Kritisch bleibt auch noch anzumerken, dass der Topf nicht so groß ist, wie die Kollegin Hamburg heute Morgen schon vorgerechnet hat - das Argument, das gestern schon angeführt wurde, dass das besser als nichts sei und wir das deshalb erst mal machen, na ja -, und dass es so lange gedauert hat, die Förderkriterien zu formulieren. Von diesem Programm ist schon quasi seit Monaten die Rede. Das hat sehr lange gedauert. Es bleibt sehr zu hoffen, dass wenigstens die Genehmigung der Anträge deutlich schneller geht. Aber die Richtung stimmt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Corona-Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die viele Bereiche des sozialen Lebens und des Miteinanders berührt. Kunst und Kultur sind gerade in schwierigen Zeiten elementar. Gewohnte und liebgewonnene Strukturen geraten unter Druck und stoßen an ihre Grenzen. Kunst und Kultur schaffen Räume für Kritik und bieten Anregungen zum Nachdenken und zur Reflexion, gerade auch in Zeiten einer Pandemie mit all ihren psychosozialen Folgen.
In dieser schwierigen Zeit mit einem leider dynamischen Infektionsgeschehen und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen ist die Politik besonders gefordert, klug und mit Augenmaß zu
reagieren. Arbeitsplätze und Existenzen werden z. B. durch das Kurzarbeitergeld gesichert. Dieses und weitere arbeitsmarkt- und sozialpolitische Instrumente sind auf die Beschäftigungsformen des Normalarbeitsverhältnisses einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers abgestimmt. Doch daneben existieren noch weitere, teils prekäre Beschäftigungsformen, die vielfältige Lebenswirklichkeiten abbilden, mit entsprechend notwendigen Konsequenzen für unsere Sozialversicherungssysteme.
Kulturschaffende und insbesondere Soloselbstständige müssen sich selbst eine Altersvorsorge aufbauen, die nach geltendem Recht aufgebraucht werden muss, bevor sie in die Grundsicherung gelangen können. Das ist ein Problem, das wir auf Landesebene nicht lösen können. Es existiert zudem auch kein Äquivalent zum Kurzarbeitergeld für Soloselbstständige. Die Sozialversicherungssysteme in Deutschland, so stellen wir fest, sind wirklich sehr gut, aber sie halten nicht mehr mit den Entwicklungen unserer diverser werdenden Gesellschaft mit. Deshalb müssen mit den finanziellen und politischen Möglichkeiten des Bundes diese Systeme so reformiert werden, dass sie den sich wandelnden Lebenswirklichkeiten entsprechen.
Die Einkommenssituation der Soloselbstständigen in der Kulturbranche ist seit der Pandemie dramatisch. Viele Künstlerinnen und Künstler mussten seit März auf Veranstaltungen und damit ihr komplettes Einkommen verzichten. Erst seit Kurzem sind Veranstaltungen mit einem strengen Hygienekonzept und einer deutlich reduzierten Anzahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern möglich, und die Perspektiven sind leider nicht sonderlich rosig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Programm „Niedersachsen dreht auf“ werden Maßnahmen getroffen, um den Soloselbstständigen und der Kulturbranche in dieser prekären Situation zu helfen. Dafür hat allein das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in den engen Grenzen seines Haushaltes 10 Millionen Euro vorgesehen. Ziel dieses Programmes ist es, mehr kulturelle Veranstaltungen unter den erschwerten Bedingungen möglich zu machen.
Das Programm verfolgt den Ansatz, durch diese Veranstaltungen und Auftritte die Kulturszene zu unterstützen. Denn aus sehr vielen persönlichen Gesprächen wissen wir, dass für eine Menge der betroffenen Personen die bisherigen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen nicht unbedingt passgenau waren. Aber wir kennen genauso den in
Kreativität braucht Sicherheit, aber insbesondere auch Autonomie, damit sie sich entfalten und wirken kann. Kulturveranstaltern soll mit diesem Programm die Sicherheit gegeben werden, dass sie wieder Verträge mit Soloselbstständigen abschließen können. Auch für Soloselbstständige, die im nicht öffentlichen Bereich tätig sind, greift dieses Programm. Zwar bietet es keine Lösung für die vielfältigen Probleme mit der Grundsicherung und deren Durchführung, aber es ist ein Anfang, wieder aufdrehen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe mit den Worten August Everdings - und es gibt ein Freigetränk für jeden und jede, der oder die ohne Google weiß, wer das war -:
„Kultur arbeitet Vergangenheit auf, lebt Gegenwart und bereitet Zukunft vor. Nein, mehr, die Kultur ist die Zukunft, die heute noch nicht begriffen wird.“
Danke schön, Frau Kollegin Naber. - Jetzt hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Eva Viehoff. Bitte schön, Frau Kollegin!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern schon in der Debatte über den von Bündnis 90/Die Grünen zur Aktuellen Stunde gestellten Antrag die Situation der Mehrheit der Soloselbstständigen hier sehr deutlich gemacht.
