Protocol of the Session on December 9, 2020

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Insofern bitte ich also dringend um Mäßigung. Wir sollten nicht jede Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter den aktuellen Gegebenheiten als „demokratiefeindlich“ oder Ähnliches bezeichnen - wie es Ihr Parteivorsitzender gemacht hat -, sondern zu mehr Rationalität zurückkehren.

Dazu wollen wir mit unserem Entschließungseintrag einen Beitrag leisten. Herr Ministerpräsident, nachdem Sie sich gestern schon dazu geäußert haben, habe ich die dringende Bitte, dass Sie ihn sich wirklich einmal anschauen. Sie haben gesagt, die FDP würde - indem sie sagt, sie wolle sich auf Bildung, Information und Kultur konzentrieren - verkennen, dass der Vollauftrag viel weiter geht.

Das verkennen wir natürlich nicht! Und deshalb steht da eben auch drin, dass wir einen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Schwerpunkt auf Bildung, Information und Kultur definieren wollen. Der Vollauftrag muss natürlich fortgesetzt werden, aber es muss ja möglich sein, politische Schwerpunkte zu definieren.

Herr Ministerpräsident, mit Beiträgen wie dem von gestern tragen Sie nicht zu einer sachlichen Debatte bei, sondern versuchen, einen Beitrag pauschal als „Geht ja sowieso an der Sache vorbei!“ zu diskreditieren. Aber das ist nicht zutreffend. Und daher auch die Bitte an die Landesregierung, sich offener zu zeigen, statt gleich in die Abwehrhaltung zu verfallen, dass das alles ja gar nicht geht.

Wir versuchen mit unserem Antrag, einen Weg aufzuzeigen - und das dann auch noch einmal als Landtag zu formulieren, so wie wir das auch schon einmal gemeinsam in einem Beschluss gemacht haben. Wir haben - ich meine, es war im Jahr 2018 - hier im Hause einen gemeinsamen Beschluss gefasst, wie die Landesregierung sich

bezüglich der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhalten bzw. wie sie das diskutieren soll. Das Einzige, was ich dazu in Erinnerung habe, ist eine Podiumsdiskussion. Da ist was passiert, aber mehr kam dann auch nicht. Und das, meine Damen und Herren, ist doch viel zu wenig!

Wir müssen uns doch gerade angesichts der Rahmenbedingungen dem politischen Auftrag

stellen - der ja auch von allen Seiten anerkannt ist; denn sonst hätten die Ministerpräsidenten ihn ja nicht wahrgenommen -, über eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sprechen.

Und man kann die Dinge nun einmal nicht trennen. Man kann nicht die jetzige Erhöhung des Rundfunkbeitrags über den Staatsvertrag von der Frage nach den zukünftigen Perspektiven trennen. Die Erhöhung auf der Grundlage der Empfehlung der KEF ist aus unserer Sicht im Prinzip zu akzeptieren, aber wir müssen auch eine Diskussion darüber führen, wie es weitergeht. Wir sind der Auffassung, der Landtag sollte dies dringend tun, und zwar auf der Basis unseres Entschließungsantrages, weil darin die wichtigen Punkte für die künftige Diskussion angesprochen werden und weil er einen Rahmen vorgibt, der aus unserer Sicht eigentlich für alle akzeptabel sein müsste: mit der Stabilität des Rundfunkbeitrags, mit einer Konzentration auf bestimmte Bereiche des Auftrags und mit der frühzeitigen Einbindung des Landtags.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Damit würden wir auch aufzeigen, dass man nicht „Augen zu und durch“ macht, sondern sagt: Jetzt ist die Beitragserhöhung von 86 Cent auf der Grundlage der Empfehlung der KEF in Ordnung, aber wir sehen, dass wir diese Diskussion jetzt auch wirklich mal zielgerichtet führen müssen.

