Protocol of the Session on November 10, 2020

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Nächster Redner ist für die FDP Kollege Dr. Birkner. Für den TOP 6 steht Ihnen die Einbringung zu. Aber Sie können natürlich zu allen Punkten - von 3 bis 16 - reden. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wie wir es schon im Sonderplenum vor etwa anderthalb Wochen deutlich gemacht haben, sind wir der Auffassung, dass die Landesregierung und die Regierungsfraktionen endlich eine nachhaltige Corona-Strategie entwickeln müssen.

Das, was wir derzeit erleben, darf nicht der Maßstab sein. Es darf nicht dazu kommen, dass man die Zeit, die man hat, ungenutzt verstreichen lässt und es wieder zulässt, in eine Situation zu geraten, in der man einen Lockdown für nötig hält, um danach, wenn der Lockdown hoffentlich die Wirkung hat, die Sie sich von ihm versprechen, wieder zu

einem Anstieg der Infektionszahlen zu kommen und wieder in einen Lockdown zu gehen. Dieses Muster müssen wir durchbrechen. Deshalb brauchen wir endlich eine nachhaltige Corona-Strategie.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben in unserem Antrag wesentliche Punkte einer solchen Strategie aufgeführt.

Dazu gehört für uns natürlich die Stärkung des Gesundheitssystems und die Vorbereitung darauf, dass man hinreichend Personal hat, um die Intensiveinheiten und Beatmungssysteme entsprechend einsetzen zu können. Da hätte man die Zeit besser nutzen können und müssen.

Nach unserer Auffassung ist es nötig, den öffentlichen Gesundheitsdienst weiter zu stärken. Da, Herr Ministerpräsident, wiederhole ich mich: Sie haben mit den anderen Ministerpräsidenten vereinbart, den öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken. Das ist vier oder fünf Monate her. Damals haben Sie es noch nicht für nötig gehalten, selbstständig Unterstützungskräfte des Landes auf den Weg zu bringen. Heute haben wir eine Antwort von Ihnen erhalten, der zufolge es vier Monate - bis Ende September - gedauert hat, bis der Erlass zu solchen Kontaktverfolgungsteams ergangen ist.

Meine Damen und Herren, wenn das der Maßstab für die Reaktionsgeschwindigkeit ist, dann sind wir dem Virus wirklich ausgesetzt. Dann lässt man die Chancen, die man hat, es zu bekämpfen, ungenutzt liegen. Das halten wir für falsch und unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind der Auffassung, dass man endlich die Chancen nutzen sollte, die in einer umfassenden Teststrategie liegen. Dazu, Frau Ministerin, gehören insbesondere die Schnelltests, die jetzt auf dem Markt sind. Auch das thematisieren wir seit Wochen und Monaten. Aber was wir hier wahrnehmen, ist auch wieder eine Verzögerung. Wir hören, dass die Schnelltests nicht so schnell kommen, weil die Träger der Einrichtungen erst einmal mit den Gesundheitsämtern über die Finanzierung sprechen müssen und weil Liquiditätsprobleme zwischen den Einrichtungen und den Herstellern auftauchen.

All das sind Probleme, die man schnell und pragmatisch lösen muss; denn die Schnelltests können, solange es keinen Impfstoff gibt, in vielen Bereichen Leben retten. Das betrifft zum einen den

Schutz der sensiblen Bereiche wie Pflegeheime, Senioreneinrichtungen usw. Zum anderen können sie aber auch eine Grundlage dafür sein, Veranstaltungen wieder zu ermöglichen, wenn es - und auch das fordern wir in unserem Konzept - dafür eine Anerkennung in den aufzustellenden Regeln gibt, damit Veranstalter beispielsweise wissen, unter welchen Bedingungen sie sicher und unter Anwendung solcher Testmöglichkeiten Veranstaltungen durchführen können.

