Protocol of the Session on October 8, 2020

(Beifall bei der SPD)

Das zeigt gerade der Blick auf die anderen Regionen. Bei den anderen Regionen, bei denen es auch einen Strukturwandelprozess gibt, ist genau das passiert. In den Braunkohleregionen hat das in der Vergangenheit besser funktioniert. Da waren alle Seite an Seite. Die Erfolge kann man sehen. Ich glaube, dass wir in Niedersachsen, gerade im Nordwesten, diese Gemeinsamkeit der Sozialpartner leben müssen.

Ich komme zur Frage 2: Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Es war nicht klar, ob es überhaupt noch eine Novelle in dieser Legislatur gibt. Ich nenne aber auch das Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See mit seiner Veränderung.

Ich will an dieser Stelle aber auch sagen: Wenn wir die Zielsetzung haben, die Klimaschutzziele in 2030 und 2040 und die Klimaneutralität 2050 gesichert zu erreichen, dann passt das Zeit- und Mengengerüst noch nicht zu den Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir müssen 2030 deutlich mehr erneuerbare Energien haben, als im Moment im Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgesehen ist. Das hat einen ganz einfachen Grund: Der Bund hat festgelegt, wie hoch der Bruttostromverbrauch 2030 sein mag; davon müssen 65 % aus Erneuerbaren stammen. Der Bruttostromverbrauch, den der Bund angesetzt hat, ist aber nahezu der Bruttostromverbrauch von heute. Wenn wir aber wirklich konsequent Klimaschutz betreiben wollen,

dann gelingt das nur über die erneuerbaren Energien und Strom aus Erneuerbaren. Deswegen werden die Strommengen nicht ausreichen. Deswegen fehlt der richtige Blick darauf, dass wir 2030 für Elektromobilität, für grünen Wasserstoff, für eine klimaneutralere Wärmeversorgung mehr erneuerbaren Strom brauchen. Deswegen müssen wir höhere Ausbauziele haben, damit wir Klimaschutz wirklich umsetzen können.

(Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Das wird nie reichen!)

- Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe nicht das Ziel, dass wir 2050 in Deutschland die gesamte Energie zu 100 % aus Erneuerbaren erzeugen. Diese Einschätzung teile ich. Wenn wir aber 2030 Klimaschutzziele erreichen wollen, dann können wir kein Ausbauziel setzen, bei dem heute schon klar ist, dass es nicht ausreichen wird. Das wäre falsch und kann nicht unsere Politik sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Beim Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See hat sich gezeigt, dass der stetige Druck funktioniert. Diese Erkenntnis ist einer der Gründe für den Auricher Appell. Wir haben 2013 den ersten Cuxhavener Appell auf den Weg gebracht.

Wir haben ernüchternderweise jetzt - aber immerhin jetzt - ein Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See, das für 2030 20 GW Ausbau auf See vorschreibt und für 2040 40 GW vorschreibt, also wirklich ein Ziel definiert und damit einen ganz erheblichen Beitrag leisten kann. Das entspricht den Forderungen gerade der norddeutschen Länder, aber inzwischen auch aller Länder in Deutschland.

Was vermissen wir? - Das haben auch dieser Auricher Appell und unsere Veranstaltung gezeigt: eine konsequente Grundlage für das Repowering. Denn wir werden Standorte haben, die aus der Förderung laufen. Dort, wo es immer möglich ist, macht es Sinn, die Anlagen an den Standorten durch neue Anlagen zu ersetzen oder zusammenzufassen - vielleicht aus fünf älteren eine neue Anlage zu machen -, um mehr erneuerbare Energie zu erzeugen, aber auch, um eine Entlastung der Situation herbeizuführen. Wir werden bis 2025 rund 16 GW installierte Windenergieleistung in Deutschland verlieren, und es gibt keine konsequente Antwort, wie wir genau diese Windenergieleistung sichern oder ersetzen wollen. Wir haben