Das Programm ist, wie ich gestern schon gesagt habe, für Veranstalterinnen und Veranstalter sicherlich sehr hilfreich. Aber ich habe gerade ein Gespräch im Bereich der Soziokultur gehabt, und dort wurde mir berichtet: Ja, das ist mal ein Weg, Aber eigentlich sind wir pleite, wenn wir dieses Programm in Anspruch nehmen, weil Overheadkosten im Programm „Niedersachsen dreht auf“ eben nicht mitgerechnet werden. Das heißt, Personalkosten, die man braucht, damit jemand das Licht anmacht, damit jemand das Licht ausmacht, damit jemand Plakate druckt, Plakate aufhängt und eventuell auch jemand hinter einer Bar steht und ein alkoholfreies Getränk - nach der jetzigen Verordnung bei Veranstaltungen mit mehr Zuschaue
rinnen und Zuschauern - verkauft. Dafür müssen Menschen aus der Kurzarbeit geholt werden. Diese Mittel werden im Programm „Niedersachsen dreht auf“ nicht übernommen.
Auch die Künstlerinnen und Künstler, die Soloselbstständigen, haben Fragen an das Programm, nämlich ob das Geld, das dort zur Verfügung gestellt wird, tatsächlich zu 100 % zur Aufstockung von Engagementgagen genutzt wird oder ob der Veranstalter, wie eben dargestellt, nicht einen Teil davon zurückhalten muss, um auch nur halbwegs auf seine Kosten zu kommen.
Hier gibt es also noch viele Fragen. Mir liegen auch Mails vor, wonach es anscheinend immer noch nicht klar ist, wie die Förderrichtlinien lauten, und wonach Soloselbstständige von A nach B - um nicht zu sagen: von Pontius nach Pilatus - geführt wurden, weil niemand, weder das Musikland noch andere Verbände, konkret sagen konnten, was man dazu beibringen muss.
Es ist sicherlich richtig, dass dieses Programm Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit verschafft, zu einem gewissen Anteil wieder zu arbeiten. Aber das Problem ist doch - und darauf habe ich gestern schon einmal hingewiesen -, dass sie dafür eigentlich erst aus ihrer Hartz-IV-Förderung herauskommen müssten. Denn solange sie noch in Hartz IV sind, müssen sie von diesem Geld - weil es ihnen bis zu 100 % angerechnet wird - eventuell wieder alles abgeben, bis auf die besagten 140 Euro.
Herr Minister Thümler hat gestern in seiner Rede gesagt: „Es sind 10 Millionen Euro bei uns“ - da frage ich mich, wieso Sie eigentlich die 10 Millionen Euro Kofinanzierung für die Bundes- und Europamittel unterschlagen - „und 220 Millionen Euro im MW.“ Wir sehen - ich spreche vom zweiten Nachtragshaushalt -, dass die 120 Millionen Euro für die Gastronomie und den Tourismus sind, und das kann ja nur die Musikkneipe betreffen. Aber vielleicht bekommen wir da vom Minister ja noch Klarheit.
Und dann gibt es da einen 100-Millionen-EuroNotfallfonds. Da ist meine Frage an das Wirtschaftsministerium: In welchem Rahmen haben die Veranstaltungswirtschaft und die Kultur darauf Zugriff, in welchem Rahmen liegen die Anträge für genau diesen Bereich vor, und wie viel Geld geht in diesen Bereich? - Davon hängt ja auch ab, wie gut die Veranstaltungswirtschaft und die Künstle
Ich möchte noch einmal betonen: Wenn wir die Kultur - die für uns wichtig ist, weil sie die Demokratie sicherstellt, indem sie die Möglichkeit gibt, sich mit gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen - in ihrer gesamten Vielfalt bis zum Ende der Pandemie erhalten wollen, dann brauchen wir eine Unterstützung dieser Soloselbstständigen, und zwar jeder und jedes Einzelnen.
