Protocol of the Session on July 2, 2020

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist das!)

Der Sprecher der SPD, Karsten Becker, sagte, unsere Lagebeschreibung zur Clankriminalität habe „Star-Wars-Format“, und unser Maßnahmenkonzept habe „Mickymaus-Standard“. Die Rede des Herrn Zinke klang eben doch wesentlich anders.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Man kann sich weiterentwickeln!)

Das Innenministerium ließ noch im November 2018 im Rechtsausschuss vortragen, dass feste Einheiten, wie wir sie vorgeschlagen haben, bei der Polizei nicht sinnvoll sind. Im September 2019 richtete der Innenminister genau diese festen Einheiten ein.

Auch unsere Forderung nach Schwerpunktstaatsanwaltschaften wurde von Ihnen zunächst abgelehnt. Der Innenminister bezeichnete in der ersten Plenardebatte im September 2018 meinen Vorschlag als einen Verstoß gegen das Gerichtsverfassungsgesetz. Ich zitiere den Minister aus dem Protokoll:

„Ich habe mich gerade noch einmal mit der Kollegin Barbara Havliza ins Benehmen gesetzt, die es genauso sieht wie ich.“

Meine Damen und Herren, erst als zwei von mir benannte Hochschulprofessoren in einer Anhörung zu unserem Antrag Ihnen aufzeigten, dass Sie völlig falsch liegen, wendete sich das Blatt. In der Ausschusssitzung im November 2019 teilte das Justizministerium mit, dass sie - wörtlich - „interessiert zur Kenntnis genommen“ hätten, dass „gegen die Schaffung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft“ doch „keine rechtlichen Bedenken“ bestünden. Wenig später wurden die Schwerpunktstaatsanwaltschaften stolz eingerichtet.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass Sie sich sehr viel Zeit genommen haben, aber innerhalb von zwei Jahren den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion dann doch in großen Teilen umgesetzt haben.

Der nun vorliegende Antrag der Großen Koalition zeichnet unsere Vorarbeit im Prinzip nur nach. Selbst was die Überschrift betrifft, haben Sie sich an unserer Vorarbeit orientiert.

(Zurufe von SPD und CDU: Oooh!)

- Sie brummen, aber ich will das an dieser Stelle überhaupt nicht kritisieren. Das ist in Ordnung.

(Beifall bei der FDP)

Aber ein zusätzlicher Hinweis bleibt mir doch noch: Meine Damen und Herren, die Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität verändern sich äußerst dynamisch. Mit diesem Problem beschäftigen sich auch wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, u. a. das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen und das Zentrum für Europäische und Internationale Strafrechtsstudien. Aus der Antwort auf eine Anfrage von mir aus dem April dieses Jahres ergibt sich, dass die Landesregierung keines dieser wissenschaftlichen Projekte unterstützt. Ich rege an, das zukünftig zu tun. Jede Erkenntnis über die Strukturen der ja üblicherweise stark abgeschotteten Clans kann für die Ermittler sehr sinnvoll sein. Dabei wäre es auch wichtig, Erkenntnisse zu nutzen, die vielleicht außerhalb der Verfolgungsbehörden deutlich besser gewonnen werden können.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass es nicht wieder zwei Jahre dauert, bis Sie diese Anregung als eigene Idee verkauft haben und dann auch umsetzen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Nun hat für die AfD-Fraktion der Kollege Christopher Emden das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über Clankriminalität. Sie ist ein besonders extremes, besonders schlimmes Beispiel für eine Art von Parallelgesellschaften, die sich in unserem Land gebildet haben. Woher kommen sie? - Sie kommen in erster Linie - vor allen Dingen, man muss es wirklich so sagen - aus einem falsch verstandenen Toleranzverständnis und aus einer daraus resultierenden Tabuisierung jeglicher Kritik - jeglicher Gedanken - am kritischen Hinterfragen kultureller Unterschiede, wenn sich

die Betreffenden gegen unsere Gesetze wenden; dies wird dann eben auch ausgenutzt. So entstehen Parallelgesellschaften, und so kann es eben auch dazu kommen, dass Familienclans, die es eventuell schon in ihren Herkunftsländern gab, hier ihre Art und Weise des Verhaltens und des Miteinanderlebens fortsetzen. Das ist häufig genug eben nicht gesetzeskonform und entspricht nicht unseren Regeln und unserem Rechtsstaat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesen Fällen müssen wir antworten können, vor allen Dingen dann, wenn es nicht nur eine Ignorierung unseres Rechtsstaats ist, sondern ein dauerhafter, eklatanter Verstoß. Und genau den haben wir bei der Clankriminalität.

