Protocol of the Session on December 8, 2020

Jetzt ist hier ein Konzern, der großen Investoren gehört, die - ich sage es einmal vorsichtig - nicht alle in Deutschland ansässig sind, die also auch andere Adressaten ansprechen könnten, der zum dritten Mal sagt, er braucht frisches Geld in Milliardenhöhe. Von August bis Dezember hat er ein Defizit von ungefähr 700 Millionen Euro pro Monat - pro Monat! - zu verzeichnen gehabt. Das heißt, die 1,8 Milliarden Euro reichen für zehn Wochen.

Wie war das denn mit der Fortführungsprognose? Bereits zweimal in diesem Jahr hat der Vorstand eine falsche Fortführungsprognose abgegeben. Nimmt man ihm das jetzt beim dritten Mal ab, oder tauscht man vielleicht besser den Vorstand aus? -

Das ist eine entscheidende Frage. Deswegen wollen wir, Herr Finanzminister, glasklare Informationen: Wie sieht das Geschäftsmodell aus? Wie zukunftsfähig ist es? Was leisten die Investoren selbst? Das ist eine entscheidende Frage: Werden hier dieselben Maßstäbe angelegt, die angelegt werden, wenn ein Mittelständler oder jemand kommt, der vielleicht nicht so viele Möglichkeiten hat, Hebel in Bewegung zu setzen?

(Glocke des Präsidenten)

Leider ist meine Redezeit abgelaufen; aber wir haben ja noch zwei Tage für die Debatte. Ich danke Ihnen ganz herzlich fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Wenn wir hier vorn alles präpariert haben, ist für die CDU-Fraktion Herr Kollege Ulf Thiele an der Reihe. Sie haben das Wort, Herr Thiele. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zunächst möchte auch ich mich bei den Haushaltspolitikern aller Fraktionen und insbesondere auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien und der Landtagsverwaltung für diese sehr intensive, aber sehr konstruktive Haushaltsberatung und - das schließe ich an - für die vielen Beratungen, die wir in diesem Haushaltsjahr hinter uns haben, bedanken. Denn wir haben im Jahr 2020 ja auch schon zwei Nachtragshaushaltspläne beschlossen.

Mit den Nachtragshaushaltsplänen, die wir in diesem Jahr beschlossen haben, und mit dem COVID-19-Sondervermögen haben wir die strategische Entscheidung getroffen, dass wir sowohl die Bekämpfung der medizinischen Pandemie als auch die Bekämpfung ihrer wirtschaftlichen Folgen in diesem Sondervermögen und nicht im Haushalt 2020 und auch nicht im Haushalt 2021 abbilden. Trotzdem gebe ich meinem Fraktionsvorsitzenden recht: Der Haushalt 2021 ist insofern ein COVID19-, ein Pandemie-Haushalt, als auf der Einnahmenseite die Bremsspuren natürlich deutlich sind und wir deshalb in die Situation kommen, dass wir über die Entnahme aus dem Sondervermögen und eine zusätzliche im Rahmen des Konjunkturmechanismus vorgesehene Verschuldung erhebliche Kreditaufnahmen in diesem Haushalt wiederfinden.

Dieser Haushalt ist rezessionsgeprägt. Trotzdem hat er ein Volumen von 35,9 Milliarden Euro und liegt damit im Zielkorridor der ursprünglichen Mittelfristigen Planung. Meine Damen, meine Herren, dieser Normalhaushalt ist nämlich vor allen Dingen eines: Er ist ein Haushalt der Stabilität. Das ist vorhin einmal geringgeschätzt worden. Ich finde, das ist im Gegenteil ein ganz wichtiges Signal, das besagt: „Dieses Land bleibt in der Krise verlässlich“, das besagt: „Dieses Land bleibt in der Krise berechenbar“, das besagt: „Dieses Land bleibt in der Krise stabil“. In Zeiten der Krise ist Stabilität ein Wert an sich, meine Damen und Herren.

In genau dem gleichen Kontext steht auch die politische Liste von CDU und SPD. Das Ziel der Stabilität und Verlässlichkeit spiegelt sich in den Beschlüssen, die wir zum Haushalt 2021 nach der Landesregierung getroffen haben, in gleicher Weise wider. Wir wollen in dieser Krise Strukturen stabilisieren und verhindern, dass diese wegbrechen. Das gilt insbesondere fürs Ehrenamt. Einige Punkte sind genannt, ich will dennoch noch einmal erwähnen: das Investitionsprogramm für kleine und mittlere Kultureinrichtungen und Bühnen, die Förderung der Aidshilfe, die Unterstützung der Kunstschulen, die Stärkung der politischen Bildung,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie stärken die politische Bildung nicht, sie kürzen nur nicht! Das ist etwas anderes!)

der Täter-Opfer-Ausgleich, die Straffälligenhilfe, die Arbeit der Enquetekommission Ehrenamt, die wir auch mit diesem Haushalt unterstützen. Meine Damen, meine Herren, wir stabilisieren in diesen Bereichen trotz der Krisensituation Strukturen nachhaltig und sorgen dafür, dass sie durch die Krise nicht beschädigt werden.

