Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulz-Hendel. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Jörg Bode das Wort.
- Das waren eben genau fünf Minuten. Die CDUFraktion, Herr Toepffer, hat noch eine Restredezeit von 28 Sekunden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, unsere Innenstädte werden aufgrund der Corona-Krise in ein noch schwierigeres Fahrwasser geschickt, als es vorher schon der Fall war. Das gilt insbesondere für die Zentren und den Einzelhandel in unseren mittelgroßen Städten, aber auch in den kleinen Städten und Grundzentren.
Die Strukturen werden angegriffen durch einen Onlinehandel, der aufgrund einer anderen Preisgestaltung enorme Marktvorteile hat, aber auch durch immer schärfer werdende Auflagen und auch durch ein verändertes gesellschaftliches Verhalten; das darf man an dieser Stelle auch nicht verschweigen.
Deshalb ist es sinnvoll, dass wir alles tun, um das Veröden von Innenstädten zu verhindern, und zwar parteiübergreifend und auch ebenenübergreifend. Das kann nicht der Landtag alleine; da ist auch kommunales Engagement erforderlich.
Die FDP hatte bereits in der letzten Legislaturperiode hierzu einen Entschließungsantrag eingebracht, der aber nicht mehr zu Ende beraten werden konnte. Allerdings hat die Landesregierung bis dato von den Anstößen nichts aufgegriffen; zumindest ist nichts wirklich umgesetzt worden.
Ein wesentlicher Punkt ist, dass man die analoge Innenstadtwelt digitaler machen muss. Es muss eine vernünftige Internet-Anbindung geben, freies WLAN etc. Da gibt es natürlich im Masterplan Digitalisierung die Ansätze. Aber wir sind beim Ausbau noch nicht dahin gekommen, zumindest nach meiner Wahrnehmung nicht - vielleicht bin ich auch immer in den falschen Innenstädten; das kann ja auch sein -, dass man sagen kann: Da sind wir schon so weit, dass es Spaß macht, in der Innenstadt Digitalangebote vorzuhalten und sie zu nutzen. Wir brauchen ähnliche Wettbewerbe wie „Ab in die Mitte!“. Wir brauchen Best-Practice-Beispiele für die Verknüpfung von digital und analog oder aber auch für die Verknüpfung von Events mit dem Einkaufen. Das fehlt tatsächlich auch, um voranzukommen.
Wir müssen vernünftige Sondernutzungsregelungen und Denkmalschutzregelungen schaffen, damit sich Innenstädte wirklich entwickeln können und an das geänderte Gesellschaftsbild und an das gesellschaftliche Handeln herankommen können.
Lieber Kollege Schulz-Hendel, die Erreichbarkeit von Innenstädten ist ein wichtiges Thema, und zwar nicht fokussiert auf ein Gegeneinander von Fußgängern, Fahrradfahrern und Autofahrern, sondern auf ein Miteinander. Das muss in Einklang gebracht werden. Das gilt natürlich auch für die Lkw für den Lieferverkehr. Wir brauchen Logistikkonzepte, die sowohl Anliefer- als auch Ablieferverkehr für die Geschäfte ermöglichen, als auch den Anliefer- und Ablieferverkehr für Kunden ermöglichen, die nicht mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Das ist ein wesentlicher Hemmschuh.
Wir brauchen aber auch die Möglichkeit, dass Kunden ins Geschäft gehen können. Da ist ein pauschales Verbannen von Autos aus Innenstädten vielleicht eine schöne Forderung, aber nicht der zielführende Weg; denn es gibt ganz viele Menschen, die mit Handicap unterwegs sind und
eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl brauchen. Für sie ist ein möglichst nahes Herankommen an den Innenstadtbereich durchaus wichtig. Das ist im eigenen Auto manchmal einfacher als im ÖPNV. So ehrlich muss man bei der Diskussion sein. Wir wollen niemanden aus der Innenstadt aussperren oder eine künstliche Hürde aufbauen. Hier müssen wir mehr tun. Das muss eine gemeinsame Initiative von Land und kommunaler Ebene sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Toepffer hat es richtig gesagt: Das sind alles lang- oder mittelfristige oder zumindest später einsetzende Maßnahmen, mit denen wir die Corona-Effekte, die zu einem dramatischen Sterben von Geschäften sowohl im Handel als auch in der Gastronomie führen werden, nicht kurzfristig erfolgreich bekämpfen können.