Und deshalb ist unsere Vorstellung, diesen Antrag parallel mit zu beschließen. Falls er nicht beschlossen werden sollte, würde sich die FDPFraktion bei der Abstimmung zum Medienänderungsstaatsvertrag enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Nächster Redner ist für die CDU-Fraktion der Kollege Jens Nacke. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es deutlich zu sagen: Ich halte die Entscheidung des Ministerpräsidenten Haseloff, den

Staatsvertrag in Absprache mit den dortigen Koalitionspartnern CDU, SPD und Grüne im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht zur Abstimmung zu stellen, für inhaltlich falsch.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Selbstverständlich kann man am öffentlich

rechtlichen Rundfunk Kritik üben, und natürlich ist das erlaubt. Man kann die Größe des öffentlichrechtlichen Rundfunks kritisieren, man kann die Anzahl der Sender oder Programme, man kann die Gehaltsstruktur, die Pensionen oder auch die teuren Rechte an Sportveranstaltungen thematisieren.

Man kann natürlich genauso gut ins Feld führen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk all das, was er bringt, auch bringen soll. Und das könnte man an der großen Zustimmung, die er in Deutschland erfährt, festmachen und an der exzellenten journalistischen Leistung, die uns gerade jetzt in den Zeiten der Pandemie noch einmal vor Augen geführt wurde, an den wichtigen Informationen, auf die die Menschen vertrauen könne, und auch an der hochwertigen Unterhaltung - ein Tatort beispielsweise findet 12 Millionen Zuschauer und ist eben kein Produkt, das von niemandem gesehen werden will. Aber das, meine Damen und Herren, ist eine Diskussion über den Auftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks.

Hier, in dem Staatsvertrag, geht es um die Ausfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und das ist keine Kleinigkeit. Das sind nicht - wie es manchmal rüberkommt - 86 Cent, sondern es sind 86 Cent pro Haushalt und Monat, und das bedeutet in vier Jahren ein Gesamtvolumen von 1,8 Milliarden Euro.

Ich denke, ich tue hier niemandem unrecht, wenn ich sage, dass niemand in diesem Hause ernsthaft beurteilen kann, welcher Betrag der richtige Betrag ist, um den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausfinanzieren. Deswegen gibt es dafür ein Verfahren.

Dieses Verfahren ist so gelaufen, wie es auch in all den anderen Jahren gelaufen ist: Zunächst gab es eine Mittelanmeldung durch die Sender; die war - das hat der Kollege Meyer gerade ausgeführt - deutlich höher als das, was am Ende tatsächlich festgestellt wurde. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs prüfte diese Mit

telanmeldung und kam abschließend zu einem Vorschlag.

Dieser Vorschlag bedeutet im Übrigen auch ganz erhebliche Einschnitte in die Pläne des NDR. Diesen Vorschlag haben die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in ihren Staatsvertragsentwurf übernommen. Er steht heute hier zur Abstimmung, und die CDU wird ihm zustimmen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann das eben auch anders sehen, und die Kollegen von der CDU Sachsen-Anhalt sehen das anders. Ihnen war das auch so wichtig, dass sie das in den Koalitionsvertrag von Sachsen-Anhalt haben schreiben lassen.

(Zuruf: Sie haben das doch auch in den von Niedersachsen schreiben lassen!)

Die Intendanten, die Ministerpräsidenten - auch Herr Haseloff -, die Landtage, die Medienausschüsse - alle haben das gewusst, weil die CDU und weil Sachsen-Anhalt diese Position immer sehr offen und transparent dargestellt hat.

Und es ist nun einmal Ländersache. Wie jeder andere Staatsvertrag bedarf auch dieser Staatsvertrag der Zustimmung aller 16 Vertragspartner. Es ist schon etwas bemerkenswert, dass der Umstand, dass Parlamentarier hier jetzt Wort halten und Koalitionspartner vertragstreu sind, auf eine derart scharfe Kritik trifft. Ich kann da nur den Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Dirk Toepffer, zitieren, der in einem Pressegespräch gesagt hat: An sich hätte nicht nur Herr Haseloff darauf hinweisen müssen, dass sein Landtag noch zustimmen muss; eigentlich hätten alle Ministerpräsidenten diesen Vorbehalt erklären müssen.