Wir haben ein Zweites getan: Wir haben parlamentarische Beschlüsse dieser Periode, dieses Jahres, haushalterisch aufgegriffen, weil wir politisch glaubwürdig bleiben müssen. Das gilt beispielsweise und insbesondere für den Bereich des Kinderschutzes.

Nach den schlimmen Veröffentlichungen der letzten Monate war es dieser Koalition umso wichtiger, dass wir ein Signal setzen, dass wir es weiterhin ernst meinen mit der Prävention und mit dem Schutz unserer Kinder und Jugendlichen. Deshalb bauen wir im nächsten Jahr das fünfte Kinderschutzhaus, und deswegen unterstützen wir den Landespräventionsrat noch einmal verstärkt bei

der Arbeit für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Nun habe ich mit einer gewissen Verwunderung festgestellt, dass die Grünen behauptet haben, dieser Haushalt leiste nichts für den Klimaschutz. Wir finanzieren mit diesem Haushalt - das bringt uns gerade erhebliche Kritik aus der Wirtschaft ein - mit verschiedenen, auch anstrengenden Maßnahmen u. a. den „Niedersächsischen Weg“,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun! Das ist Artenvielfalt!)

eine Vereinbarung, die diese Landesregierung zwischen Landwirtschaft und Umweltverbänden vermittelt hat, verhandelt hat und die wir in Gesetzeskraft umgesetzt haben und natürlich mit diesem Haushalt auch finanzieren müssen, die eine tragfähige Grundlage dafür ist, dass wir eine Versöhnung von Agrarwirtschaft und Umweltschutz in diesem Land erleben werden.

(Beifall bei der CDU - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Aber das hat mit Klimaschutz nichts zu tun!)

- Frau Hamburg, das darf man bitte nicht geringschätzen.

Die Wahrheit ist, dass diese Landesregierung, anders als die Landesregierung, an der Sie beteiligt waren, erhebliche Summen in den Klimaschutz investiert. Und ja, das sind aus dem Sondervermögen und aus diesem Haushalt insgesamt eine Milliarde Euro. Das mag Ihnen nicht gefallen, aber das ist die Wahrheit.

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Das ist eine Finanzierung in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit.

Sie haben in Ihrer Arbeit in der Zeit, als Sie das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium hatten, in diesem Bereich überhaupt nichts bestellt bekommen. Dass Sie neidisch auf uns sind, kann ich mir vorstellen. Aber kritisieren sollten Sie die Maßnahmen, bitte schön, nur begrenzt.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Chris- tian Meyer [GRÜNE])

Meine Damen, meine Herren, ich komme zu den Haushaltsanträgen der FDP.

An einer Stelle bin ich irritiert, weil wir die ganze Zeit über von der selbst erklärten Wirtschaftspartei FDP erleben, dass sie die Stützungsmaßnahmen für viele der kleinen Unternehmen kritisiert, sogar die finanzielle Basis dafür mit ihrem Haushaltsantrag in Teilen entzieht, und gleichzeitig sehr laut, ähnlich wie die Grünen, die wirtschaftliche Unterstützung der großen, arbeitsplatzstarken Unternehmen in diesem Land kritisiert. Man hat zunehmend den Eindruck, dass die FDP wohlfeile Forderungen im allgemeinpolitischen Bereich aufstellt,

(Christian Grascha [FDP]: Belegen Sie das doch mal!)

aber dann, wenn es hart auf hart kommt und darum geht, in einer Krise dafür zu sorgen, dass die wirtschaftlichen Strukturen unseres Landes stabil bleiben, sagen Sie lieber überall Nein, Nein und Nein, anstatt zuzugeben, dass man in so einer Situation, in einer wirklichen Ausnahmesituation auch mal mit einer breiten Förderung - ja, sogar für die Solarenergiewirtschaft, ja, auch für das Handwerk sowie den Tiefbau und den Hochbau, ja, für die gesamte Breite der niedersächsischen Wirtschaft - für Stabilität sorgen muss,

(Christian Grascha [FDP]: Garantieren Sie, dass das in Niedersachsen an- kommt?)

damit wir hinterher überhaupt noch Steuerzahler haben, die dafür sorgen, dass unser Haushalt nach dieser Krise wieder stabilisiert wird und die Schulden zurückgezahlt werden können.

