Vielen Dank, Herr Präsident. - Aber Sie müssen doch zugeben, dass eine solche Prüfung, ob weniger einschränkende Maßnahmen möglich sind, um diese Missstände zu beheben, ergeben würde: Nein! - Alle haben ja heute Morgen gesagt, dass die Selbstverpflichtung etc. nicht gewirkt hat.
Danke schön. - Wir setzen die Beratung fort. Jetzt ist die CDU-Fraktion an der Reihe. Frau Kollegin Hövel, bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Ausbrüche von COVID-19 in großen Schlachtbetrieben in Niedersachsen und im angrenzenden Nordrhein-Westfalen bestürzen uns alle - nicht nur, weil sie eine gesundheitspolitische Gefahr sind, sondern auch, weil sie uns wieder einmal daran erinnern, dass die Arbeitsbedingungen in der Schlacht- und Zerlegeindustrie zu oft menschenunwürdig sind.
Wir haben hier deutlich zu lange weggeschaut. Statt mit strikten Kontrollen und gesetzlichen Maßnahmen gegen diese Missstände vorzugehen, wurde zu lange darauf vertraut, dass freiwillige
Denn die schlechten Arbeitsbedingungen betrafen die wenigsten von uns direkt. Auch die Tuberkulosefälle in den Jahren 2017 und 2018 waren für den Großteil der Bevölkerung nicht weiter gefährlich. Mit Corona hat sich das alles geändert.
Die Arbeits- und Wohnbedingungen der Beschäftigten in der Fleischbranche mussten erst zu einer Gefahr für die Allgemeinheit werden, bis sie von allen ernst genommen wurden. Dabei wurde schon häufig genug auf Missstände hingewiesen. Unter anderem haben die Gewerkschaften, die Kirchen und die Sozialverbände auf die Probleme hingewiesen: auf die Umgehung von Mindestlöhnen, auf die Vernachlässigung von Arbeitsschutzstandards und die menschenunwürdige Unterbringung in Sammelunterkünften. Das muss sich ändern, und das wird sich ändern.
Der Zehn-Punkte-Plan, den unsere Landesminister Bärbel Otte-Kinast und Bernd Althusmann zusammen mit ihren Kollegen aus Nordrhein-Westfalen ausgearbeitet haben, und die Unterstützung der Beschlüsse des Bundeskabinetts werden dazu entscheidend beitragen. Es ist die Frage zu klären, wie man verhindern kann, dass Kernbereiche eines Unternehmens fast ausschließlich durch Werkverträge und Subunternehmertum abgewickelt werden.
Es wird sich zeigen, wie ein Verbot von Werkverträgen in dieser Branche umgesetzt werden kann. Schlachten und Zerlegen sollen zukünftig nur noch von eigenen Mitarbeitern geleistet werden. Die weiteren Details - das hat die Diskussion schon gezeigt - müssen geklärt werden. Herr Minister Althusmann hat das ausgeführt.
Es ist nicht akzeptabel, wenn Menschen unter Mindestlohn verdienen oder wenn ihnen von diesem Mindestlohn angebliche Kosten abgezogen werden.
Auch gegen teilweise massive Überstunden ohne angemessene Entlohnung wollen wir vorgehen. Dafür benötigen wir eine manipulationssichere Erfassung der Arbeitszeit. Dies muss durch ein engmaschiges Kontrollnetz ergänzt werden. Der Zoll, die Gesundheitsämter und die Veterinärmediziner müssen hier eng abgestimmt agieren.
Wir müssen auch die Hygienestandards verbessern und die Filteranlagen optimieren, um Corona und anderen Epidemien keine Chance zu geben.
Auch die beengten Wohnbedingungen müssen ein Ende haben - nicht nur, weil sie der Ausbreitung von Corona dienlich sind, sondern weil sie einer wohlhabenden Gesellschaft schlicht nicht würdig sind.
Es versteht sich von selbst, dass strenge Regeln nichts nützen, wenn die Strafen für ihre Umgehung gering sind. Deshalb brauchen wir höhere Bußgelder, um gesetzeswidrige Zustände streng zu ahnden.
Der Zehn-Punkte-Plan unserer Minister trägt zu einem fundamentalen Wandel bei - zu einem Systemwechsel, der bitter nötig ist. Dieser Systemwechsel ist gerade auch für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung, die verantwortungsvoll arbeiten; denn sie leiden unter den schwarzen Schafen und dem schlechten Ruf der gesamten Branche. Diese Unternehmer, die soziale Marktwirtschaft als Auftrag sehen, die sich um ihre Arbeitnehmer sorgen und mit anständigen Rahmenbedingungen Gewinne erwirtschaften, sollten wir in dieser Debatte nicht vergessen.
Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion Herr Kollege Henning mit sechs Minuten. Bitte sehr! Auf geht’s!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es klar und deutlich zu sagen: Die Bundesregierung, allen voran Hubertus Heil als unser Bundesarbeitsminister, hat völlig recht: Werkverträge in der Fleischindustrie gehören verboten und abgeschafft, meine Damen und Herren!
Werkverträge sind menschenverachtend, beuten Menschen aus, und elementare Arbeitnehmerrechte bleiben dabei auf der Strecke. Der Skandal, wie Werkvertragsarbeitnehmer untergebracht sind,
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie sind absolut inakzeptabel. Auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen dort wird ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen.
Gleichzeitig ist das System der Werkverträge, das in den letzten Jahren sogar noch auf andere Branchen ausgeweitet wurde, hier auf eine unrühmliche Spitze getrieben worden.
Wir wenden uns als SPD-Fraktion gegen Werkverträge, weil sie dazu missbraucht werden, ganze Belegschaften und Kernbestandteile der Produktion auszulagern, weil mit ihnen Tarife und Arbeitsbedingungen unterlaufen und vor allen Dingen Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten ausgehebelt werden und es vielen Unternehmen vor allen Dingen nur darum geht, die Verantwortung für ihre Beschäftigten abzugeben.
