Wir werden flexibel und zeitnah alles auf den Weg bringen, damit zum 1. August nicht das von Ihnen prognostizierte Chaos eintritt, sondern wir vor Ort gute Möglichkeiten für all die schaffen, die in der Praxis tätig sind.
Vielen Dank, Herr Kollege Politze. - Die CDUFraktion hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Frau Mareike Lotte Wulff, Sie haben noch ca. eineinhalb Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man der Opposition hier so zuhört, müsste man denken, dass es dazu Demonstrationen auf den Straßen gegeben hat.
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Die haben keine Zeit gehabt, sich zu or- ganisieren! Sie waren zu schnell!)
Ich glaube, das ist alles nicht so dramatisch, wie Sie es uns einreden wollen. Die Fraktionen haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir haben gezeigt, dass wir arbeitsfähig sind und uns an die Themen des Koalitionsvertrags gemacht, die jetzt umgesetzt werden müssen. Die Förderschule Lernen und die Einschulung zum 1. August wieder möglich
zu machen, muss doch auch im Sinne der FDP sein. Deswegen verstehe ich Ihre Kritik nicht, Herr Försterling.
Wir gehen die zentralen Themen des Koalitionsvertrages an. Wir sind handlungsfähig, und wir haben in den ersten 100 Tagen gezeigt, dass es möglich ist, mehr Flexibilität in das System zu bringen. Das haben wir mit dem Einschulungsalter gezeigt. Dazu habe ich persönlich auch sehr viele positive Rückmeldungen von Eltern bekommen.
Natürlich kommt man in ein Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit der Eltern und der Planungssicherheit der Kommunen. Dieses Problem haben wir mit dem Stichtag 1. Mai gelöst. Das ist vernünftig. Aber wir werden natürlich auch auf die realen Entwicklungen vor Ort reagieren. Deshalb bleibt mir in den letzten fünf Sekunden nur, eine Einladung auszusprechen: Beim Thema Kita - lassen Sie uns über die Fachkräftesicherung nachdenken! Und beim Thema Inklusion - ich würde mich sehr freuen, wenn wir von einem Inklusionskompromiss zu einem Inklusionskonsens kämen. Ich möchte alle Fraktionen herzlich einladen, daran mitzuarbeiten.
Vielen Dank, Frau Wulf. - Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Kultusminister Tonne. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.
- Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Ruhe bitten. Es ist im Moment ein bisschen sehr geräuschvoll.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das Schulgesetz heute abschließend beraten; denn mit diesem Schulgesetz setzen die Regierungsfraktionen und die Landesregierung zentrale Wahlversprechen für die laufende Legislaturperiode um. Wir dokumentieren Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und nicht zuletzt auch Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger hier in Niedersachsen.
Mit der Idee des Einschulungskorridors haben wir landesweit offene Türen eingerannt. An dem pädagogischen Nutzen dieser Neuregelung gibt es
offensichtlich keinen Zweifel. Das bedeutet weniger Stress für überforderte Kinder, die sonst zu früh in die Schule kämen, und führt zu einer großen Erleichterung bei besorgten Eltern, die jetzt auf einem einfacheren Weg dafür Sorge tragen können, dass ihr Kind entweder in die Schule kommt oder ein Jahr länger in der Kita bleibt. Damit wir ein größtmöglich sortiertes Verfahren hinbekommen, ist zusätzlich der Stichtag 1. Mai hinzugekommen. Damit können wir auch den KitaTrägern Planungssicherheit bieten. Ich finde diesen Weg auch völlig richtig. Es bleibt im Grundsatz beim 30. September, aber eine Ausnahme ist möglich: Mit einem Antrag kann die Einschulung hintangestellt werden.
Ich habe in den letzten Tagen zahlreiche Mails und Anrufe von Eltern bekommen, die gefragt haben, wie schnell wir das umsetzen. Diese Eltern haben gesagt, dass sie dringend von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen. Es hat sich aber beispielsweise auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gemeldet und gesagt: „Bitte, setzt das um! Was ihr macht, ist pädagogisch absolut richtig.“ Deswegen sage ich: Dann müssen wir es auch machen. Wir können dann nicht auf mögliche Probleme verweisen und es nicht mit dem Hinweis, dass es möglicherweise schwierig werden könnte, nach hinten verschieben. Es ist inhaltlich richtig, und deswegen soll es umgesetzt werden.
Mit den Grundlagen, die wir schaffen, um eine Verlagerung der Sprachförderung überhaupt erst zu ermöglichen, können wir Lehrkräfte entlasten. Wir können die Unterrichtsversorgung stärken, und wir können unsere gut qualifizierten Erzieherinnen und Erzieher ebenfalls stärken. Auch deswegen sagen alle, dass dieser Schritt inhaltlich richtig ist und dass wir ihn gehen sollen.
Wir haben heute Morgen dafür Sorge getragen, dass die Mittel aus der vorschulischen Sprachförderung erhalten bleiben und für mehr Qualität auch in den Kitas zur Verfügung stehen. Das bedeutet, auf ein ganzes Jahr hochgerechnet, über 26 Millionen Euro mehr, die dann auch in die fachliche Qualität der Kitas einfließen können. Auch das ist ein richtiger Schritt.
Jetzt komme ich zur Förderschule Lernen. Da hat es in der Anhörung durchaus kontroverse Stellungnahmen gegeben. Das ist aber auch nichts Überraschendes, weil die gesamte Debatte der
letzten Jahre genauso kontrovers gewesen ist. Gleichwohl kann man doch konstatieren, dass die Inklusion in den Regionen Niedersachsens unterschiedlich weit gekommen ist. Und man muss feststellen, dass wir in den letzten Jahren eine hochemotionale Debatte zu diesem Thema geführt haben.