das gefordert. Der Bundesrat hat auf die niedersächsische Initiative hin gesagt: Es muss eine Regelung für die Anlagen geben, die aus dem EEG laufen. - Abschalten ist gegen Klimaschutz. Abschalten kann nicht funktionieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Man hat die jetzt vorgesehene Anschlussregelung auch bei der Bundesregierung aufgenommen - das will ich durchaus sagen - und hat gesagt: Wir nehmen das für ein Jahr und nehmen den Marktwert. - Jetzt sind wir aber genau an der Stelle, an der wir sind: Der Marktwert, also der Börsenstrompreis, ist durch die Situation des unglaublich günstigen Öl- und Gaspreises und der Kohle so gering, dass wir überhaupt keine Chance haben, mit einem Marktpreis für den Strom an der Börse auch markgerecht erneuerbare Energieanlagen zu finanzieren. Das zeigt, dass da Handlungsbedarf und Nachsteuerungsbedarf ist, den wir fordern.

Wir brauchen für das Repowering Rahmenbedingungen. Wir haben planungsrechtlich zulässige Höhenbeschränkungen. Für das Repowering

brauchen wir also Sonderregelungen. Wenn wir mit kleineren Anlagen z. B. an den Standorten repowern, dann heißt das aber auch im Wettbewerb, dass es entweder Sonderausschreibungen für Repowering-Anlagen oder einen Repowering-Bonus geben muss, wie wir ihn ja schon mal hatten, damit wir die Chance haben, das voranzubringen.

Ich will positiv für das EEG sagen: Es ist nach großem Druck auch aus Niedersachsen endlich gelungen, dass wir nicht mehr Netzausbaugebiet sind. - „Netzausgebiet“ hört sich ja im ersten Moment noch positiv an; es bedeutet jedoch Einschränkungen beim Ausbau der Erneuerbaren. - Dieses Netzausbaugebiet ist weg. Das ist ein guter und großer Erfolg, den wir erzielt haben.

Mir wäre aber lieber, wir wären mutiger und würden sagen: Niedersachsen ist eigentlich das prädestinierte Beispiel für ein echtes Netzinnovationsgebiet, indem wir sagen: Erneuerbare Energien werden in großem Maße erzeugt, kommen in großem Maße von Seeseite an - also mit Offshore und zukünftig übrigens auch mit Importmengen an erneuerbaren Energien, die wir haben -, und wir zeigen, wie wir mit intelligenter Nutzung, mit Industrie, die sich ansiedelt, mit einer Verzahnung von Nutzung und Erzeugung in der Lage sind, in eine zukunftsfähige, erfolgreiche Energiewende zu gehen. Genau dieses Netzinnovationsgebiet würde

uns helfen, für Deutschland zu zeigen, wie Klimaschutz funktioniert. Das richtige Netzinnovationsgebiet ist Niedersachsen; denn hier haben wir die Erneuerbaren, hier haben wir die Industrie, und hier können wir zeigen, wie es funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Wir haben jetzt einen Weg in dem Gesetz, das aufzeigt, dass es beim Ausbau der Windenergie auch regionale Steuerung gibt. Das ist zunächst einmal richtig zu sagen: Windenergie können wir nicht nur im Norden machen, Windenergie müssen wir auch im Süden machen. Wir brauchen also auch eine Quote, die aber sicherstellen muss, dass wir, wenn dort nicht gebaut wird, hier mit der Quote bauen können. Das ist klug. Denn wir haben ein Referenzertragsmodell. Es sorgt dafür, dass nicht ganz so windreiche Standorte trotzdem im Wettbewerb eine Chance haben.