Es kann nicht sein, lieber Kollege, dass zwei Drittel der Beschäftigten bei Subunternehmern angestellt sind, die ausschließlich über Werkverträge als Dienstleister für die Fleischindustrie tätig sind. In der Fleischindustrie - das ist eine Ausnahme in den verschiedenen Branchen - wird das Kerngeschäft ausschließlich bzw. jedenfalls überwiegend per Werkvertrag erledigt. Der gesamte Produktionsprozess ist an Externe delegiert. Der Betrieb übernimmt keinerlei Verantwortung mehr für seine Mitarbeiter.
Als SPD-Landtagsfraktion können wir hier nur ganz klar einfordern: Stammbelegschaften müssen wieder eine klare, erkennbare Mehrheit unter den Beschäftigten bilden. Werkverträge dürfen nicht dazu missbraucht werden, Schutzvorschriften abzubauen und zu umgehen, und dürfen schlicht und einfach nicht mehr zum Zuge kommen. Ausbeutung und systematische Umgehung gesetzlicher Mindeststandards gehören hier zum System. Erfahrungen insbesondere aus der Beratungspraxis von „Faire Mobilität“, der Beratungsstelle des DGB in Oldenburg, zeigen, welche Tricks Subunternehmer anwenden, um den gesetzlichen Mindestlohn zu unterlaufen. So werden üblicherweise geringere Stundenzahlen vereinbart, als die Beschäftigten tatsächlich arbeiten, für Urlaubs- und Krankheitszeiten wird dann der geringere vertragliche Lohn ausgezahlt. So sparen Unternehmen Lohnzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge. Häufig werden weniger Stunden ausgezahlt, als gearbeitet wurde. Die Beschäftigten können vielfach ihre
Auf dem Papier ist nach Aussage des Zolls alles in Ordnung. Die Werkvertragsarbeitnehmer bekommen natürlich ihren Mindestlohn. Wenn dann aber für ein Bett im 9-m²-Zimmer ungefähr 300 Euro vom Lohn abgezogen werden, ist das nicht nur eine Lohnkürzung, sondern das ist schlicht eine Umgehung des Mindestlohns und damit auch kriminell.
Meine Damen und Herren, das darf nicht sein. Diese Praxis hat nichts mehr mit der des ehrbaren Kaufmanns zu tun - das haben wir heute Morgen schon einmal gehört; Herr Bode, da bin ich ganz Ihrer Meinung -, sondern das ist Ausbeutung pur, die wir hier bekämpfen müssen.
Wenn es freiwillig nicht geht, dann kann nur noch staatlicher Zwang helfen. Ich zitiere hier erneut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Wir brauchen verbindliche Quoten für die Kontrollen, schmerzhafte Bußgelder bei Verstößen und klare, unmissverständliche Verantwortung eines Arbeitgebers für seine Betriebsabläufe.“ Dem kann ich mich für meine Fraktion nur anschließen.
Übrigens hat auch die SPD-Fraktion hier im Landtag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen mehr Kontrollen gefordert - etwa Kontrollen des Mindestlohns bei öffentlichen Vergaben. So hat der Landtag mit Beschluss aus dem Dezember 2019 das Bestreben des Bundes begrüßt, etwa durch die Bekämpfung von Schwarzarbeit und die Kontrolle des Mindestlohns für mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt zu sorgen.
Flankierend hält der Landtag nach der Entschließung aus dem Dezember 2019 auch die vertragliche Kontrolle bei der Ausführung öffentlicher Aufträge für geboten.
Vor diesem Hintergrund hatte der Landtag die Landesregierung im Dezember aufgefordert, die organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen zur Durchführung von Kontrollen auch durch die Vergabestellen des Landes - auch wir haben insoweit Mitverantwortung - zu verbessern. Finanzminister Hilbers ist hier gefordert, mehr Geld für Kontrollen und mehr Personal im Landeshaushalt 2020/2021 bereitzustellen. Das will ich an dieser Stelle deutlich sagen.
wesen ein Ende zu bereiten und die Arbeitsbedingungen für die Werktätigen in der Fleischindustrie zu verbessern. Die Deutschen essen gern und vor allem viel Fleisch; man sieht es häufig auch. Knapp 60 kg pro Jahr und Kopf verzehren die Einwohner der Bundesrepublik durchschnittlich. Das sind pro Tag 1,9 Millionen Tiere. 1,9 Millionen Tiere werden pro Tag in deutschen Schlachthöfen geschlachtet! Die Branche boomt: 20 Milliarden Euro Jahresumsatz in den zehn größten Unternehmen. Ein Grund für den Erfolg sind geringe Herstellungskosten: 1,50 Euro kostet die Schlachtung eines Schweins, wenn dafür Subunternehmen mit Werkverträgen engagiert werden.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten - kurz NGG - hat errechnet, dass pro Kilogramm Schweinefleisch 10 bis 20 Cent Preiserhöhung notwendig würden, um vernünftige Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen einzuhalten. Ich finde, das muss es uns wert sein. Diese Preiserhöhung müssen wir alle gemeinsam tragen - im Interesse der Tiere, aber auch im Interesse der arbeitenden Menschen, vor allen Dingen der ausgebeuteten Menschen in dieser Branche.
Ich komme zum Schluss. Die SPD-Fraktion unterstützt aus vollster Überzeugung den Beschluss des Bundeskabinetts vom 20. Mai ausdrücklich. Den Verbrechern in der Fleischindustrie muss das Handwerk gelegt werden. Werkverträge sind in der Fleischindustrie schlicht zu verbieten.