Mit der Gründung der Polizeiakademie haben wir den theoretischen Teil intensiviert, aber gerade auch die praktische Ausbildung so ausgerichtet, dass man auf die schwierigen Situationen vorbereitet ist.
Herr Becker hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Niedersachsen mit die Ersten waren, die die interkulturelle Kompetenz in die Polizei getragen haben. Aber die unglaublichen Vorfälle in der hessischen und in der nordrhein-westfälischen Polizei zeigen, dass wir uns nicht zurücklehnen und so tun dürfen, als wenn wir schon alles getan hätten.
Nun heißt es, man muss erst einmal eine wissenschaftliche Studie erstellen, um zu sehen, wie man darauf reagieren kann. Das ist irgendwie immer das Erste, was man in solchen Situationen hört. Hier betrifft es nun die Polizei. Aber es kam sogar schon der Vorschlag, dass man das Problem auch bezogen auf die Gesamtgesellschaft analysieren muss.
Das kann man sicherlich alles tun. Die Ergebnisse hätten wir dann in einem oder in anderthalb Jahren. Aber die Botschaft, die von den Vorgängen in Hessen und in Nordrhein-Westfalen ausgeht, ist doch, dass wir schon jetzt etwas tun müssen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern wir müssen unsere Polizei jetzt unterstützen.
Ich finde es auch schwierig, dass sich die Diskussion auf die Polizei konzentriert. Die Feinde der Demokratie können nämlich auch in anderen Bereichen sitzen - in der Justiz, im Bildungsbereich usw. Ich finde, wir sollten alles daransetzen, dass wir möglichst im gesamten öffentlichen Dienst niemanden haben, der extremistisch handelt. Wir müssen einerseits präventiv arbeiten, aber andererseits auch kontrollieren und diejenigen identifizieren, die extremistisch handeln. Dazu müssen wir jetzt das Rüstzeug geben.
Meiner Ansicht nach müsste in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes die Regelabfrage beim Verfassungsschutz eingeführt und als Basis für eine Einzelfallbeurteilung herangezogen werden.
Meine Damen und Herren, wir brauchen aber auch eine Stelle, die neutral ist und die Hilfestellung gibt, wie man reagiert, wenn man extremistisches Handeln mitbekommt. Insofern, Herr Dr. Genthe, will ich Ihren Vorschlag gerne mit aufgreifen, dann aber nicht bezogen auf die Polizei, sondern auf die gesamte allgemeine Verwaltung. Sie haben zu Recht angesprochen, dass es ein völlig falsches Signal war, eine Beschwerdestelle allein für die Polizei einzurichten - und sie war ja auch nicht erfolgreich.
Wir brauchen ein Hinweisgebersystem, in dem anonyme Hinweise an eine neutrale Stelle möglich sind. Im Bereich der Korruption gibt es so etwas von der Business Keeper AG; in deren System kann man mit Hinweisgeber sogar anonym kom
munizieren. Das wäre die richtige Weiterentwicklung der Beschwerdestelle. Ich glaube, dass wir dazu auch kommen werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Regelungen für die Tarifbeschäftigten und das Beamtengesetz ändern, damit wir dann, wenn wir erkennen, dass es, wie in Hessen und in NordrheinWestfalen, solche nachhaltigen extremistischen Botschaften gibt, die Möglichkeit haben, die betreffenden Personen sofort aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Das ist im Interesse derjenigen, die auf der Basis unserer Demokratie für uns und für unsere Bürgerinnen und Bürger arbeiten.
Aber es müssen natürlich auch polizeispezifische Maßnahmen umgesetzt werden. Wir müssen noch mehr als bisher gerade die Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene sensibilisieren, damit sie wissen, wie sie damit umgehen müssen. Ich glaube, da ist noch einiges zu tun.
Außerdem wäre es sinnvoll, die Angehörigen des Sozialwissenschaftlichen Dienstes, der aus meiner Sicht noch zu theoretisch arbeitet, als Mediatoren einzusetzen. Sie sind ja auch Konfliktmanager und könnten mehr auf die Ebene der Polizeibasis gehen. Die regionalen Beratungsstellen sind ja vorhanden. Aber noch einmal: Man muss auch Hilfestellung geben. Ein Mediationsverfahren muss sofort und vor Ort in Gang gesetzt werden, damit man nicht z. B. aus Frust in eine Lage gerät, in der man eigentlich gar nicht sein will.
Es wäre sicherlich auch sinnvoll, im Bereich der Polizei und dort gerade in der Personalverwaltung mehr Juristen einzustellen; denn Vollzugsbedienstete sind nicht immer in der Lage, das alles umzusetzen.
Für mich ist es auch wichtig, dass wir kontrollieren. Eine solche Kontrollpflicht ergibt sich übrigens schon aus dem Datenschutzgesetz. In Hessen wurden personenbezogene Daten widerrechtlich erhoben. Das zeigt, dass wir die Kontrollpflicht, die wir beschlossen haben, auch leben und umsetzen müssen.
