Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja schon heute Morgen wirklich intensiv über die Thematik
„Werkverträge in der Fleisch- und Schlachtindustrie“ diskutiert. Von allen Seiten ist eigentlich gesagt worden: So geht es nicht! Wir brauchen einen Systemwechsel! - Auch vonseiten der Landesregierung wurde dargestellt, dass sie den Beschluss des Bundeskabinetts unterstützen will.
Wir wollen dahin gehend auf Nummer sicher gehen und haben dem Landtag heute einen Antrag vorgelegt. Er ist sehr kurz. Deswegen werde ich die dreieinhalb Zeilen verlesen:
„Der Landtag unterstützt den am 20. Mai 2020 in der 97. Sitzung des Bundeskabinetts gefassten Beschluss ‚Eckpunkte eines Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft‘ und fordert die Landesregierung auf, diesen Beschluss uneingeschränkt mitzutragen und zustimmungspflichtigen Punkten im Bundesrat zuzustimmen.“
Das ist eine wirklich klare Aussage. Wir haben heute Morgen in den Debatten zu vielen Punkten Aussagen gehört. Wir wollen nun, dass sie mit einem Beschluss des Landtags hinterlegt werden. Wir hatten die verschiedenen Redner der Fraktionen, die sich positiv zu den Planungen geäußert haben.
Ich möchte kurz erläutern, welche Themen in diesem Eckpunktepapier angeschnitten werden. Dabei geht es nicht um die Zustimmung zu fertigen Gesetzentwürfen, die vorgelegt werden, sondern es sind Absichtserklärungen, die z. B. häufigere Kontrollen betreffen, eine Kontrollquote fordern und Mindeststandards bei der Unterbringung vorsehen. Sie besagen, dass die Arbeiter in dem Bereich Schlachten und Verarbeiten immer Betriebsangehörige sein müssen, also das sogenannte Werkvertragsverbot gilt.
Es geht auch darum, dass Arbeitgeber über den Wohn- und den Einsatzort informiert werden sollen. In NRW hatte man ja die Situation, dass in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit dem Werkschutz Mitarbeiter des Landkreises auf das Betriebsgelände gelangen mussten, um dort aus den Büros die Personalakten sicherzustellen und so einen Überblick zu bekommen: Wo wohnen die Leute eigentlich? Wer muss unter Quarantäne? Wer muss informiert werden?
Das soll erleichtert werden. Nordrhein-Westfalen hat diesbezüglich auch schon einen seit heute geltenden Erlass verabschiedet.
Das wäre durchaus etwas, wo die Landesregierung sofort handeln könnte. In Nordrhein-Westfalen ist auch vorgesehen, dass jetzt alle Schlachthofmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zweimal wöchentlich getestet werden müssen.
Außerdem geht es in dem Eckpunktepapier um die bessere oder sichere weitere Finanzierung der Beratungsstellen. Heute Morgen ist schon dargestellt worden, wie wichtig die Arbeit der Beratungsstellen in diesem Bereich ist. Sie sind häufig die Einzigen, die muttersprachlichen Kontakt halten und Aufklärungsarbeit über Rechte vornehmen können. Dazu wäre ein Signal des Landtags auch sehr wichtig, denke ich.
Es geht um die digitale Arbeitszeiterfassung. Auch das ist von Herrn Minister Althusmann angesprochen worden.
Es geht darum, dass z. B. Schlupflöcher gestopft werden, wenn es um die Unfallversicherung geht. Sogenannte Praktikantinnen und Praktikanten müssen selbstverständlich auch Versicherungsschutz genießen.
Es geht darum, dass die Botschaften anderer Länder - z. B. von Rumänien; die haben sich ja schon beschwert - schneller informiert werden, wenn hier Infektionsfälle auftreten und sie dann auch mit solchen Infektionsherden rechnen müssen.
