Aber kommen wir noch einmal zurück: Welches sind die Gründe? - Ich habe mir mal ein bisschen durchgeguckt, wer hier schon alles Anträge zu diesem Thema gestellt hat. Herr Bode war öfter mit dabei. Das war 2017. Die Gründe sind immer noch die gleichen. Warum gehen die Leute nicht mehr in die Innenstadt? - Es ist ganz klar: Erstens. Die Sicherheit in den Zentren hat immer mehr nachge
lassen. Gerade auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln, gerade auch in Hannover, fährt auch immer Angst mit.
Zweitens. Die gewollte Verknappung von Parkraum und die exorbitanten Parkgebühren führen dazu, dass aus dem Umland immer weniger Menschen zum Einkaufen in die Innenstädte fahren.
Drittens. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren auch deshalb weniger Menschen in die Stadt, weil Fahrpläne massiv ausgedünnt wurden. Da sind wir bei den Geldern, die Sie dem ÖPNV zur Verfügung stellen. Teilweise braucht man übrigens in der Region Hannover über drei Stunden, um aus den Randgebieten in die City und zurück zu kommen.
Viertens. Dafür gibt es jetzt mehr Fahrradbügel, die man aber nicht mehr von Schrottsammelstellen unterscheiden kann.
Fünftens. Von der Digitalisierung unserer Städte wollen wir erst gar nicht sprechen. Digitalcoaches und Ähnliches: Fehlanzeige!
Die Aufzählung könnte man noch beliebig fortsetzen. Ihr Nichthandeln versucht, mit Nachtragshaushalt und schnell gestricktem Konjunkturprogramm zuzukleistern, was vorher schiefgelaufen ist.
Meine Damen und Herren, die Unternehmer und ihre Mitarbeiter sorgen für gefüllte Staatskassen. Die Einzelhändler stehen sich aber zunehmend im wahrsten Sinne des Wortes die Füße platt und warten darauf, dass Sie die Steuern senken, Sozialversicherungsbeträge sinnvoll begrenzen und auf diese Weise für, gemessen an der Wirtschaftsleistung, auskömmliche und nachhaltig steigende Löhne sorgen. Das kurbelt die Binnennachfrage an.
Deutschlandweit betrachtet, arbeiten ungefähr 14 % aller Erwerbstätigen im Einzelhandel und erwirtschaften 11,3 % des Bruttoinlandsprodukts. In Niedersachsen sind 235 000 Arbeitnehmer im Einzelhandel tätig. Das sind beeindruckende Zahlen und Leistungen.
Grundgesetzes über den Bundesrat auch tätig werden. Verweisen Sie nicht auf Ihre Kollegen in Berlin, sondern machen Sie sich ruhig einen Namen als geniale Impulsgeber, oder machen Sie sich unbeliebt! Die Bürger dürfen jedenfalls mit einem von beidem rechnen.
Abschließend zu unseren Ex-Mitregierenden von Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen wollten die Innenstädte im wahrsten Sinne des Wortes kaltschnäuzig kaltstellen. Herr Onay möchte die autofreie Innenstadt.
Wie wird dann transportiert? Wie kriegt man, gerade als älterer Mensch, seine Einkaufstüten nach Hause? Wenn man die Grünen wirklich auf die Innenstädte loslässt, dann brauchen wir keine Programme für den Erhalt des stationären Einzelhandels mehr; denn der Einzelhandel in den Innenstädten wird dann mit einem grünen Trauerflor beerdigt.
Zum Schluss noch ein allgemeiner Hinweis: Ich glaube, die Einkaufsfreude in unseren Innenstädten steigt auch wieder, wenn Sie vielleicht in Erwägung ziehen, endlich die Maskenpflicht abzuschaffen.
Die nächste Wortmeldung liegt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor: Abgeordneter Detlev Schulz-Hendel. Bitte schön! - Jetzt kommt jemand mit viel Erfahrung, wie man mit dem ÖPNV in die Stadt kommt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal bin ich der CDU, Herr Toepffer, sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt hat, gibt es mir doch
die Möglichkeit, Herrn Minister Althusmann noch einmal deutlich zu sagen, dass der Schutz des Sonntags im Grundgesetz verankert ist.
Herr Minister, wir lassen den Ausverkauf dieses Grundrechts unter dem Deckmantel der CoronaKrise nicht zu!
