Protocol of the Session on December 8, 2020

(Dirk Toepffer [CDU]: Man muss rich- tig lesen!)

- Sie können das ja gleich korrigieren, Herr Kollege, wenn ich das falsch verstanden habe. So ist es zumindest in der Presseberichterstattung rübergekommen.

Auf der anderen Seite sagt die Kollegin Modder: Selbstverständlich brauchen wir die Messe in der bisherigen Form auch weiterhin.

Auch hier wäre es wichtig, eine gemeinsame Linie für Niedersachsen zu finden. Wir stehen zur Messe, um das für die Freien Demokraten deutlich zu sagen. Wir halten sie für ein für das Land wichtiges Unternehmen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen wird also unter Wert regiert. Und was tun Sie jetzt in der Corona-Krise? - Wir haben es bei den Nachtragshaushalten gesehen:

Sie konzentrieren sich dabei nicht nur auf die zur Abwendung der Krise notwendigen Maßnahmen. Diese tragen wir mit; das haben wir immer signalisiert. Das, was zur Krisenabwendung gemacht werden muss, sind wir auch bereit, durch die Aufnahme von Schulden zu finanzieren. Das ist in einer solchen Krise notwendig.

Aber ansonsten setzen Sie im Prinzip genau das, was sich seit Beginn der Legislaturperiode zeigt, einfach fort. Sie nutzen die Krise als Vorwand. Nach unserer Auffassung nutzen Sie sie schamlos aus, um Geld anzuhäufen, Ihr Geldsäckel vollzustecken, um damit die politischen Vorhaben, die Ihnen wichtig sind, weiterfinanzieren zu können, ohne das über die normalen Haushalte machen zu müssen.

Auch das ist eine verantwortungslose Politik, weil sie nicht mehr der Bekämpfung der CoronaPandemie dient. Sie finanzieren im Prinzip unter dem Deckmantel der Corona-Politik andere Vorhaben, die man ehrlicherweise, aufrichtigerweise in einem normalen Haushaltsverfahren diskutieren müsste. Über die politischen Schwerpunktsetzungen könnte man dann ja streiten, aber diese Vorhaben unter der Corona-Flagge fahren zu lassen, ist nach unserer Auffassung unredlich.

(Beifall bei der FDP)

Ein konkretes Beispiel dafür ist die Förderung der Solarenergiespeicher in Höhe von 75 Millionen Euro - ich komme noch darauf zurück. Wir haben darüber in der vergangenen Woche schon einmal diskutiert. Was die Förderung von Solarenergiespeichern konkret mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu tun hat, bleibt Ihr Geheimnis. Ich weiß natürlich, dass dann von Ihrer Seite sofort der Hinweis kommt: Es geht ja auch um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie! - Unter einem so unbestimmten und offenen Begriff kann man im Prinzip alles machen. Das ist aber aus unserer Sicht falsch; denn das dient nicht mehr der Bekämpfung der Corona-Pandemie im engeren Sinne. Zum anderen ist hinsichtlich der Maßnahme der Förderung von Solarenergiespeichern überhaupt nicht belegt, dass dieses Geld in Niedersachsen bleibt. Es ist überhaupt nicht belegt, dass es nicht zu Mitnahmeeffekten in relevanter Größenordnung kommen kann.

Aber all das machen Sie mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch künftiger Generationen, weil Sie dafür Schulden aufnehmen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht seriös. Das ist unredlich und aus unserer Sicht verantwortungslos gegenüber künftigen Generationen. Und das alles erfolgt dann noch unter dem CoronaDeckmantel sozusagen mit der Attitüde: Wir wollen doch nur eine Krise bewältigen. Aber eigentlich machen Sie nichts anderes, als Ihren politischen Streit in den eigenen Reihen zu überdecken, indem Sie sich unter dem Vorwand bzw. Deckmantel

der Corona-Politik diese Mittel erst nehmen und sie dann für solche Maßnahmen einsetzen. Das gehört in ein normales Haushaltsaufstellungsverfahren; das gehört politisch diskutiert und sollte nicht unter falscher Flagge geführt werden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, uns treibt um, dass bei den Debatten über die Corona-Politik, die natürlich wichtig sind und die wir führen müssen, wichtige politische Felder in den Hintergrund getreten sind. Wir meinen, dass wir diese Haushaltsdebatte auch dafür nutzen müssen, hierüber zu sprechen.

Uns sind insbesondere drei Bereiche wichtig, die ich hier erwähnen möchte.