Insofern ist das kein neues Problem. Die Clankriminalität konnte über Jahre - bald schon über Jahrzehnte - heranwachsen, und Sie alle, wie Sie hier sitzen und schon länger im Parlament sind - die etablierten Parteien, um sie so zu nennen -, tragen ein Stück weit mit Verantwortung dafür, weil Sie erst jetzt anfangen, sich dagegen auszusprechen, und erst jetzt anfangen, Aktionen und Maßnahmen zu ergreifen. Das hätten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, schon vor vielen, vielen Jahren machen müssen.

Wie gesagt, falsch verstandene Toleranz ist das Stichwort. Ich freue mich sehr, dass das jetzt ein bisschen kritischer gesehen wird. Es wird allerdings immer noch darüber diskutiert, ob Clankriminalität nun eher ein Phänomen bei Menschen aus ausländischen Kulturkreisen ist oder ob das ein deutsches Phänomen ist. In diesem Zusammenhang wird immer über die Abschiebungsproblematik gesprochen.

Ich weise nur darauf hin: Die Abschiebung von Menschen ausländischer Herkunft bzw. Staatsbürgerschaft, die hier eklatant gegen das Gesetz verstoßen, ist ein sehr scharfes Schwert. Das sollte man durchaus in den Blick nehmen. Gleichwohl - das ist ein durchaus berechtigter Einwand - haben einige dieser Clanmitglieder auch eine deutsche Staatsbürgerschaft. Da muss man sich dann aber die Frage stellen, ob man in der Vergangenheit eventuell das eine oder andere Mal doch zu leichtfertig eine deutsche Staatsbürgerschaft vergeben hat und ob man das künftig nicht anders fassen sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren. Denn, noch einmal, Abschiebung ist das schärfste Schwert.

Aber es gibt auch andere scharfe Schwerter. Dazu findet sich in dem Antrag einiges wieder. Das fin

det auch unsere Unterstützung. Das ist z. B. die Sanktionsverschärfung. Es darf eben nicht dazu kommen, dass man aus falsch verstandener Toleranz - noch einmal dieses Stichwort - meint: Oh, ein anderer Kulturkreis, da muss man besondere Milde walten lassen.

Nein, im Gegenteil: Wenn dieser andere Kulturkreis letztlich dazu führt, dass man sich unseren Gesetzen, unserem Staatssystem, unserem

Rechtsstaat gegenüber verachtend positioniert, dann ist das eher ein strafschärfendes Merkmal und kein strafmilderndes Merkmal, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ein anderer Punkt, der auch ganz wichtig ist, ist die Vermögensabschöpfung; denn das tut wirklich weh. Solange die Menschen, die aus ihren clankriminellen Machenschaften massiv Gewinne erwirtschaften, diese quasi unbehelligt nutzen können, damit Eindruck vor den anderen machen und zeigen können, dass es sich doch lohnt, solange dieser Sumpf nicht trockengelegt wird, wird sich kaum etwas ändern können. Das ist eine ganz wirksame Maßnahme. Das heißt, wir brauchen eine aktive Vermögensabschöpfung. Dazu gehört selbstverständlich auch die bereits angesprochene Beweislastumkehr.

Nötig ist auch, ein vernünftig koordiniertes Handeln zwischen allen Behörden, die betroffen sind, zur Bekämpfung der Clankriminalität endlich umzusetzen. Das ist administrativ eine Herausforderung; das ist keine Frage. Dieser Herausforderung müssen wir uns jedoch stellen. Das bedeutet mehr Gelder und mehr Aufwand. Aber es geht gar nicht anders. Wir müssen endlich dazu kommen, Clankriminalität wirksam und effektiv ohne Tabuisierung und falsch verstandene Toleranz zu bekämpfen.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Emden. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Kollege Helge Limburg zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag von SPD und CDU greift ein bedrohliches Phänomen auf, das in der Tat - der Kollege Dr. Genthe hat es gesagt - den Niedersächsischen Landtag nicht zum ersten Mal beschäftigt.