(Beifall bei der CDU)

Die Folge ist nun - daran haben die Sender keinen Zweifel gelassen -, dass sie vor dem Verfassungsgericht die erforderlichen Mittel einklagen werden. Das ist relativ deutlich geworden und war keine Überraschung; denn auch dies wurde in den Gremien der Rundfunkanstalten sehr offen und transparent besprochen.

Aber eines muss uns schon deutlich werden: Das Scheitern des Staatsvertrages, das nun offenkundig geworden ist, zeigt, dass das System sich als untauglich erwiesen hat.

Die Medienlandschaft ändert sich rasant. Zum Beispiel geht, wie - von mir jedenfalls - erwartet, die Bedeutung der linearen Angebote sowohl im

Fernsehen als auch im Radio zurück. Die Zukunft gehört den Mediatheken und Plattformen. Ist in einer solchen Konstellation ein Vollprogramm tatsächlich noch erforderlich, wenn es im Wesentlichen gar nicht mehr als ausgestrahltes Programm nachgefragt wird, sondern die einzelnen Angebote auf Plattformen abgefragt werden? Ist die neue Medienlandschaft auch eine Chance und ein Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sich regional tiefer zu verwurzeln und mehr Berichte beispielsweise auch aus der niedersächsischen Landschaft zu generieren und online zu stellen?

Jedenfalls ist das System, wie es derzeit besteht, für die Sender kein Anreiz zur Veränderung. Denn es lässt gerade nicht zu, dass der Sender sagt: An dieser Stelle gebe ich kein Geld mehr aus; das eingesparte Geld nutze ich an anderer Stelle für etwas Neues, etwas anderes.

Diese Möglichkeit hat der Sender nur beschränkt. Er kann nur sagen: Dafür brauche ich kein Geld mehr. - Und dann sagt die KEF: Na ja, dann brauchen wir das nicht mehr auszufinanzieren, und wir können insgesamt etwas abziehen.

(Glocke des Präsidenten)

Ein „Weiter so!“ ist also keine Option.

Herr Kollege Nacke, letzter Satz, bitte!

Jawohl, ich komme zum Schluss.

Das gilt für die Intendanten, das gilt für die Ministerpräsidenten, und das gilt auch für den parlamentarischen Diskurs in diesem Haus. Unser Auftrag ist, neue Formen des Ausgleichs der Interessen und neue Formen der parlamentarischen Beteiligung zu finden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Meine Damen und Herren, für die Landesregierung möchte jetzt Herr Ministerpräsident Weil das Wort nehmen. Bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eigentlich sprechen wir hier über einen relativ ein

fachen Sachverhalt. Seit elf Jahren sind die Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten nicht erhöht worden. Es hat in der Zwischenzeit sogar einmal eine geringfügige Senkung gegeben.

Nun haben die Anstalten erklärt, sie hätten einen Finanzbedarf, den sie mit den Einnahmen nicht decken könnten. Daraufhin ist exakt das Verfahren eingeleitet worden, von dem Herr Kollege Nacke eben berichtet hat: Eine unabhängige Kommission von Expertinnen und Experten hat die Luft aus den Finanzanmeldungen gelassen und den Bedarf sehr kritisch geprüft - so kritisch, dass die Anstalten hinterher alles andere als zufrieden waren.

Dann kommt die Ministerpräsidentenkonferenz zusammen - nicht nur einmal, das kann ich Ihnen versichern, sondern viele Male -, und am Ende stimmt man überein: Ja, das ist wohl eine richtige Empfehlung der KEF; so sollten wir das machen. - Damit tut die Ministerpräsidentenkonferenz das, was sie tun muss. Denn das Bundesverfassungsgericht sagt: Es gibt einen Verfassungsanspruch auf eine aufgabengerechte Ausstattung. - So weit, so gut.