Der erste Bereich ist die Schul- und Bildungspolitik. Wir müssen in diesen Haushaltsberatungen auch einen Blick auf die Unterrichtsversorgung werfen. Denn, Frau Modder, es ist sehr wohl so, dass Sie über das Instrument des Beschäftigungsvolumens umgerechnet 700 Lehrerstellen in Niedersachsen abbauen. Das sind 18 000 Unterrichtsstunden weniger pro Woche. Das ist aus unserer Sicht ein falsches Zeichen. Noch mehr Geld aus dem Bereich der Schulen herauszunehmen, wenn ohnehin schon 25 000 Stunden pro Woche fehlen, ist ein falsches politisches Signal; denn das geht an den Bedürfnissen der niedersächsischen Kinder vorbei. Wir brauchen eine Bildung, die zukunftsfest ausgestattet ist. Deshalb ist es aus unserer Sicht falsch, in diesem Bereich zu sparen und Mittel wegzunehmen. Denn dadurch sinkt die Unterrichtsversorgung weiter, die im aktuellen Schuljahr schon unter dem Wert des Vorjahres liegt. Das ist aus unserer Sicht also eine Fehlentscheidung.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Der zweite Bereich ist die Innenpolitik. Sie sind als Koalition angetreten, die Polizei mit rund 3 000 Stellen zu stärken. So haben Sie es im Koalitionsvertrag vereinbart.

(Sebastian Lechner [CDU]: Mindes- tens 1 500!)

Sie wollen über 3 000 neue Stellen bei der Polizei schaffen. In diesem Haushalt werden aber überhaupt keine neuen Stellen bei der Polizei geschaffen - im Gegenteil: Indem sie 100 Stellen einsparen muss, die Sie dann wieder finanzieren wollen, nehmen Sie der Polizei sogar Stellen. Das heißt, bis Ende 2022 werden - wenn das so ist - nicht einmal 2 000 zusätzliche Stellen bei der Polizei

geschaffen werden. Das heißt, das von Ihnen erklärte Ziel, 3 000 zusätzliche Stellen bei der Polizei zu schaffen - das Sie schon jetzt versuchen, kleinzureden, damit man Sie nicht mehr daran messen kann, sehr geehrter Herr Kollege Lechner -, werden Sie nicht erreichen. Es werden nicht einmal 2 000 zusätzliche Stellen sein. Das ist aus unserer Sicht falsch und muss auch öffentlich diskutiert werden.

(Beifall bei der FDP)

Der dritte Bereich, den ich ansprechen möchte, ist der Wissenschaftsbereich bzw. der Bereich der Universitäten. Die Politik, die Sie betreiben, geht an die Substanz der Wissenschaft; das wissen Sie. Sie geht an die Substanz hinsichtlich der Gebäude, aber auch der Köpfe. Wenn allein die Leibniz Universität Hannover 22 Professuren einsparen muss, weil sie die Einsparvorgaben aus den letzten Jahren, aber auch aus diesem Jahr im Zusammenhang mit der globalen Minderausgabe weiterhin erbringen muss, dann ist das eine absolute Fehlentwicklung.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wenn Niedersachsen im Wissenschaftsbereich überhaupt noch annähernd mithalten will, muss hier mehr investiert werden. Es muss deutlich gemacht werden, dass dieser Bereich politische Priorität hat, und zwar - das mag man als Nachteil sehen - über Legislaturperioden hinweg. Denn um vernünftige Wissenschaftspolitik zu betreiben,

braucht man Verlässlichkeit, und die geben Sie leider nicht. Sie sind nicht einmal in der Lage, im Bereich des Wissenschaftsministers ganz auf die Erbringung der globalen Minderausgabe zu verzichten. Hier verbleiben immer noch über 2 Millionen Euro, die am Ende an die Substanz gehen. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu den politischen Schwerpunkten sagen, die wir in unseren Änderungsanträgen abbilden.

Wir stehen mit unseren Änderungsanträgen für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen die Straßenausbaubeiträge abschaffen und dies gegenüber den Kommunen mit 50 Millionen Euro kompensieren.

Wir wollen den Kindern in Niedersachsen Chancen eröffnen. Deshalb investieren wir in Bildung. Wir

wollen die kostenfreie Schülerbeförderung - auch für die Schüler der Sek. II und in der dualen Ausbildung - und stellen hierfür 44,5 Millionen Euro bereit.

Wir korrigieren das, was Sie angerichtet haben, und kompensieren die gestrichenen Stellen im Bereich der Lehrerinnen und Lehrer und die 100 gestrichenen Stellen im Bereich der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Hierfür stellen wir die notwendigen Mittel bereit.