(Beifall bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Alles schuldenfinan- ziert!)

Dann noch kurz zu diesem Niedersachsenfonds, den Herr Wenzel hier gerade noch einmal erwähnt hat: Mir gefällt das Wort nicht, weil es, offen gesagt, ja suggeriert, dass das etwas Gutes für Niedersachsen ist. Dabei ist es nichts anderes als ein Schattenhaushalt, den Sie aufstellen, weil Ihnen offenkundig die Mühsal der täglichen Haushaltspolitik ein bisschen über und zu viel ist; denn es ist eben anstrengend, Geld im Haushalt dafür zu suchen und zu finden, dass man eine Maßnahme X oder Y umsetzt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Da machen Sie lieber Sondervermögen! Na klar!)

- Frau Hamburg, Sie haben sich vorhin hierhin gestellt und gesagt, wir sparen das Land kaputt. Das sagen Sie zu einem Haushalt, der Rekordinvestitionen über das Sondervermögen und über den Haushalt selber mobilisiert. Ihre Position ist erstens unglaubwürdig, und zweitens muss ich Ihnen leider an dieser Stelle noch einmal sagen: Die Schuldenbremse, das Grundgesetz und die Verfassung gelten auch für die Grünen. Hier können Sie solche Forderungen aufstellen. Am Ende wissen Sie aber doch, dass sie, selbst wenn Sie sie umsetzen könnten, vom Staatsgerichtshof wieder eingesammelt werden müssten, weil diese Fraktion - und das garantiere ich - ganz sicher eines nicht tun wird, nämlich die Schuldenbremse wieder aus der Landesverfassung streichen. Sie steht da. Sie bleibt da. Wir halten sie für richtig.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen auch, warum: weil sich die Schuldenbremse gerade in dieser Krise beweist. Wir erleben nämlich im Moment, dass sie uns, anders als häufig behauptet worden ist, nicht daran hindert, in dieser Krise die medizinisch notwendigen Maßnahmen zu finanzieren. Sie hindert uns nicht daran, die Impfzentren einzurichten. Sie hindert uns nicht daran, die Wirtschaft zu stabilisieren.

(Christian Grascha [FDP]: Erklären Sie das doch mal Ihrem Koalitions- partner!)

Sie hindert uns nicht daran, Schutzimpfungen durchzuführen. Sie hindert uns nicht daran, den Krankenhäusern zu helfen, beispielsweise die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die durch das Leerräumen der Intensivstationen in der ersten Welle entstanden sind, zu überstehen. Sie hindert uns an keiner einzigen Maßnahme, die notwendig ist, um die Krise zu bewältigen.

Sie gibt uns aber eine Aufgabe auf. Das haben wir ja mit dem zweiten Nachtragshaushalt schmerzlich beschließen müssen. Es ist ja nicht leicht, hier gleichzeitig zu sagen: „Jawohl, wir beschließen diese Maßnahmen und finanzieren sie aus Krediten; aber wir beschließen parallel dazu einen Tilgungsplan“,

(Christian Grascha [FDP]: Einen un- realistischen Tilgungsplan!)

was nichts anderes bedeutet, als dass dieser Landtag in Zukunft bei jeder Ausgabe, so wie wir alle das auch im privaten Leben übrigens machen würden, überlegen muss, ob wir eine Ausgabe, die wir in guten Zeiten tätigen, in schwierigen Zeiten

wie in einer Krise auch noch tätigen und finanzieren würden.

Weil diese Schuldenbremse uns diese Spielräume, aber gleichzeitig diesen Auftrag gibt, ist sie erstens Gold wert, und zweitens ist sie wirklich generationengerecht; denn sie sorgt dafür, dass jede Generation die Krisen, die sie bewältigen muss, am Ende auch selber finanziert.

Meine Damen, meine Herren, das ist ein sehr solider Haushalt. Ich danke dem Finanzminister dafür, dass er mit diesem Vorschlag, den wir ein bisschen ergänzt haben, dem Land in dieser Krise viel Stabilität gibt. Wir stimmen diesem Haushalt gerne zu und selbstbewusst zu. Wir halten es für richtig, diesen Weg zu gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Ulrich Watermann [SPD])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thiele.

(Christian Grascha [FDP]: Bei dem Part zur Schuldenbremse könnte noch ein bisschen mehr Applaus von der SPD kommen!)