Wir müssen kontrollieren, ob es bei der Polizei, aber auch in anderen Bereichen extremistische Botschaften gibt. Wenn wir erkennen, dass es sie gibt, dann dürfen wir nicht erst disziplinarisch vorgehen, sondern dann müssen wir die Betreffenden
gleich aus dem Dienst entfernen. Wir müssen den Mut haben, anlassunabhängig zu kontrollieren. Es wäre fahrlässig, darauf zu verzichten.
Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier eine breite Mehrheit dafür bekommen, um im Bereich des öffentlichen Dienstes insgesamt mehr zu sensibilisieren.
Ich will meine Botschaft in einem Satz zusammenfassen: Wir müssen mehr präventiv arbeiten, wir müssen diejenigen, die extremistisch sind, identifizieren, und wir müssen den Mut haben, sie auch aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen. Diese Maßnahmen sind jetzt notwendig. Dafür müssen wir nicht erst auf wissenschaftliche Studien warten.
Es liegt jetzt noch eine Kurzintervention der Abgeordneten Susanne Menge nach § 77 unserer Geschäftsordnung vor. Bitte, Frau Menge!
Sehr geehrter Herr Schünemann, es geht darum, die strukturellen Rahmenbedingungen zu verbessern. Sie haben eingangs Ihrer Rede gesagt, was Sie darunter verstehen. Aus meiner Sicht muss man den Begriff der Struktur aber noch weiter fassen.
Ein Beispiel ist das Bewertungssystem. Ich vermute - ich war nämlich einmal mit einem Polizisten verheiratet -, dass die soziale Kompetenz im Sinne von Kritikfähigkeit und Widerspruchfähigkeit durch die Strukturen, die innerhalb der Polizei herrschen, eher unterdrückt denn befördert wird. Das ist aus meiner Sicht auch eine strukturelle Fragestellung, aber die haben Sie in den Fragestellungen, die Sie aufgeworfen haben, nicht berücksichtigt.
Darüber hinaus geht es um die Arbeitsweise innerhalb des Teams, es geht um Korpsgeist, und es geht um die Frage, wie man in Brennpunkten arbeiten kann, in denen diese Strukturen höchstwahrscheinlich aufbrechen und in denen die Hal
tung befördert wird, dass autoritäres Verhalten gegenüber den sozialen Kompetenzen, die wir gerade aufgelistet und gefordert haben, überwiegt.
Ich glaube, dass hier eine Analyse notwendig ist, die die gesamten Strukturen aufarbeitet und nach Lösungen sucht. Es geht hier nicht um irgendeine wissenschaftliche „Wie-wir-das-immer-mal-so
müssten wir die Betreffenden identifizieren und dann aus dem Dienst entlassen. Aber wohin denn, Herr Schünemann? Und worin liegen die Ursachen? Das muss eine Strukturanalyse liefern.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Kollegin Menge, ich würde Ihnen empfehlen, meine Rede nachzulesen. Darin habe ich zehn Punkte aufgezeigt. Mir geht es nicht nur darum, etwas disziplinarisch umzusetzen, sondern ich habe sehr konkret erläutert, wie Strukturen aufgebrochen werden können und wie den Polizistinnen und Polizisten in ihrem Alltag geholfen werden kann, z. B. durch Mediation in den regionalen Beratungsstellen. Außerdem habe ich Ihnen etwas dazu gesagt, wie der Sozialwissenschaftliche Dienst breiter eingesetzt werden könnte.
Alle diese Maßnahmen sind sehr sinnvoll. Ich kenne die Polizei seit mittlerweile 20 Jahren sehr genau und habe sehr viele Gespräche geführt. Ich halte es für absolut richtig, eine verwaltungsinterne Meldestelle zu errichten, in der etwas anonym dargelegt werden kann, aber auch die Möglichkeit zu haben, anschließend z. B. durch eine Vertrauensstelle für den gesamten öffentlichen Dienst zu sensibilisieren.
Es gibt kein Erkenntnisdefizit. Da bin ich völlig anderer Auffassung als Sie. Die Polizistinnen und Polizisten brauchen konkrete Unterstützung. Wir
haben gute Rahmenbedingungen, aber wir müssen im sozialen Bereich und können genauso auch in Bezug auf die disziplinarische Ordnung noch besser werden. Das ist die richtige Antwort.
Ich möchte nicht erst ein Jahr warten, bis ich irgendeine Studie habe, sondern ich kann jetzt reagieren - denn die Probleme in Hessen und Nordrhein-Westfalen sind jetzt aufgetaucht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann überhaupt keinen Zweifel geben: Extremismus und Rassismus haben in der Polizei nichts zu suchen!