Natürlich können wir die Sorgen und Nöte der Städte und auch des Handels verstehen. Aber ich sage ganz deutlich: Zusätzliche Sonntagsöffnungen sind keine geeigneten Maßnahmen zur Ankurbelung des Konsumverhaltens. Die Not des Handels wird dadurch nicht gelindert. Denn das vorhandene Geld - Herr Toepffer, wenn Sie ein bisschen rechnen können, sollten Sie das auch verstehen - kann nur einmal ausgegeben werden. Die Menschen in Niedersachsen halten ihr Geld in der Krise verständlicherweise eher zusammen.
Wenn jemand möglicherweise einen Nutzen von Sonntagsöffnungen hat, dann sind das allenfalls große Handelsketten, aber es ist nicht der regionale Handel, der unsere Unterstützung am meisten benötigt.
Gerade hier aber droht nach wie vor eine Pleitewelle, die insbesondere die wichtigen lokalen kleineren Handelsbetriebe trifft. Die langfristige Folge wären handelsleere Innenstädte, und auch hier wären insbesondere kleinere Städte und ländlich geprägte Grundzentren in Niedersachsen betroffen. Wir erleben derzeit eine immer stärker werdende Verlagerung hin zum Onlinehandel und einen weiteren Anstieg der Marktmacht von Amazon & Co. mit zum Teil sehr prekären Arbeitsverhältnissen.
Neben dem Einzelhandel ist aber auch die Gastronomie betroffen. Das Konsumklima hat sich deutlich verschlechtert und bis heute nicht nachhaltig erholt. Wir brauchen jetzt massive Anstrengungen, um die Konjunktur zu stabilisieren und somit den Handel und die Gastronomie zu stärken. Es sind vor allem Maßnahmen notwendig, die viele Menschen erreichen. Unsere Bundestagsfraktion - daran möchte ich an dieser Stelle erinnern - hatte dazu einen Kauf-vor-Ort-Gutschein gefordert, der in allen Handelsläden und in der Gastronomie vor
Ort hätte eingelöst werden können, nicht aber im Rahmen des Onlinehandels und nicht in Geschäften, die nicht vom Shutdown betroffen waren.
Meine Damen und Herren, das wäre zielgerichteter gewesen als eine pauschale Mehrwertsteuersenkung, bei der erstens nicht klar ist, ob sie 1 : 1 flächendeckend an die Kundinnen und Kunden weitergegeben wird, und zweitens in den allermeisten Handelsbetrieben - darüber sollten Sie mit den Handelsbetrieben einmal reden - einen hohen bürokratischen Aufwand mit weiteren erheblichen zusätzlichen Kosten bedeutet.
Was wir jetzt vielmehr brauchen, ist eine Unterstützung des Handels mit Digitalisierungsmaßnahmen und Logistikkonzepten, um dabei zu helfen, dass gerade der regionale Handel krisenfester wird.
Dann wäre da noch die Diskussion über mehr Autofreiheit - wir haben es gerade wieder gehört - und wegfallende Parkplätze in den Innenstädten. Es ist bedauerlich, dass diese Diskussion - von der einen Partei will ich gar nicht sprechen, aber auch von der CDU - immer nur defizitorientiert geführt wird. Es wird immer nur darüber geredet, dass so etwas wie Parkplätze - oh wie schlimm! - wegfallen soll. Es wird aber zu wenig darüber geredet, welcher Zugewinn sich für den Erlebnisraum Innenstadt ergibt.
Gerade in Städten wie Hannover, aber auch in kleineren Städten wie z. B. Lüneburg gibt es immer weniger Versorgungseinkäufe. Vielmehr geht es mehr und mehr um das Erlebnis. Wenn der stationäre Handel eine Zukunftschance haben soll, braucht man also mehr Erlebnisflächen statt mehr Parkraum. Es gibt dazu unterschiedliche Forschungen - diese sollten Sie sich auch einmal zu Gemüte führen -, die deutlich belegen: ÖPNVNutzerinnen und -Nutzer, Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, Fußgängerinnen und Fußgänger gehen öfter einkaufen und machen, auf eine Woche heruntergerechnet, den größeren Umsatz als Autofahrerinnen und Autofahrer.
Was wir brauchen, ist also deutlich mehr Platz für das Rad und den Fußgängerverkehr und nicht zusätzliche verkaufsoffene Sonntage.
Wegfallende Parkplätze können auch für mehr Platz in der Außengastronomie sorgen; denn viele Menschen fühlen sich derzeit in der Gastronomie nur dann wohl, wenn sie draußen sitzen können. Das hilft der Gastronomie in der Krise viel wirkungsvoller.
Lassen Sie uns also den stationären Handel mit nachhaltigen Konzepten und neuen Ideen unterstützen und nicht mit dem plumpen Versuch, den Sonntag als schützenswerten Tag dauerhaft zu opfern!