Um es ganz klar zu sagen: Da, wo Menschen - Herr Plett, Sie haben es jetzt auf die Polizei beschränkt; ich bin sicher, Sie stimmen mir zu, dass das natürlich auch für Angehörige der Justiz oder auch für Angehörige anderer Berufsgruppen gilt - in ihrem persönlichen Umfeld bedroht werden, da, wo Menschen aufgelauert wird, muss der Rechtsstaat konsequent handeln und müssen wir vor allem auch an der Seite der Betroffenen, der Opfer solcher Bedrohungen, stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In diesem Kontext stimmen wir natürlich den Forderungen zu, dass so etwas konsequent geahndet werden muss. Ich wundere mich aber schon, dass in Ihrem Entschließungsantrag kein Wort darüber steht, dass es natürlich - z. B. in den Polizeidienststellen, z. B. in der Justiz - klare Ansprechpersonen geben muss, die betroffenen Beamtinnen und Beamten dann auch mit Rat und Tat und Unterstützung zur Seite stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Antrag nimmt weiterhin keinerlei Bezug auf das bereits bestehende Gewaltschutzgesetz. Das Gewaltschutzgesetz - unter Rot-Grün auf Bundesebene Anfang der 2000er-Jahre verabschiedet - war zwar für Fälle häuslicher Gewalt gemacht, lässt sich aber selbstverständlich auch für andere Formen von Bedrohungen und Nachstellungen anwenden. Es kann, richtig angewandt, ein sehr scharfes Schwert sein, um Sich-Nähern im persönlichen Umfeld und Ähnliches zu untersagen und gegebenenfalls auch mit Gefängnissanktionen zu ahnden. Ich finde es wichtig, dass wir den Grundgedanken des Gewaltschutzgesetzes ernst nehmen, ausweiten, bekannt machen und dann auch konsequent überall zum Schutz der Betroffenen anwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Ihrem Antrag steht auch viel Richtiges zur Repression. Der ganze Aspekt der Prävention und der Sozialarbeit bleibt aber völlig ausgeblendet. Es ist schon sehr bezeichnend, dass Sie zwar von Zusammenarbeit von Behörden sprechen, aber die Jugendgerichtshilfe, die Bewährungshilfe, der Ambulante Justizsozialdienst, die Schulsozialarbeit und andere Institutionen in Ihrem Antrag überhaupt keine Rolle spielen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, allein mit Repression, allein mit strafverfolgenden Maßnahmen werden Sie solchen Phänomenen als freiheitliche, rechtsstaatliche Gesell

schaft nicht begegnen können. Wir brauchen ein Nebeneinander von Repression und Prävention! Diese völlige Leerstelle in Ihrer Politik ist höchst bedauerlich.

Hier wird in den Reden gefordert, Orte als gefährliche Orte auszuweisen. Davor muss ich schon sehr warnen. Das, was Sie hier beschreiben, würde doch letztlich nur zu einem Generalverdacht gegen Personen - gleich welcher Herkunft, gleich welcher Hintergrund und vor allem gleich welche Straftaten sie begangen haben - führen, nur weil sie in einer bestimmten Gegend wohnen. Es kann doch in einem Rechtsstaat nicht die Antwort sein, dass wir sagen: Weil du in diesem Viertel wohnst, musst du mit Kontrollen rechnen; weil du in diesem Viertel wohnst, musst du mit einer Videoüberwachung rechnen! - Nein, das kann nicht die rechtsstaatliche Antwort auf das Fehlverhalten einiger Gruppen und Organisationen sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde es richtig, dass Sie die Geldwäschebekämpfung in Ihrem Antrag ansprechen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass sich bei der entsprechenden Einheit auf Bundesebene die Geldwäscheverdachtsmeldungen stapeln und nicht bearbeitet werden. Das ist die Verantwortung der Großen Koalition im Bund, aber auch der Großen Koalition in Niedersachsen. Was nützen Geldwäschemeldungen, wenn sie nicht weiterbearbeitet werden? Hier sind viel mehr Personal und effizientere Strukturen erforderlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zustim- mung von Dr. Marco Genthe [FDP])

Ein Herabsetzen des Strafbarkeitsalters auf Minderjährige lehnen wir ab. Schließlich reden wir an anderen Stellen immer darüber, dass Kinder geschützt und unterstützt werden müssen. Wenn Kinder oder auch 14-Jährige zu Straftaten verleitet werden, sind sie aus meiner Sicht in erster Linie Opfer - vielleicht ihrer Eltern oder Angehörigen -, aber sie sind nicht Täterinnen und Täter. Sie müssen unterstützt werden und nicht bestraft werden, Herr Calderone.

Ein letzter wichtiger Punkt: Bei Clankriminalität haben wir immer das Bild von Menschen mit Migrationshintergrund. Wir müssen uns schon klarmachen, dass es das natürlich gibt, aber dass dieses Phänomen nicht auf Menschen mit Migrationshintergrund beschränkt ist. Denken Sie nur an die

Familie Schlecker, die im gemeinsamen Zusammenwirken erhebliche Straftaten begangen hat!

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Denken Sie an die Panama Papers mit ihren etlichen aufgedeckten Steuerbetrügereien und Ähnliches!

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Familienclan Tön- nies!)