Da ist es durchaus sinnvoll - das ist von vielen schon vorgeschlagen worden -, ein Event-Einkaufen durch zusätzliche Sonntagsöffnungen ins Gespräch zu bringen. Ich freue mich, dass die CDU hier solch eine Flexibilität an den Tag legt. Ich würde mich freuen, wenn das demnächst vielleicht auch für Roboter in Autowaschanlagen gelten würde. Auch Tankstellen haben hier durchaus Nachteile. Ich garantiere, Herr Kollege Toepffer, wenn Sie das machen, kriegen Sie auch ein paar Würstchen vom Kollegen Schminke, dass seine alte Forderung von Ihnen aufgegriffen wird. Denken Sie vielleicht noch einmal darüber nach!
Die Frage der Sonntagsöffnungen ist nicht überraschend neu. Woanders wird das auch diskutiert. In Dresden hat die FDP beispielsweise den Antrag eingebracht, zwei weitere Sonntagsöffnungen in einem Stadtteil umzusetzen. Bedauerlicherweise wurde der Antrag in geänderter Form beschlossen. Grüne und AfD haben gemeinsam mit den Linken nicht die zwei Sonntagsöffnungen beschlossen, sondern das Internet für zwei Tage abschalten lassen. Ich hoffe nicht, dass das im Niedersächsischen Landtag die Folge Ihrer Initiative wird.
Ansonsten kann die Sonntagsöffnung auch ein sinnvolles Instrument sein, wenn man sie umsetzt. Da müssen wir ehrlich miteinander sein, Herr Kollege Toepffer. Es gibt eine verfassungsgerichtliche Rechtsprechung: Es ist nicht zulässig, Sonntagsöffnungen ohne Anlass durchzuführen. Corona ist kein vom Verfassungsgericht akzeptierter Anlass. Wir können dies also nur rechtlich sicher machen, wenn wir das Grundgesetz und damit die Weimarer Reichsverfassung ändern. Herr Kollege Toepffer, ich ahne, das wird kurzfristig nicht passieren.
Der einzig gangbare Weg ist: Wo kein Kläger, da kein Beklagter! Das ist auch ein althergebrachter Rechtsgrundsatz. Hier muss man feststellen, dass sowohl SPD und Grüne, aber vor allen Dingen die Gewerkschaften gesagt haben, sie wollen das nicht akzeptieren und würden klagen. Dass ver.di damit den eigenen Mitgliedern einen Bärendienst leistet, weil sie nämlich wirtschaftliche Chancen ihrer Arbeitgeber zerstört, ist auch klar. Ich bedaure das sehr.
Ohne einen gesellschaftlichen Konsens wird es nicht gehen. Da es hier nicht geht, müssen wir dringend nach anderen Lösungen suchen.
Vielen Dank Ihnen. - Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Abgeordneten Frank Henning. Bitte schön, Herr Kollege Henning!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Umsatzeinbrüchen begegnen - stationären Einzelhandel in Niedersachsen stärken“. Ja, es stimmt, da sind wir uns einig: Der innerstädtische Einzelhandel steht vor großen Problemen, und das nicht erst seit Corona, sondern schon lange Zeit davor. Onlinehandel macht stationärem Einzelhandel schwer zu schaffen. Man sieht es täglich auf der A 2. Die rechte Spur ist zum Warenlager verkommen. Jüngstes Beispiel: Galeria KaufhofFilialen in Hannover, Braunschweig und Osnabrück sollen geschlossen werden. 300 Arbeitsplätze sind allein in diesen Großstädten in Gefahr. Bundesweit sind 6 000 Arbeitsplätze betroffen. Dazu kommt zusätzlich Corona: Umsatzeinbrüche,
Ich kann also die 16 Oberbürgermeister niedersächsischer Groß- und Kleinstädte sehr gut verstehen, wenn sie sich in einem Offenen Brief an unseren Ministerpräsidenten Stephan Weil für die Rettung der Innenstädte starkmachen und natürlich auch auf die Situation des Einzelhandels verweisen. Auch aus Arbeitnehmersicht kann eine weitere Öffnung an Sonntagen durchaus sinnvoll sein: Angst vor Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit, deutlich weniger Geld. Ich kann verstehen, dass
Meine Damen und Herren, das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Einerseits gibt es die Oberbürgermeister und die Mitarbeiter - etwa im Textileinzelhandel -, die durch den Lockdown und Gehaltseinbußen schwer mit diesen Schließungen zu kämpfen haben. Andererseits gibt es aber auch die Verkäuferinnen im Lebensmitteleinzelhandel, die über Monate Überstunden gemacht, sich den genervten Kunden gestellt und einer erhöhten Virusgefahr ausgesetzt haben. Diese Verkäuferinnen sollen nun zum Dank zusätzlich auch noch am Sonntag arbeiten. Das sind zwei Seiten einer Medaille, meine Damen und Herren, die es sorgfältig abzuwägen gilt.