Es gibt nichts, was man an diesen Punkten aussetzen könnte. Das sind Absichtserklärungen. Es wäre wirklich ein wichtiges Zeichen, wenn dieser Landtag dem Antrag zustimmt
und mit einem breiten parteiübergreifenden Votum deutlich macht, dass wir in dieser Branche wirklich einen Systemwechsel brauchen.
Ich möchte noch auf einen Punkt aus der Debatte am heutigen Vormittag eingehen. Von Minister Althusmann wurde ja angekündigt oder problematisiert, dass man womöglich nicht ein Werkvertragsverbot für eine einzelne Branche umsetzen könne. Dazu möchte ich die Lektüre einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages empfehlen, der sich mit genau diesen Rechtsfragen befasst hat. Ich lese hier auch das Fazit des Wissenschaftlichen Dienstes vor:
„Ein branchenbezogenes Verbot von Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertragsgestaltungen in der Fleischwirtschaft würde nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“
„weder das Grundrecht auf Eigentum … noch unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung gegenüber Unternehmen anderer Wirtschaftszweige den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.“
(Christian Meyer [GRÜNE]: Anders, als Herr Althusmann behauptet hat! - Minister Dr. Bernd Althusmann über- gibt Karl-Heinz Bley [CDU] eine Unter- lage - Minister Dr. Bernd Althusmann: Hier ist mein Gutachten! Er wird es vorlesen!)
Noch ein paar Sätze zu der Problematik der Beratertätigkeiten von Sigmar Gabriel. Ich möchte wirklich an Sie appellieren, dass wir uns diese ganze Thematik mit Karenzzeiten usw. noch einmal genauer ansehen. Herr Gabriel hat 2015 - damals war er Wirtschaftsminister - in einem Post geschrieben:
„Ich habe gerade in Rheda-Wiedenbrück die Firma Tönnies besucht. … Und es ist gut, dass Tönnies in einer Branche, die immer
Dazu fällt einem wirklich nichts mehr ein. Man hat ja fast den Eindruck, dass er die Leistung für diese 10 000 Euro, die er jetzt die letzten Monate kassiert hat, schon erbracht hat. Er hat sich damals als Arbeitsminister aktiv gegen ein Verbot von Werkverträgen eingesetzt. Er hat die Bundesratsinitiative hier nicht umgesetzt.
Insofern muss das auch wirklich weiter thematisiert werden. Mich würde sehr interessieren, welche alten politischen Kontakte er eigentlich in den letzten Wochen und Monaten reaktiviert hat, um sich hier für diese umstrittene Branche einzusetzen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Erklärt dies das Schweigen und Fehlen des Minister- präsidenten?)
Hubertus Heil hat jetzt die Möglichkeit, quasi die historische Chance, mit dem Verbot der Werkverträge ohne Ausnahme in dieser Branche ein Zeichen zu setzen. Wie gesagt, ich finde, dass dieser Landtag das mit einem klaren Votum unterstützen sollte.
Vielleicht können die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen dann erklären, ob sie eher eine Ausschussüberweisung favorisieren oder den Weg zur sofortigen Abstimmung frei machen. Aber bis dahin ist es noch ein bisschen hin.
Zunächst gibt es eine Kurzintervention auf Ihren Beitrag, Frau Staudte, und zwar von dem Kollegen Bley. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf den Einwand von Frau Staudte hin kurz die Einschätzung des Gutachters vorlesen:
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Diskussion darüber, ob das Leiharbeitsverbot im Baugewerbe unter veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen weiterhin verfassungsmäßig gerechtfertigt werden kann,
ist gewissenhaft zu prüfen, ob durch die dargestellten weniger eingreifenden Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsschutzes bei Werkverträgen in der Fleischwirtschaft die festgestellten Missstände bereits behoben wurden oder absehbar behoben werden können. In dieser solchen Situation könnte das in Rede stehende Verbot von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen in diesem Wirtschaftszweig als unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zu werten sein, der mithin nicht mehr verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre.