Protocol of the Session on November 11, 2020

Ich will noch eines sagen: Standort ist nicht gleich Standort. Deswegen erwarte ich eine differenzierte Betrachtung. Sie haben geschrieben, dass unnötige Kosten zu vermeiden seien. Das ist natürlich richtig. Dabei geht es um die Wirtschaft, es geht um den Markt, es geht um Verbraucherinnen und Verbraucher. Deswegen ist es, glaube ich, nicht ganz von der Hand zu weisen, dass man es zulässt, dass Standorte, an denen es keine Probleme gibt und weil sie schon erschlossen sind, zu Ende genutzt werden.

Es geht darum - auch diesen Punkt haben Sie nicht erwähnt, aber er kann ja trotzdem richtig sein -, Standorte eventuell auch einmal anders zu nutzen und sie vielleicht sogar umzunutzen. Ich will ein Beispiel aus dem Bereich Munster nennen. Die Stadtwerke Munster haben ein, wie ich finde, sehr interessantes Projekt aufgesetzt. Dort wird ein

ausgebeuteter Gasförderstandort für Zwecke der Geothermie umgenutzt. Das unterstütze ich ausdrücklich, weil dieser Standort nämlich bisher keine Probleme gebracht hat. Auch diesen Weg sollten wir uns offen lassen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und der FDP)

Ich möchte noch ein weiteres Thema ansprechen. Das wird Sie vielleicht überraschen. Sie haben das vollkommen vergessen, aber Sie kommen ja auch nicht aus meiner Region.

Es geht nicht nur um Erdöl und Erdgas, sondern es geht auch um anderes Material, das im Boden liegt. Konkret: Im Südosten von Braunschweig liegt Ölschiefer in nennenswerter Größenordnung.

Wenn wir Fehler nicht wiederholen wollen, müssen wir jetzt die Weichen stellen. Die Ölschiefer-Lagerstätten sind im Landes-Raumordnungsprogramm als Vorbehaltsgebiet ausgewiesen. Sie kennen die Diskussion, dass eventuell ein Vorranggebiet daraus gemacht werden soll.

Ich freue mich sehr darüber, dass die zuständige Ministerin Frau Otte-Kinast mit mir darin einig ist, dass das nicht geht und dass das nicht sein kann. Das entspricht übrigens auch der Meinung des Kreistages in Wolfenbüttel, der das einstimmig so beschlossen hat. Ich persönlich und, ich denke, auch der Kollege Bosse haben dem nichts hinzuzufügen.

Wenn es nach mir ginge, gehörte dieser Ölschieferstandort komplett raus aus dem LandesRaumordnungsprogramm. Aber das ist meine persönliche Meinung.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Antrag behandelt ein zentrales Thema für unsere gemeinsame Zukunft. Wir sagen Ihnen selbstverständlich eine vorbehaltlose, offene und konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss zu. Ich freue mich auf mit Sicherheit sehr spannende Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Oesterhelweg. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gerd Hujahn das Wort. Bitte, Herr Kollege Hujahn!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf erst einmal den Grünen ganz herzlich für die Einbringung dieses Entschließungsantrags danken. Vom Ziel her sind wir uns ja auch einig: das Pariser Klimaabkommen, der Green Deal, das Bundesklimagesetz und der Entwurf des Niedersächsischen Klimagesetzes, in dessen § 4 Abs. 2 es heißt, dass wir die Energieversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umstellen wollen. Insofern haben wir da also keinen Dissens.

Wenn das Ziel das Gleiche ist, geht es darum, den Weg zu diskutieren.

Ach so, darf ich die Mund-Nase-Bedeckung abnehmen? - Danke.

(Der Redner nimmt die Mund-Nase- Bedeckung ab)

Ja, man hat sich daran gewöhnt, Herr Kollege Hujahn. Mir geht es genauso. Erst wenn ich die Kaffeetasse anhebe, denke ich daran, dass ich sie noch aufhabe. Bis dato konnte man Sie allerdings sehr gut verstehen. Aber vielleicht klappt es ohne noch besser. Bitte schön!

Es ist ja auch was fürs Auge.

(Heiterkeit)

Wie ist die Lage? - Frau Byl hat es gesagt. Wir sind natürlich das Erdgasförderland Nummer eins. Ungefähr 96 % des deutschen Erdgases liegen bei uns. Die Erdgasfördermengen sind in den letzten Jahren tendenziell zurückgegangen. Inzwischen liegen wir bei 6,6 Milliarden m3 Rohgas, wenn meine Zahlen korrekt sind. Und wenn wir bei der statischen Reichweite gucken, dann haben wir noch für sieben Jahre Gas.

Bei Erdöl sieht es ähnlich aus. Da ist SchleswigHolstein die Nummer eins. Wir in Niedersachsen haben rund 35 % des deutschen Erdöls. Da würde man, wenn man das Ganze berechnen würde, auf 14 Jahre kommen, bis unsere Reserven erschöpft sind.

Damit, Frau Byl, wären wir zumindest noch vor dem Jahr 2040, das Sie in Ihrem Antrag nennen. Das heißt, das Problem würde sich von allein erledigen, weil dann einfach nichts mehr in der Erde ist. Aber so einfach will ich es mir nicht machen.

Ich finde, wir müssen uns den Sachverhalt schon differenzierter anschauen.

Wir haben bei uns im Lande 1 500 Ölbohrstellen und rund 450 Gasbohrstellen, die aktiv sind. Da ist jede einzelne Anlage natürlich anders zu betrachten. Ich gebe dem Kollegen Frank Oesterhelweg ausdrücklich recht: Darunter gibt es welche, die völlig unauffällig sind, es gibt aber auch welche, die Probleme, zum Teil auch große Probleme verursachen.

Ich meine, wir müssen gemeinsam Meilensteine definieren, an denen sich die Menschen, aber auch die Erdgas- und Erdölindustrie orientieren können. Man braucht verlässliche Daten, damit man seine Industrieproduktion entsprechend herunterfahren kann; denn daran hängen schließlich auch Arbeitsplätze und anderes. Es ist nur fair, ähnlich wie beim „Niedersächsischen Weg“ alle Betroffenen an einen Tisch zu holen, eine Kompromissformel zu suchen, auf die sich dann alle verlassen können, und dann mit großen Schritten in diese Richtung voranzugehen.

Auf der anderen Seite - da gebe ich Ihnen recht, Frau Byl - müssen wir uns eine Kompensation überlegen. Dazu gehört der Ausbau von Photovoltaik und Windenergie. Ich sehe aber auch, wie viele Stolpersteine auf diesem Weg liegen. Darüber haben wir gestern diskutiert, und darüber diskutieren wir schon Jahre. Man muss sich fragen, wie das zusammenpasst: Auf der einen Seite will man raus aus den fossilen Energieträgern, auf der anderen Seite verhindert man die Kompensationsmöglichkeiten der erneuerbaren Energie und macht durch die EEG-Umlage einiges kaputt.

Nach meiner Auffassung und nach der Auffassung der meisten in diesem Hause müssen wir uns vorrangig um einige Punkte kümmern. Dazu gibt es auch Gespräche. Das eine ist die Frage, wie wir mit dem Fracking umgehen. Diese Frage ist immer noch in der Diskussion. Die Erdöl- und Erdgasgewinnung in Wasserschutz- und Trinkwassereinzugsgebieten geht aus meiner Sicht gar nicht. Damit bin ich auf der Linie, die wir auch in früheren Anträgen formuliert haben. Trinkwasser ist unser höchstes Gut. Damit können wir nicht spielen. Da können wir auch nicht mit Risiko arbeiten. Wir wollen Trinkwasser risikolos allen Menschen bei uns im Lande zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der SPD)

- Ja, klatscht ruhig!

Auch das Problem der Lagerstättenwässer ist angesprochen worden. Ja, darum müssen wir uns kümmern. Es gab die Unfälle. Ich brauche das nicht zu wiederholen.

Vorrangig ist ebenso der Schutz der Bevölkerung vor Erdbeben aufgrund der Beendigung der Bohrungen in diesen Gebieten. Normalerweise spricht meine Kollegin Dörte Liebetruth über dieses Thema. Aber meine Mutter wohnt nur 150 m von Dörte Liebetruth weg. Ich bin in Verden geboren und kenne als alter Kirchlintler natürlich Panzenberg und Scharnhorst. Insofern betrifft das mich und meine Familie auch direkt.

Allerdings befinden wir uns nicht erst am Anfang des Weges, wie es aus dem Antrag vielleicht herauszulesen ist, sondern sind mitten drauf. Im September 2018 wurde durch unseren Umweltminister Olaf Lies ein Stakeholder-Dialog in Gang gesetzt. Wir hatten die schon erwähnte sehr ausführliche Drucksache zu diesem Thema.

(Glocke der Präsidentin)

- Letzter Satz!

Ich darf mich noch einmal herzlich bei den Grünen bedanken, dass sie die Themen der Regierungskoalition aufwärmen und mit Esprit versehen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hujahn. Jetzt dürfen Sie Ihr Kleidungsstück, die Mund-Nasen-Bedeckung, wieder davontragen.

(Gerd Hujahn [SPD]: Endlich! Man fühlt sich nicht mehr nackt!)

- Super! Vorbildlich! Klasse!

Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Herr Kortlang - mit Brille und MundNasen-Schutz, vorbildlich. Bitte schön!

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Forderung nach einem Ausstieg aus der fossilen Energie ist kein Alleinstellungsmerkmal von Bündnis 90/Die Grünen. Das haben schon meine Vorredner gesagt, und das möchte ich hier auch ganz klar sagen. Selbst die Industrie, also Shell und BP, beginnt damit. Die EWE hat in den ersten Versorgungsgebieten die

Umstellung auf H-Gas, d. h. auf ein hochkalorisches Gas, wie es aus Norwegen, Russland und aus den LNG-Terminals kommt, abgeschlossen.

Wir wissen, dass mit der Einstellung der L-GasFörderung im Raum Groningen auch die Förderung in der norddeutschen Tiefebene vor dem Aus steht. Das wird in absehbarer Zeit so eintreten. Aber wir sollten mit Zuversicht in den Markt schauen und nicht mit Verboten arbeiten. Erneuerbare Energien werden immer günstiger. Der Austausch alter Anlagen braucht Manpower, und es braucht Hersteller für die Fertigung neuer Anlagen.

In den letzten drei Quartalen konnte die Windenergie bei Genehmigungen und Inbetriebnahmen wieder einigermaßen zulegen; das haben wir gestern gehört. Diese neuen Anlagen werden ein Mehrfaches an Strom gegenüber den alten Anlagen liefern, und zwar ohne Förderung. Große Energieeinsparmaßnahmen durch Wärmedäm

mung erfordern große Mengen an Energie, Rohstoffen und Arbeitsleistung.

Die EWE will mit dem Ferngasnetzbetreiber aus den Niederlanden zusammenarbeiten; auch das haben wir schon angesprochen. Beide wollen ihre Transport- und Verteilernetze verknüpfen und darin das neue Gas transportieren. Damit wird bald die nächste Stufe der Umstellung erfolgen. Das heutige Erdgasnetz wird zu einem Gasnetz, das langfristig kein Erdgas mehr befördert. Dieser Punkt ist bereits in Sichtweite. Schon auf dem Weg dorthin wird der Wärmemarkt eine neue Qualität erreichen. Brennstoffzellen werden Strom und Wärme liefern. Und auch die von Ihnen, liebe Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, angedachten Wärmepumpen werden eine Erfolgsgeschichte. Insgesamt werden viele neue Arbeitsplätze geschaffen und weggefallene Arbeitsplätze kompensiert.

Ganz aktuell möchte ich darauf hinweisen, dass der DVGW, der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches, vorgestern auf einer Konferenz angekündigt hat, mit Wasserstoff und Brennwertgeräten zu 100 % in den Markt zu gehen.

Die Heizungshersteller sagen, die Energiewende braucht dieses Gas im Wärmemarkt; denn in den nächsten Jahren müssen gut 7 Millionen Gaskessel ausgetauscht werden, ferner 6,8 Millionen Brennwertkessel (Öl) und noch 5 Millionen Ölkessel.