Wenn wir uns in einem einig sein sollten, dann doch bitte darin, dass wir, wenn wir die Inklusion zum Gelingen bringen wollen, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens darüber herstellen müssen. Es sollte nicht so sein, dass wir Menschen, die sich vom Tempo überfordert fühlen, sagen, wir behalten das Tempo bei oder erhöhen es sogar noch. Vielmehr sollten wir mit mehr Wahlfreiheiten und mehr Möglichkeiten dafür sorgen, dass der Begriff Inklusion positiv belegt ist.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Tonne, für das Zulassen der Frage. - Mich würde interessieren, wieso Sie es Wahlfreiheit nennen, wenn die Eltern faktisch nur zwischen einer Förderschule und einer schlecht ausgestatteten inklusiven Schule wählen können. Denn dort fehlen die Fachkräfte, und auch die sonderpädagogischen Förderbedarfe sind nicht vollständig vorhanden. Wo ist da die Wahlfreiheit gegeben?
Sehr geehrte Frau Kollegin Hamburg, die Wahlfreiheit ist gegeben. Die Eltern können sich entscheiden, ob sie ihr Kind in den Sek-I-Bereich oder in einer Förderschule Lernen einschulen möchten. Das Argument, dass die Fachkräfte nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, kann doch nicht ernsthaft dazu führen, diese Wahlfreiheit zu nehmen. Vielmehr muss es so sein, dass wir den Fachkräftemangel beheben, den wir im frühkindlichen Bereich, im schulischen Bereich sowie im Bereich der Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen haben. Darauf müssten doch die Anstrengungen gerichtet sein.
Das ändern wir nicht, indem wir die Frage nach der Wahlfreiheit stellen. Wir ändern es nur, indem wir
unsere Kräfte dafür verwenden, mehr Fachkräfte - und das für das gesamte Bildungssystem - einzustellen. Sie konstruieren dort einen Widerspruch, den es nicht gibt.
Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich noch kurz auf die Kritik eingehen, die insbesondere von den Oppositionsfraktionen vorgebracht wurde.
Es hat mich ein bisschen verwundert, dass gesagt wurde, es könnte schwierig werden. Frau Kollegin Hamburg hat eben von „Stress“ gesprochen und davon ausgehend den Vorschlag gemacht, das um ein Jahr zu verschieben. Aber dann ist doch die Frage: Was machen wir in einem Jahr? Werden wir dann keinen Stress mehr haben? Oder wäre es, wenn es dann wiederum schwierig ist, einfacher, das um ein weiteres Jahr zu verschieben?
Die Situation im Bildungssystem ist doch jetzt angespannt. Deswegen sind wir auch jetzt aufgefordert, zu handeln. Eine Alternative ist leider nicht vorgelegt worden. Nicht zu handeln würde bedeuten, weiterhin Abordnungen in dem Ausmaß vorzunehmen, wie sie jetzt vorgenommen werden. Es würde bedeuten, dass wir auch weiterhin langwierige und anstrengende Verfahren bei Schulrückstellungen hätten. Aber das kann doch keiner wollen!
Herr Minister, Sie haben eben ausgeführt, dass es wichtig ist, schnell zu handeln. Wann wird die Landesregierung die Änderung des Kindertagesstättengesetzes einbringen, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, schnell zu handeln? Wird es darin auch essentielle Verbesserungen beim Betreuungsschlüssel geben, damit die vorschulische Sprachförderung auch wirklich von den Kindertagesstätten übernommen werden kann?
Vielen Dank, Herr Försterling. Wir haben mit dem Nachtragshaushalt die finanzielle Grundlage gelegt. Damit kann man weitere Ressourcen auch in die Kitas geben. Ein Mehr wäre natürlich immer schön. Es wird aber darauf ankommen, die vorschulische Sprachförderung gesetzlich abzusichern. Und es wird darauf ankommen, die Frage zu beantworten, wie und wo wir die Ausbildung so ändern und ergänzen können, dass wir schneller zu mehr Fachkräften kommen.
Das sind die Schritte, die jetzt anstehen. Selbstverständlich werden sie mit großem Nachdruck gegangen werden müssen, damit wir für den 1. August 2018 gemeinsam eine bestmögliche Ausgangssituation schaffen. Ich würde mich freuen, wenn wir unser Bestreben gemeinsam darauf richten würden, das Ganze zum Erfolg zu führen. Denn das wäre das Beste für die Kitas und auch für das schulische System.
Erstens. Wenn wir nichts machen, würden wir weiterhin diese hochemotionale Debatte im Bereich Inklusion führen, ohne uns über den inhaltlichen Weg der Verbesserung zu unterhalten.
Zweitens. Letztlich würden wir ein System der vorschulischen Sprachförderung weiterführen, das derzeit mit erheblichen Reibungsverlusten verbunden ist. Auch das kann von niemandem gewollt sein.
Ja, eine Umstellung ist immer herausfordernd, und Veränderungen werden sich auch immer erst einspielen müssen, wenn man sie vornimmt. Aber alles das, was man jetzt machen kann, wäre besser, als gar nicht zu handeln, wie von der Opposition vorgeschlagen. Das wäre unverantwortbar. Denn wir müssen im Sinne des Erfolgs jetzt die entsprechenden Maßnahmen einleiten, damit es zum 1. August 2018 substanziell besser werden kann. Deswegen werbe ich für die Änderungen im Schulgesetz.