Im Bereich der Agrarpolitik, die in Niedersachsen gerade dieser Tage wieder besonders im Fokus steht, wollen wir, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Bäuerinnen und Bauern Perspektiven haben, um sich umzustellen. Wir stellen für das Agrarinvestitionsförderprogramm 20 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.

Wir wollen die Justiz, insbesondere den Strafvollzug, stärken, weil wir hier erhebliche Defizite in der Ausstattung sehen, und stellen 20 zusätzliche Stellen zur Verfügung. Damit wollen wir natürlich auch dem Rechtsstaat in Niedersachsen zur Geltung verhelfen. Denn nur ein funktionierender Rechtsstaat ist in der Lage, Freiheit zu sichern.

Wir stellen zusätzlich Mittel für Lehrerfortbildungen im Bereich Digitalisierung zur Verfügung. Denn es reicht ja nicht, wenn die Geräte zur Verfügung stehen, sondern auch die Fähigkeit, digital zu unterrichten, muss geschult werden.

Auch die Digitalisierung der Landesverwaltung ist wichtig; das hat sich gerade im Zusammenhang mit Corona gezeigt. Die Lehre, die wir daraus ziehen müssen, ist, dass die Verwaltung noch viel stärker digitalisiert werden muss, um bürgernäher und erreichbarer zu sein. Hierfür müssen wir die Vorteile der Digitalisierung nutzen.

Das sind im Wesentlichen unsere Schwerpunkte; an diesen Stellen wollen wir Geld umverteilen und haben eine andere Sicht als Sie.

Der zweite wichtige Schwerpunkt ist, die Schuldenaufnahme zu senken. Das ist für uns ein ganz wesentlicher Punkt. Wir sehen uns in der Verantwortung für künftige Generationen. Die Schulden, die heute gemacht werden, sind doch die Steuern von morgen! Wir dürfen nicht zulassen, dass die Spielräume künftiger Generationen durch eine verantwortungslose Haushaltspolitik so eingeschränkt werden, dass eine gestaltende Politik gar nicht mehr möglich sein wird. Deshalb senken wir die Nettokreditaufnahme um 265 Millionen Euro.

Der dritte Schwerpunkt, meine Damen und Herren, den wir setzen, umfasst die Corona-Maßnahmen. Wir stehen für eine nachhaltige Corona-Konzeption. Wir haben unseren Antrag „Für eine nachhaltige Corona-Strategie“ eingebracht. Diese finanzieren wir aus dem Sondervermögen.

Frau Modder hat gesagt, damit würden wir das Sondervermögen anerkennen. Aber wir müssen ja anhand der Gegebenheiten Haushaltspolitik betreiben. Wir richten uns danach, wie die Dinge sind.

Von Ihnen wurde ein Sondervermögen vorgegeben, wovon 500 Millionen Euro nicht belegt wurden - diese Mittel sind quasi auf Vorrat enthalten. Wir sagen, dass der Haushaltsgesetzgeber konkretisieren muss, wofür diese Mittel sind. Wir sagen ganz konkret, für welche einzelnen Maßnahmen einer nachhaltigen Corona-Strategie sie eingesetzt werden müssen - insbesondere im Bildungsbereich zur Stärkung der Schulen, zur Ermöglichung eines sicheren Schulunterrichts und einer vernünftigen Schülerbeförderung. Auch das bilden wir in unseren Haushaltsanträgen ab.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind also der Auffassung, dass Niedersachsen unter Wert regiert wird. Hier regiert das Mittelmaß. Das ist aus unserer Sicht zu wenig. Wir müssen Schwerpunkte setzen! Wir müssen Verantwortung für zukünftige Generationen übernehmen!

Wir wollen in Bildung investieren. Wir wollen den Landwirten die Möglichkeit geben, sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen, und sie dabei unterstützen. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Wir wollen den Rechtsstaat stärken, und wir wollen die Digitalisierung voranbringen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es folgt nun für die CDU-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Toepffer. Bitte, Herr Kollege!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Birkner, mein Einstieg wird Sie freuen: Was an diesem Haushalt als Allererstes auffällt, ist aus Sicht der Unionsfraktion in der Tat die enorme

Neuverschuldung. Es ist eine notwendige Neuverschuldung, aber eine Verschuldung, die uns trotzdem mit großer Sorge erfüllt. Dies gilt übrigens auch für den Haushalt des Bundes.