Das ist an dieser Stelle ein positiver Weg. Den müssen wir aber auch unbedingt für Photovoltaik haben. Wir brauchen in Niedersachsen auch einen konsequenten Ausbau der Photovoltaik. Auch hier haben wir natürlich im Vergleich zu den sonnenreicheren Standorten im Süden einen Nachteil. Das heißt, wir brauchen in gleicher Form erstens eine Quote, dass im Norden die Photovoltaik genauso ausgebaut wird wie die Windenergie im Süden, und zweitens ein gleiches Referenzertragsmodell, das die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen in Norddeutschland genauso möglich macht. Das muss unsere Forderung sein und muss noch eingesetzt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir haben ein Problem, das erst klein klingen mag. Wir werden aber sehen, wie schwierig es wird. Das ist nämlich die Frage, wie wir mit der Verschärfung der Vergütungsregelung für Windenergieanlagen umgehen. Bisher gab es die Situation, dass dann, wenn die negativen Strompreise über sechs Stunden gelten, keine Vergütung mehr für die Windenergieanlagen gezahlt wird. Das soll auf eine Stunde verschärft werden. Dann kann der eine oder andere sagen: Es ist ja eigentlich klug, wenn man kürzere Zeiträume in den Blick nimmt. - Inhaltlich ist das auch so. - Aber der Betreiber der Windenergieanlage kann nichts dafür, wenn das Gesamtnetz nicht funktioniert. Mit dieser Reduzierung auf eine Stunde haben wir das Problem, dass die gesicherte Finanzierung, die wir für Anlagen brauchen, weiter infrage gestellt wird. Das heißt, wir bremsen schon wieder an einer Stelle, an der es

gar nicht nötig ist, den Ausbau der Windenergie. Wir müssen die negativen Strompreise nicht in den Griff kriegen, indem wir die Windenergieanlagen nicht bezahlen, sondern wir müssen einen konsequenten Netzausbau und die konsequente intelligente Nutzung der erneuerbaren Energien haben. Das ist die Lösung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Wir haben in Niedersachsen mit dem Runden Tisch Zukunft Windenergie, ich glaube, auch geeint - das ist vor allen Dingen wichtig - mit allen Partnern einen guten Weg gefunden, zukünftig ab 2030 2,1 % der Landesfläche als Grundsatz für den Ausbau der Windenergie zu definieren. Wir werden mit einem klugen Weg den Ausbau von Windenergie auch im Wald ermöglichen. Auch das ist übrigens mit allen Partnern geeint, die am Tisch waren. Wir sind jetzt in enger Abstimmung auch mit dem Landwirtschaftsministerium über die Landesraumordnung. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg, auch das zu lösen und damit auch die Chance zu haben, andere Potenziale für den Ausbau der Windenergie zu erschließen.

Gleichzeitig haben wir - das merken wir; warum haben wir denn den Streit vor Ort; das Thema der mangelnden Akzeptanz spielt eine große Rolle - neben der Chance, die jetzt im EEG gefunden wird, nämlich den Kommunen, in denen Windenergie installiert wird, auch Geld zu geben - sie profitieren also auch davon; nicht nur die, die den grünen Strom haben -, das Ziel, mit Akzeptanzsteigerungsprojekten zu agieren. Es gibt ein wirklich gutes Projekt, über das ich mich sehr freue, zwischen dem Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) und dem NABU. Sie haben ein gemeinsames Projekt zur integrativen Genehmigungspraxis gestartet, um die Konflikte im Genehmigungsverfahren abzubauen. Wir haben ein weiteres Projekt: der lokale Energiewendedialog mit der Klimaschutzagentur, der Universität Hannover und IP SYSCON, wo auch entsprechende Instrumente geschaffen werden, um schneller zu werden.