Dazu haben wir - auch wenn Herr Hillmer meint, wir hätten wieder einmal nichts beantragt - schon im April einen Antrag gestellt!
Dieser Antrag ist allerdings immer noch in der Beratung, weil wir - wen wundert’s? - immer noch auf den Änderungsvorschlag der Großen Koalition warten.
In diesem Antrag schlagen wir sehr deutlich vor, dass - wie immer man das nennen möchte, meinetwegen auch, wenn ich zur FDP gucke, „Unternehmer*innen-Lohn“; ich bin bei allem dabei -, den Soloselbstständigen entweder mindestens 1 180 Euro für den Lebensunterhalt angerechnet werden oder dass das Land Niedersachsen einspringt und ihnen endlich diesen Pfändungsfreibetrag zur Verfügung stellt, damit sie leben können.
Danke, Frau Kollegin Viehoff. - Für die Landesregierung hat sich der Wissenschaftsminister Björn Thümler zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern schon einmal allgemein über das Thema sprechen können. Heute geht es konkret um das Programm für Soloselbstständige.
Die Landesregierung will mit diesem Programm zur Vitalisierung der Kulturszene beitragen. Allerdings werden wir unseren Beitrag nicht in Form eines Grundeinkommens für jede Künstlerin und jeden
Künstler in diesem Land leisten können. Um nur einmal die Dimension zu verdeutlichen: Wenn man das, was Sie gerade gesagt haben, machen wollte, bräuchte man 100 Millionen Euro pro Monat. Ich weiß nicht, Frau Viehoff, in welchem Haushalt Sie das zusammenklauben wollen. In meinem Haushalt gäbe es das nicht. Sollte es im Keller des MF zufällig eine Gelddruckmaschine geben, wäre ich für einen Hinweis dankbar; dann könnten wir sehr schnell etwas zusammen machen.
Das, was Sie gerade gesagt haben, ist völlig illusorisch, und so wird es auch in anderen Bundesländern nicht gemacht. Dort rudert man kräftig zurück, weil es eben nicht funktioniert.
- Es ist kein Allheilmittel. Und gerade in BadenWürttemberg gibt es deswegen erheblichen Stress in der Kulturszene, weil die Wirkung nämlich sehr zweifelhaft ist. Die dortigen Kollegen rudern in einer atemberaubenden Geschwindigkeit zurück und gehen den Weg, den wir gehen, nämlich die Kulturszene so zu vitalisieren, dass Leistung und Gegenleistung korrespondieren und dementsprechend auch etwas auf die Straße kommt, anstatt so zu tun, als ob es eine Staatskultur gebe - die es in Deutschland in der Form Gott sei Dank nicht gibt.
Ich will an das anschließen, was der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat und was Herr Jasper und Frau Naber auch schon ausgeführt haben.
Der Kern des neuen Programms in der Förderrichtlinie „kulturelle Veranstaltungen“ ist, dass Soloselbstständige unterstützt werden - und Soloselbstständige sind dabei nicht nur Künstlerinnen und Künstler, sondern auch andere, die um die Künstlerinnen und Künstler herum einen Beitrag leisten, wie Tontechniker, Lichttechniker usw. Alle die können in diesem Paket abgerechnet werden: durch den Veranstalter, der es beantragen muss, im Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“, zu 100 % finanziert durch das Land Niedersachsen mit einer Kostenobergrenze von 30 000 Euro.
Diese Regelung, meine Damen und Herren, ist doch ziemlich klar, und ich weiß auch nicht, warum man hier von Pontius zu Pilatus müsste. Um seinen Antrag zu stellen, muss man zu den Landschaften bzw. Landschaftsverbänden gehen. Dort wird man beraten. Auch das Musikland Niedersachsen macht das so. Da hat es vor Kurzem eine Konferenz mit mehreren Hundert Beteiligten gegeben, in der sie genau darauf noch einmal hingewiesen worden sind.
Deswegen ist das, was Sie hier sagen, Frau Viehoff, falsch, und ich würde Sie auch bitten, das nicht ständig zu wiederholen, weil damit die Verunsicherung in der Szene größer wird.
- Wir machen genau das, weil wir mit den Leuten reden, im Übrigen auch mit AKKU, mit der Soziokultur und mit vielen anderen. Die wissen aus den Verbänden heraus ganz genau, wo sie ihre Leute hinschicken müssen, um dieses Geld zu beantragen.