Maskenpflicht macht keine Lust auf Einkaufen. Und wo soll eigentlich die zusätzliche Kaufkraft herkommen? Die Mehrheit der Arbeitnehmer bekommt zurzeit 60 % Kurzarbeitergeld.
Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich Ihnen sehr deutlich, was mit der SPD-Landtagsfraktion nicht zu machen ist: Wir werden keiner Änderung des Ladenschlussgesetzes zustimmen. Anlasslose Sonntagsöffnungen wird es mit uns nicht geben. An dieser Stelle muss ich die 16 Oberbürgermeister leider enttäuschen.
Das Gesetz, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, aber auch unsere Verfassung - Herr Bode hat es sehr richtig dargestellt - sind eindeutig. Der Sonntagsschutz hat Verfassungsrang. Die Ladenöffnung an einem Sonntag ist nur dann gerechtfertigt, wenn es einen hinreichenden Sachgrund, also einen Anlass dazu gibt. Das wirtschaftliche Interesse der Unternehmen oder auch das ShoppingInteresse einzelner Kunden genügen da nicht. Daran werden wir als SPD-Fraktion nicht rütteln, meine Damen und Herren.
Etwas anderes sind freiwillige Vereinbarungen, wenn Kommunen, Gewerkschaften und Arbeitnehmer sich einig sind. Herr Minister Althusmann, ich spreche Sie direkt an: Warum greifen Sie den Ball von ver.di nicht auf? ver.di hat überhaupt kein
Problem damit, am Sonntag anlässlich von Kunst- und Kulturveranstaltungen zu öffnen, die z. B. auch den Corona-Kriterien genügen: Abstand, kleinere Veranstaltungen und weniger Menschen.
Der Töpfer-Markt in Leer ist ein gutes Beispiel dafür. Anlässlich des Töpfer-Marktes in Leer wurden die Geschäfte mit Zustimmung von ver.di auch am Sonntag geöffnet. Es geht, wenn man sich auf kommunaler Ebene einig ist. Man muss halt miteinander reden, meine Damen und Herren. Das ist letztendlich auch im Interesse des Einzelhandels vor Ort. Denn was nützt eigentlich den Einzelhändlern vor Ort, die mit großem Aufwand Sonntagsöffnungen vorbereiten, wenn ver.di dann dagegen klagt und eine gerichtliche Untersagung in letzter Minute vor der geplanten Sonntagsöffnung eingeht? Das hilft niemandem.
Noch einmal, Herr Minister Althusmann: Greifen Sie den Ball von ver.di auf! Kommen Sie zu freiwilligen, einvernehmlichen Einigungen! Kreieren wir gemeinsam Anlässe, um Sonntagsöffnungen mit gesetzlicher Zustimmung zu erreichen!
Herr Minister, ich sage Ihnen auch als Vertreter der SPD-Fraktion, die sich den Schutz der Arbeitnehmerrechte und die gute Arbeit auf die Fahnen geschrieben hat: Mir ist schleierhaft, wie man in dieser Situation, wo man doch bei Sonntagsöffnungen auf das Wohlwollen von ver.di angewiesen ist, ver.di derartig vor den Kopf stoßen kann. Ich spreche die Verfügung vom Montag an, mit der Sie den Dumpinglohn-Tarifvertrag zwischen GVN und GÖD anerkannt haben.
Das Tariftreuegesetz wird dazu ausgehebelt. Es wird weniger als 50 % Lohndifferenz hoffähig gemacht. Das kann nicht das Vertrauen von ver.di und auch nicht das Vertrauen - das sage ich hier sehr deutlich - der größten Fraktion hier im Hause finden, Herr Dr. Althusmann. Wir haben hier ein Problem miteinander. Das werden wir gemeinsam miteinander besprechen müssen. Ich halte das für eine krasse Fehlleistung an der Stelle.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henning. - Jetzt erteile ich das Wort dem Minister Dr. Bernd Althusmann. Bitte schön!
- Ich möchte noch einmal darum bitten, dass etwas Ruhe einkehrt, damit wir dem Herrn Minister folgen können.