Situation. Die Landesregierung und die CDU- und

SPD-Landtagsfraktionen haben dies im Blick und verstehen die Sorgen der Betroffenen.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Dafür können die sich nichts kaufen!)

Natürlich werden wir weiter überlegen, wie Programme ausgestaltet werden können, damit die Hilfe ankommt und nicht dazu führt, dass die Zahlungen angerechnet werden und damit der Bund entlastet wird. Das hilft der Kultur nicht. Neu soll ein Stipendienprogramm aufgelegt werden. In Nordrhein-Westfalen und Bremen hat man damit gute Erfahrungen gemacht. Diese Kenntnisse sollten wir in Niedersachsen nutzen.

Meine Ausführungen verdeutlichen aber auch, dass wir in Deutschland grundsätzlich überlegen müssen, wie wir Soloselbständige besser absichern können. Diese Frage wird sich wegen der Digitalisierung vermehrt stellen. Arbeitsverhältnisse ändern sich durch digitale Plattformen. Die Beschäftigten arbeiten formal selbstständig und ohne eine entsprechende Sozialversicherung, die angemessen ist. Hier gibt es ein Defizit in unserer Sozialpolitik. Unabhängig von der Seuche muss eine Lösung gefunden werden. Darauf sollten auch wir als Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages hinweisen.

Dieser Antrag zeigt in der jetzigen Pandemie Handlungsmöglichkeiten auf und verdeutlicht, dass wir trotz der großen Probleme im kulturellen Bereich die Zuversicht nicht verlieren wollen. Diese Botschaft passt zu Weihnachten. Es ist ein Fest der Hoffnung durch eine Geburt, durch neues Leben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Feiertage und ein gutes neues Jahr.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Jasper. - Für die FDPFraktion hat sich nun der Kollege Lars Alt zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man hier über ein ganzes Paket kulturpolitischer Anträge spricht, sollte man erst einmal sein kulturpolitisches Verständnis klären. Das kommt auch bei der Beratung des Kulturfördergesetzes der Grünen noch einmal auf uns zu.

Kultur lebt von Staatsferne. Das heißt, Kultur ist auch nicht für Kompromisse zuständig. Kultur sucht die Polarisierung, und Kultur findet ihren Sinn auch darin, Politik infrage zu stellen. Viele Kulturschaffende in Niedersachsen teilen genau dieses Mindset.

Wenn sich jetzt Kulturschaffende mit diesem Mindset an die Politik wenden, dann ist das vielleicht ein letzter Hilferuf, bevor die Kulturszene in Niedersachsen still und leise auseinanderbricht. Deshalb müssen wir die Alarmsignale der Kulturschaffenden in Niedersachsen, der Spielstätten und der Veranstaltungsbranche endlich ernster nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Aber was machen SPD und CDU? - Sie legen als regierungstragende Fraktionen im Oktober einen Antrag vor, um die Kultur im November wieder in den nächsten Lockdown zu versetzen. Gleichzeitig erfüllt der vorliegende Antrag von SPD und CDU auch einige Kriterien der Kurzprosa: relative Kürze, das Thema wird nicht gänzlich behandelt, und es gibt ein offenes Ende.

Bei der ersten Beratung des Antrages von SPD und CDU zu den nachhaltigen Hilfen für die Kulturbranche wurde mir noch hoch und heilig versprochen, dass ich im Ausschuss erfahre, welchen Mehrwert dieser Antrag für die Kulturschaffenden in Niedersachsen hat. Aber diese Information ist dann leider ausgeblieben.

Das heißt, von dem Antrag bleibt eigentlich nur übrig, dass die regierungstragenden Fraktionen die Landesregierung für ihre bisherige Politik abfeiern. Es wird eine Evaluation der Situation Soloselbständiger und freischaffender Künstlerinnen und Künstler gefordert, obwohl die als Grundlage für alle weiteren Entscheidungen doch schon hätte erfolgen müssen. Es wird mit großen Worten von der besonderen Bedeutung der Kunst und Kulturbranche für die Demokratie gesprochen, ohne sich ernsthaft mit der Gefahr einer langfristigen Schädigung dieser Branche in Niedersachsen auseinanderzusetzen. Und dann besteht noch nicht einmal die Bereitschaft, sich beim Thema Öffnung von Bibliotheken oder Öffnungen von Freilichtmuseen kompromissbereit zu zeigen.

Seinen Höhepunkt findet das widersprüchliche Verhalten der regierungstragenden Fraktionen aber darin, dass in dem eigenen Antrag zur Kultur- und Kreativbranche die Clubszene zwar dreimal Erwähnung findet, aber der Antrag zur Anerken

nung von Clubs als Kulturstätten im gleichen Atemzug abgelehnt wird. Das ist mir nicht ganz erklärlich. Hier hätten die regierungstragenden Fraktionen einmal beweisen können, wie ernst sie es mit der Anerkennung von Clubs als Kulturstätten wirklich meinen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Um dieser Schizophrenie vorzubeugen, werden wir als Freie Demokraten dem Antrag zur Clubszene zustimmen. Das würde nämlich vor allen Dingen Vorteile bei der Umsatzsteuer und im Baurecht für die entsprechenden Clubs nach sich ziehen. Gegenstand des Antrags sind nämlich Clubs, die auch nicht bekannten DJs oder Musikerinnen und Musikern eine Bühne bieten.

Wir wollen jedenfalls, dass Clubs nicht mehr als Vergnügungsstätten rechtlich auf eine Stufe mit Spielotheken, Wettbüros oder Bordellen gestellt werden. Denn aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen: Wer schon einmal nachts am Weidendamm oder im „Chéz Heinz“ war, weiß, dass sich an solchen Abenden eine ähnliche emotionale Ekstase einstellen kann wie bei dem Besuch einer Galerie. Dementsprechend sind solche Musikclubs für die Freien Demokraten ebenso Kulturstätten wie Theater.

(Beifall bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Es bleibt dabei: Die Landesregierung hat in der Pandemie zu langsam, zu zögerlich für den Kulturbereich agiert und sich viel zu lange nur auf den Bund verlassen. Die Kulturschaffenden hingegen haben den Sommer genutzt, um schnell und entschlossen kulturelles Leben zu ermöglichen. Für diese Kulturschaffenden in Niedersachsen werden wir eine Exit-Strategie spätestens am Beginn des kommenden Jahres einfordern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)