Aber dafür braucht es Konzepte. Ideen müssen entwickelt werden. Davon sehen wir bei der Landesregierung nichts. Deshalb fordern wir das mit unserem Entschließungsantrag.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, endlich zu ermöglichen, dass das nicht die dreijährig ausgebildete Fachkraft tun muss. Es ist nicht notwendig, eine solche Qualifikation zu haben, um solche Proben bei Menschen zu entnehmen. Das können auch angelernte Kräfte machen. Wir müssen uns - auch das wurde heute schon diskutiert - darauf konzentrieren, dass die qualifizierten Fachkräfte ihre Arbeit am Bett verrichten können und nicht für Probeentnahmen abgestellt werden müssen, um die Einrichtung zu schützen. Es gibt andere, pragmatische Wege, die man endlich gehen muss und nicht weiter auf die lange Bank schieben darf.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was meines Erachtens jetzt viele schmerzhaft erleben, ist, dass die Landesregierung mit Blick auf die Schulen nicht ernsthaft auf die zweite Welle vorbereitet ist. Ich persönlich nehme wahr, dass allgemeine Verwirrung darüber herrscht, wie man jetzt eigentlich wann in welches Modell wechselt.

(Johanne Modder [SPD]: Das kann ich nicht bestätigen!)

Erst sind es die Gesundheitsämter, jetzt sind es die Schulleiter. Die Schulleiter machen aber auch nicht, was man von ihnen hätte erwarten müssen, sondern entscheiden offensichtlich nach anderen Kriterien. Das spiegelt sich landesweit wider.

(Johanne Modder [SPD]: Das stimmt nicht, Herr Birkner!)

Auch hier hat man die Zeit nicht genutzt, um für Klarheit zu sorgen und möglichst viel Unterricht

dauerhaft zu ermöglichen. Das halten wir für falsch.

Wir halten es für falsch, dass man in der Digitalisierung nicht weitergegangen ist und etwa kein „Niedersachsen-Kollegium“ - wie wir es schon seit langem fordern -, das die zentrale Digitalisierung von Lerninhalten für alle Klassenstufen und Fächer voranbringt, eingerichtet hat.

Wo sind diese Initiativen, was die Digitalisierung des Unterrichts angeht, die wir vor Monaten angemahnt haben? Wir vermissen sie weiterhin. Mit ihnen würde der Staat für den Fall, dass man keinen Unterricht mehr machen kann, weil die Pandemie einen entsprechenden Verlauf hat, seiner Verantwortung gerecht, die Kinder zu beschulen. Dabei geht es um die Schwächsten der Schwachen, die die Folgen zu tragen haben. Diese Verantwortung müssen Sie endlich wahrnehmen und sich um dieses Thema intensiver kümmern als bisher. Auch das fordern wir hier.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Schule muss ein sicherer Ort sein. Sie erinnern sich an die entsprechende Debatte. Nach allem, was ich über Luftfiltersysteme lese - für die ich persönlich kein Experte bin -, gibt es zahlreiche Tests, dass diese einen sicheren Unterricht bzw. das sichere Nutzen eines Raums ohne Masken möglich machen, wenn sich dort Menschen aufhalten.

(Widerspruch von Ulf Thiele [CDU])

Solche Möglichkeiten muss man auch mal mutig nutzen! Man muss vorangehen und darf sich nicht immer zurückziehen, indem man sagt: Das ist uns zu gefährlich. Wir wissen nicht genau, ob das wirklich etwas nützt. - Man muss sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse berufen.

Mich beschleicht das Gefühl, dass letztendlich immer das Kostenargument im Vordergrund steht, Herr Minister.

(Johanne Modder [SPD]: Nein!)

- Sie können ja gerne hier erwidern. Wir können gern darüber streiten, aber dann lassen Sie uns diesen Streit auch führen und hier im Parlament darüber diskutieren. Für uns sind das Möglichkeiten, die man entschlossen nutzen muss.

Ich sehe in vielen Kreistagen und Orten, dass Initiativen entstehen und dass Eltern selbst in solche Systeme investieren und sagen: Dann machen wir das, wenn der Staat dazu nicht in der Lage ist. -

Aber Sie ziehen sich zurück und übernehmen keine Verantwortung. Wir meinen, das sind Wege, die man gehen kann und muss, um Schule zu ermöglichen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es braucht mit Blick auf den jetzt ausfallenden Unterricht Antworten für die Schülerinnen und Schüler, die jetzt z. B. in der Abiturvorbereitung sind und denen jetzt wichtige Bestandteile fehlen, weil sie im Frühjahr nicht beschult worden sind und jetzt wieder unter dieser Pandemie zu leiden haben.

