Protocol of the Session on November 11, 2020

(Christian Grascha [FDP]: Das hat damit gar nichts zu tun!)

- Doch, hat es. Sie verstehen es halt nicht. Das ist das Problem.

(Jörg Bode [FDP]: Wir haben den An- trag geschrieben! Ihr versteht ihn nicht!)

Die Kommunen selbst sehen übrigens den Regelungsbedarf, den die FDP hier ins Schaufenster stellen will, gar nicht. Stattdessen erwarten die Kommunen, dass das Gesetz zur Novelle der Grundsteuer aufkommensneutral ausfällt; das haben sie mehrmals betont.

Es geht um einen verfassungsgerichtlichen Auftrag, und die Kommunen dürfen erwarten, dass die Regierungsfraktionen und die Landesregierung ihn sehr ernst nehmen.

Verehrte Damen und Herren, die FDP wird verstehen, dass sich der Blick der SPD gerade auf die richten wird, die in nicht unwesentlichem Maß das Grundsteueraufkommen bezahlen, nämlich die Mieterinnen und Mieter. Ich verstehe, dass die FDP ihrer Klientel signalisieren will, sie habe sich im Parlament hinreichend um deren Angst vor Mehrbelastungen gekümmert.

(Christian Grascha [FDP]: Die Klien- tel, um die es bei der Grundsteuer geht, haben Sie doch selbst beschrie- ben: Eigentümer und Mieter! Das sind so ziemlich alle!)

- Herr Grascha, wahrscheinlich treffe ich den Nerv, wenn Sie sich so aufregen. -

(Beifall bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Wenn der sich aufregt, sieht das ganz anders aus! - Glocke des Präsidenten)

Die wiederholte Debatte bereits geklärter Details ist dabei kein besonders glaubwürdiges Instrument.

Noch etwas: Als verantwortungsvoller Dienstherr hat der Finanzminister hier im Juli geäußert, er wolle die Reform der Grundsteuer bürokratiearm ausgestalten. Die Reform werde mit weniger Aufwand als bei der bisherigen Erhebung der Grundsteuer auskommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kirci. - Für die Fraktion der CDU hat sich nun der Kollege Eike Holsten zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Das Kernanliegen Ihres Antrages - so verstehe ich es zumindest - ist doch, dass im Zuge der Reform der Grundsteuer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Summe nicht stärker belastet werden sollen als bisher. Hier sehen wir Sie sehr gern an unserer Seite.

Wie es manchmal geht, sind wir nur über den Weg zu diesem gemeinsamen Ziel etwas uneinig. Wo hier der Dissens liegt, will ich kurz schildern.

Nach Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes muss den Gemeinden

„das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. … Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“.

Die kommunale Selbstverwaltung, die hier beschrieben wird, ist ein hohes Gut. Damit sie nicht ins Leere läuft, gewährt sie den Kommunen nicht nur Freiheiten bei der Aufgabenerledigung; sie stattet die Gemeinden und Kreise auch mit finanzieller Autonomie aus, damit diese Aufgabenerledigung auch finanziert werden kann. Das Hebesatzrecht der Kommunen ist ein wichtiger - genauer gesagt: der wichtigste - Teil dieser Autonomie.

Damit kommen wir dann auch schon zu den Schwierigkeiten Ihres Antrags. Ehrlich gesagt, kann ich im Moment nur zwei mögliche Gründe für diesen Antrag erkennen.

Der eine ist: Sie wollen zeigen, dass Sie auch noch da sind. - Der Zweck des Antrages wäre mit der Diskussion hier wohl erreicht.

Der andere ist: Sie möchten, dass jemand, von dem die Verfassung will, dass er diese Angelegenheit regelt, etwas tut, zu dem Sie ihn nicht zwingen können, und weil Sie ihn nicht zwingen können, versuchen Sie es mit diesem Register durch die Hintertür.

Wohlgemerkt: Ihre Partei bezeichnet sich im ersten Satz ihres Leitbildes - ich habe es noch einmal nachgelesen - als „die Partei der Freiheit und der Selbstbestimmung“, die „Politik, die rechnen kann“, fordert, die Eigenverantwortung will und „einen unkomplizierten Staat“.

(Beifall bei der FDP)

Falls es das ist, was Sie erreichen wollen, ist ein Transparenzregister sicher kein geeignetes Mittel, und überflüssig ist es auch.

Die meisten von uns, die wir hier sitzen, tragen doch zu Hause, in ihren Gemeinden und Kreisen, Verantwortung in der Kommunalpolitik. Sie teilen sicherlich alle den Eindruck, dass dort engagierte Bürgerinnen und Bürger zum Wohl der Allgemeinheit arbeiten. Diese Arbeit ist nicht immer einfach, sie ist nicht bequem, und sie findet selten Applaus. Aber sie wird mit Engagement und vor allem mit viel Verantwortungsbewusstsein erledigt.

Kommunale Selbstverwaltung bedeutet nämlich auch: Was immer vor Ort entscheiden wird, muss auch vor Ort verantwortet werden - vor Freunden, Nachbarn, Vereinskameraden und der eigenen Familie.

Kommunalpolitik ist dabei immer die Politik des Machbaren. Jede Kommune wird sich daher sicher zweimal überlegen, ob sie zeitgleich mit der Reform Steuererhöhungen durchsetzen will.