Wir haben den Windenergieerlass, der in Kürze die Hilfestellung für die Kommunen liefert, die notwendig ist, und arbeiten am Artenschutzleitfaden. Wer sich das ansieht, der weiß: Die meisten Klagen gegen Windenergieanlagen werden aus sogenannten Gesundheitsgründen von einzelnen Personen geführt, die sagen: Ich fühle mich gestört! Das ist eine Lärmbelastung! - Sie werden aber

auch von Einzelpersonen vor allen Dingen aus Artenschutzgründen geführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine vernünftige Lösung, mit der wir einheitlich in der Lage sind, den Gerichten eine Grundlage für die Bewertung zu geben. Artenschutz und Klimaschutz schließen sich nicht aus. Aber Artenschutz darf Klimaschutz nicht ausschließen. Deswegen brauchen wir kluge rechtliche Lösungen dafür.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Vielen Dank, Herr Minister Lies, für diese Antwort. - Ich darf als Zwischeninformation für die Landesregierung darauf hinweisen, dass ihr Zeitkontingent bereits jetzt auf 3:34 Minuten geschrumpft ist.

(Wiard Siebels [SPD]: Dann gibt es nur noch „Ja“, „Nein“, „Ja“, „Nein“!)

- Die Verwertung dieser Information ist individuell unterschiedlich. Warten wir es ab!

(Heiterkeit)

Wir kommen jetzt erst einmal zu den Fragen. Die erste Frage stellt Herr Kollege Bosse für die SPDFraktion. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, warum es schon wieder einen Appell an den Bund braucht, nämlich jetzt den Auricher Appell. Es sind schon mehrere Appelle an den Bund gestellt worden. Warum brauchen wir jetzt noch einen?

(Imke Byl [GRÜNE]: Wer regiert ei- gentlich im Bund? - Gegenruf von Christian Meyer [GRÜNE]: Die Glei- chen, die hier im Land regieren!)

Danke schön, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bosse, ich glaube, das macht an einigen Stellen deutlich, welcher Handlungsbedarf jetzt besteht. Das ist der Appell nach Berlin, jetzt ein EEG auf den Weg zu bringen, das konsequent die Grundlage für den Ausbau der Erneuer

baren schafft. Das ist ein Signal aus einer Region, die sich in unglaublicher Form entwickeln konnte, weil es eben den Ausbau der Windenergie gab, die jetzt erlebt, was es bedeutet, wenn wir in einer Flaute Arbeitsplätze abbauen und die Kolleginnen und Kollegen ihre Beschäftigung verlieren und sich Sorgen um ihre Zukunft machen, für eine Technologie, die notwendig ist, um Klimaziele überhaupt zu erreichen.

Ich will das, was ich vorhin kurz gesagt habe, noch einmal sagen: Das ist auch ein unglaublich starkes und in dieser Form zum ersten Mal so deutlich gegebenes Signal, dass sich die Sozialpartner von Unternehmen und Gewerkschaft nicht damit beschäftigen zu fragen, was der andere tun muss, sondern sich an dieser Stelle wirklich konsequent damit beschäftigen und sagen: Nur dann, wenn wir geschlossen und gemeinsam sagen „Klimaschutz ist unser Thema, und Beschäftigung und Arbeit zu sichern, muss unser gemeinsames Thema sein“, werden wir erfolgreich sein.

Ich finde, das ist mit dem Auricher Appell gelungen. Ich danke ganz herzlich denen, die dafür gesorgt haben, dass mit dieser Veranstaltung die Grundlage dafür geschaffen worden ist.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Danke schön, Herr Minister. - War das eben schon Ihre Frage, Frau Byl?

(Imke Byl [GRÜNE]: Nein! - Ulrich Watermann [SPD]: Sie wollte nach der Mengenlehre fragen! - Wiard Sie- bels [SPD]: Sie wollte wissen, wer in Berlin regiert, weil ihr das entfallen war!)

Ansonsten sind Sie jetzt dran und dürfen eine Frage stellen. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass im Auricher Appell auch von der verstärkten Flächenbereitstellung für Neuanlagen und für Repowering die Rede ist, möchte ich von der Landesregierung gerne wissen: Inwiefern planen Sie verbindliche Flächenziele für das Land oder eben auch für die Landkreise?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Ist akustisch alles angekommen? Bitte sehr!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich glaube, Herrn Lies ist es gar nicht so wichtig, welche Frage genau gestellt worden ist! - Heiterkeit)