Auch hier haben wir konkrete Vorschläge, nämlich dass freiwilliger Unterricht angeboten wird, um die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und ihnen Möglichkeiten zu geben, Stoff nachzuholen. Dabei geht es wiederum um diejenigen, bei denen das zu Hause vielleicht nicht in dem Maße möglich ist. Auch hier geht es um Gerechtigkeit, nämlich um Bildungsgerechtigkeit, die man sicherstellen muss. Auch hier erwarten wir konkrete Maßnahmen, wie wir sie in unserem Entschließungsantrag vorschlagen.

Meine Damen und Herren, ein zentraler Punkt für eine solche neue Corona-Strategie ist nach unserer Auffassung, dass man, anders als es die Landesregierung jetzt in dieser zweiten Welle tut, zu einem noch viel differenzierteren Vorgehen kommt. Es muss doch möglich sein, entsprechend dem Pandemiegeschehen stärker branchenspezifisch sowie regional zu unterscheiden.

Es muss doch möglich sein, anhand von Hygienekonzepten Gastronomie zu ermöglichen, weil diese Form der Gastronomie, die auf der Grundlage von Hygienekonzepten stattfindet, kein Infektionsherd ist.

(Minister Dr. Bernd Althusmann: Wer sagt das?)

- Das sagt z. B. das RKI, Herr Minister. Wir können gern eine Debatte führen. Ich würde mich freuen, wenn Sie das Wort ergreifen und wir das hier im Parlament diskutieren würden.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Was die Eckkneipen angeht, bin ich bei Ihnen. Die Eckkneipe lebt davon, dass Menschen eng zusammenstehen. Da ist es klar.

Aber was ist mit der Gastronomie, die Mittagstisch und Essen ab dem Nachmittag anbietet, die über

wiegend von Senioren besucht wird, die strikten Schutzmaßnahmen folgen, ohne sich zu Gruppen zusammenzurotten und stundenlang Bier zu trinken, ohne sich zu schützen? Diese Gastronomie gibt es auch.

Diese Differenzierungsleistung müssen Sie erbringen, Herr Minister. Da müssen Sie genau hinschauen und auch das zum Maßstab nehmen, was Sie selbst aufgerufen haben, als Sie den Gastronomen signalisiert haben: Mit Hygieneschutzkonzepten und Investitionen ist der Betrieb möglich. - Damals war es ja wohl auch verantwortbar und vertretbar. Dann müssen Sie auch jetzt Verlässlichkeit zeigen. Wir wünschen uns, dass Sie diese Differenzierungsleistung wenigstens jetzt erbringen, um auf eine nächste Welle, die wir zu befürchten haben, vorbereitet zu sein.

Dazu gehört auch, dass wir nach unserer Auffassung - auch das ist Bestandteil des Entschließungsantrags - zu einem insgesamt differenzierteren System kommen müssen, was Indikatoren angeht. Nicht nur die reine Infektionszahl sollte zugrunde gelegt werden, sondern auch andere Faktoren wie die Altersstruktur der Bevölkerung, die Situation in den Krankenhäusern. Sie kennen die Vorschläge, die diskutiert werden. Damit muss man sich auch in der Landesregierung auseinandersetzen. Wir halten das für interessant und für relevant, um zu diesem differenzierten Vorgehen zu kommen.

Schließlich will ich noch zwei Punkte ansprechen, die uns umtreiben.

Wir haben im Frühjahr sehr viel über die App gesprochen. Sie ist nach unserer Auffassung nach wie vor ein geeignetes Instrument. Aber in der Form, wie sie bisher läuft, ist sie offensichtlich nicht hinreichend. Es gibt ja auch Schilderungen von frustrierten niedersächsischen Bürgerinnen und Bürgern, wie sie im Infektionsfall von Gesundheitsämtern betreut worden sind, dass das Testergebnis nicht in die App eingepflegt wurde, weil das Labor den Haken falsch gesetzt hat usw. Hier muss man ansetzen und die Dinge verlässlicher, schneller und funktionsfähiger machen.

Da gibt es aus unserer Sicht sehr einfache Möglichkeiten, z. B. dass man die Meldung an die App automatisiert und das Ganze gegebenenfalls mit einem Widerspruchsrecht versieht. Hier lassen sich Datenschutz und die Funktionsfähigkeit der App sehr wohl zusammenbringen. Das müssen wir endlich voranbringen, damit diese auch ein effektives Instrument zur Pandemiebekämpfung wird.