Für das Sicherstellen der Aufkommensneutralität bedarf es eines Transparenzregisters auch nicht. Grundsteuermessbetrag und Hebesatz sind die beiden Faktoren einer simplen Multiplikation. Jede Veränderung des durchschnittlichen Messbetrages kann durch umgekehrte Veränderung des Hebesatzes neutralisiert werden. Sollte also der durchschnittliche Messbetrag einer Gemeinde durch die Reform verdoppelt werden, müsste die Kommune den Hebesatz halbieren und die Grundsteuereinnahmen blieben dieselben. Jede städtische Kämmerin kriegt das hin, ohne dass die FDP mit Taschenrechner und Transparenzregister neben ihr steht.

Warum ausgerechnet die Partei, die sonst bei jeder Gelegenheit den schlanken Staat propagiert, dafür ein Mehr an Bürokratie aufbauen will, müssten Sie uns noch im Ausschuss erklären.

Zu guter Letzt, meine Damen und Herren: Die Hebesätze der Kommunen sind doch bereits heute öffentlich einsehbar. Das Statistische Bundesamt und die Landesämter für Statistik veröffentlichen alljährlich die Grund- und Gewerbesteuersätze aller Kommunen Deutschlands. Das Niedersächsische Landesamt hat das zuletzt mit Pressemitteilung Nr. 61 vom 24. Juni 2020 für das Jahr 2019 getan.

Ihr Transparenzregister gibt es also bereits, nur wird es nicht ganz so verschwörerisch genannt.

Lassen Sie uns also im Ausschuss über das reden, was uns wie immer eint: die Aufkommensneutralität bei der Grundsteuer und wie diese gewährleistet werden kann. Lassen Sie uns diese Debatte aber so führen, dass wir den Kommunen das Vertrauen entgegenbringen, das sie verdienen, und mit dem Anspruch, Aufgaben und Verantwortung dort zu belassen, wo sie hingehören - im konkreten Fall bei den Kommunen.

Ich danke vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Holsten. - Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Grascha gemeldet. Bitte schön! - Bitte benutzen Sie das Saalmikrofon.

(Christian Grascha [FDP]: Ich benutze lieber das dort hinten! Dann kann ich den Kollegen Holsten angucken! - Gegenruf von Tobias Heilmann [SPD]: Dann hast du mich im Rücken, mein Freund! - Christian Grascha [FDP]: Genau, ich habe lieber die SPD im Rücken! - Johanne Modder [SPD]: Das hätte ich gern im Protokoll!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Holsten, wir wollen mit unserem Antrag nicht so, wie Sie es darstellen, die kommunale Selbstverwaltung beschränken. Zumindest steht davon in dem Antrag kein Wort. Darum geht es auch nicht.

Das, was Sie hier präsentiert haben, macht den grundsätzlichen Unterschied zwischen Ihrem Weltbild und unserem Weltbild deutlich. Wir sehen nämlich den Staatsaufbau zunächst einmal nicht von den Kommunen her, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern her. Um die geht es uns.

Daran, dass eine Kämmerin oder ein Kämmerer alle diese Dinge nachvollziehen kann, habe ich überhaupt keine Zweifel. Es geht darum, dass die Kommune sich bei eventuellen Hebesatz- und Steuererhöhungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern rechtfertigen muss. Das ist der entscheidende Punkt, um den es uns hier geht.

Mit Blick auf diese Rechtfertigung müssen wir Transparenz schaffen. Andere Bundesländer machen sich da, wie gesagt, auf den Weg.

Ich freue mich aber trotzdem auf die Ausschussberatungen; denn das, was Sie zum Schluss gesagt haben, war ja einigermaßen versöhnlich. Vielleicht finden wir ja doch noch einen Weg, diese notwendige Transparenz für die Bürger zu schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Herr Kollege Holsten, möchten Sie antworten? - Bitte schön!

Selbstredend kann jeder Bürger anrufen und nachfragen, wie es sich dabei verhält. Andererseits bietet diese Reform natürlich die Chance, das alte, etwas aufwendige und nicht immer nachvollziehbare Verfahren durch ein schlankeres, transparenteres zu ersetzen, das den Finanzbeamten, aber auch den Steuerbürgern weniger Arbeit macht. Da sind wir uns, denke ich, absolut einig. Das ist nicht nur erklärter Wille der Fraktion, sondern auch des Fraktionsmitgliedes Reinhold Hilbers. Insofern sind

wir ganz guter Dinge, dass wir da am Ende des Tages zueinandergekommen.

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Sieht der Finanzminister Reinhold Hilbers das auch so?)

Vielen Dank, Herr Kollege Holsten. - Meine Damen und Herren, nun hat das Wort der fraktionslose Kollege Peer Lilienthal. Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Natürlich ist der Antrag, der hier vorliegt, eine Verzweiflungstat - und diese Verzweiflung kann ich auch gut nachvollziehen. Sie rührt nämlich daher, dass die von Ihren Fraktionen, Herr Kirci und Herr Holsten, getragene Landesregierung es seit fast drei Jahren nicht ins Werk gesetzt bekommt, uns zu sagen, welches Grundsteuermodell sie eigentlich präferiert. Wir hören hier immer nur irgendwelche Ausflüchte, Andeutungen usw. usf.

Dabei liegen die Fakten doch auf dem Tisch! Das ist der Kern des Problems. Es muss entschieden werden, ob es ein Modell sein soll, das sich an Werten oder an der Fläche orientiert. Das irgendwie miteinander zu verheiraten, wird hinreichend schwierig. Das führt dann dazu, dass hier - das ist schon richtig - der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wird.