Protocol of the Session on February 27, 2018

Diesem Umstand kommt das Schulgesetz nun entgegen. Wir schaffen die gesetzliche Grundlage dafür, dass die Erzieherinnen und Erzieher die

Sprachförderung übernehmen und die Kinder gezielt in den Kindertagesstätten fördern. Denn sie begleiten die Kinder über einen langen Zeitraum und kommen mit ihnen nicht - wie die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer - nur für einen kurzen Zeitraum zusammen.

Wir haben eben einen wichtigen Schritt beschlossen. Wir sind nämlich sogar so weit gegangen, die Sprachförderung im Kindergarten mit 11 Millionen Euro zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn sich junge Abiturientinnen und Abiturienten dafür entscheiden, nicht auf Grundschullehramt, sondern auf Gymnasiallehramt zu studieren, dann machen sie dies, weil sie an einem Gymnasium unterrichten wollen. Wir haben in den vergangenen Monaten und Jahren oft mitbekommen, dass Gymnasiallehrer, die an Grundschulen zwangsabgeordnet wurden, keine hohe Motivation aufwiesen, sondern sogar demotiviert waren, diese Aufgabe zu übernehmen.

Diesem Umstand kommen wir mit dieser Änderung bei der Sprachförderung entgegen; denn so werden wir zukünftig in der Lage sein, 500 volle Stellen wieder in das Grundschulsystem zu geben und damit Abordnungen zwar nicht in Gänze verhindern zu können, aber die Situation so weit zu verbessern, dass wir damit eine Qualitätssteigerung in den Grundschulen und auch an den weiterführenden Schulen, von denen abgeordnet wird, erreichen.

(Beifall bei der CDU - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Darum geht es Ihnen! Nicht um die Qualität! Das ist interessant!)

Meine Damen und Herren, den dritten Aspekt - jetzt ist der Ministerpräsident leider nicht da; aber ich gehe davon aus, er hört irgendwo zu - hat der Ministerpräsident heute Morgen in seiner Regierungserklärung leider vergessen. Aber es ist ein ganz besonderer Aspekt, nämlich die Thematik der Inklusion.

Auch bei der Inklusion müssen wir die Qualität in den Schulen verbessern.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Aber Sie verschlechtern sie mit der Maß- nahme! Es geht Ihnen nicht um Inklu- sion! Es geht Ihnen um die Förder- schulen!)

Sie wissen, dass die Menschenrechtskonvention besagt, dass das Ziel einer vollständigen Einbeziehung der behinderten Menschen die bestmögliche Förderung der schulischen und sozialen Entwicklung ist.

(Anja Piel [GRÜNE]: „Menschen mit Behinderung“ heißt das!)

Meine Damen und Herren, es geht also um die bestmögliche Förderung der Entwicklung. Nicht für alle Kinder mit dem Förderbedarf Lernen ist die allgemeinbildende Schule das beste System. Die Anhörung hat uns, Frau Hamburg, in unserer Ansicht bestärkt, dass der mit dem Koalitionspartner gefundene Kompromiss für Niedersachsen der richtige ist.

(Beifall bei der CDU)

Für viele Schülerinnen und Schüler mit einem Förderbedarf kann der gemeinsame Unterricht neue Perspektiven und zusätzliche Bildungserfolge ermöglichen. Das ist vollkommen unbestritten. Für andere Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist jedoch das Förderschulsystem, in dem sie oder er in einem geschützten Rahmen ihre oder seine persönlichen Stärken entwickeln kann, das bessere System. Mit diesem Gesetz geben wir den Eltern wieder eine Wahlfreiheit zurück.

Sie können sich zukünftig zwischen dem Förderschulsystem und dem allgemeinbildenden System entscheiden. Auch die Möglichkeit einer Lerngruppe wird zukünftig gegeben sein.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist doch keine Wahlfreiheit!)

Es ist gut und richtig, dass die Träger der Schulen vor Ort entscheiden, welches System in welcher Form sie zukünftig umsetzen wollen. Wir als CDUFraktion sind der festen Überzeugung, dass die Schulträger bei dieser Thematik eine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, meine Rede möchte ich mit dem polnischen Lyriker Stanislaw Jerzy Lec schließen: Nun bist du mit dem Kopf durch die Wand gegangen, und was willst du im Nachbarzimmer tun?

Meine Damen und Herren, wir machen keine Inklusion mit der Brechstange.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie machen gar keine Inklusion! Sie ma- chen Exklusion!)

Wir machen eine Inklusion, die gut gemacht wird, bei der die Vorbereitung die Schülerinnen und Schüler und vor allen Dingen die Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft wieder in die Lage versetzt, dem großen Ziel der Inklusion gerecht zu werden und diese zielgerichtet umzusetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Weritz. Das Schulterklopfen für diese Rede wird Ihnen gerade zuteil. - Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollegin Julia Willie Hamburg. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ist sie nun, schon nach 100 Tagen: die Arroganz der GroKo, die Basta-Politik statt der Beteiligung der Gesellschaft!

(Zurufe von der SPD: Oh! Also wirk- lich!)

Ich sage Ihnen deutlich: Hätten Sie in der Anhörung zugehört, wüssten Sie, dass Sie durch den Zeitdruck, den Sie mit Ihrem übers Knie gebrochenen Schulgesetz erzeugen, vor Ort für Chaos sorgen - und eben nicht für Schulfrieden, wie Sie es versprochen haben. Ich verspreche Ihnen hingegen: Dieses Gesetz wird Ihnen vor Ort gehörig um die Ohren fliegen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Nehmen wir nur das Beispiel der Stichtagsregelung, die Herr Kollege Weritz gerade ausgeführt hat! Das ist auch ein grünes Anliegen, und das ist auch ein Anliegen der FDP. Doch die Art und Weise, wie Sie das jetzt umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen - bis August! -, das wird nicht funktionieren, das wird vor Ort für Stress sorgen.

Nehmen wir ein Beispiel: Die Eltern von Finn haben diese Petition unterschrieben, und Sie wollen jetzt ermöglichen, dass Finn noch von dieser Regelung profitiert. Die Konsequenz ist aber, dass seine Eltern faktisch gar keine Wahlfreiheit mehr

haben, weil sein Kindergartenplatz schon vergeben ist. Sie können sich höchstens entscheiden, Finn in eine andere Kita zu geben, den Platz womöglich einzuklagen, weil die Kommune gar nicht genug Plätze vorgehalten hat, oder Finn in die Schule zu schicken. Das Ende vom Lied wird sein, das sie Finn in die Schule geben. Sie werden enttäuscht sein, weil sie gar keine Wahlfreiheit haben. Die haben Sie ihnen nur suggeriert. Und die Kommunen haben Stress, weil sie nicht die Plätze schaffen konnten, die sie dafür hätten schaffen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das ist ein Beispiel von Nichtzuhören oder aber auch von „Gut gemeint, ist noch lange nicht gut gemacht“, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Aber Sie wollten nicht hören. Sie agieren frei nach dem Motto „Was interessiert mich das Geschwätz der Verbände?“, etwa auch beim Beispiel der vorschulischen Sprachförderung. Diese wollen Sie jetzt von den Grundschulen auf die Kitas verlagern - und das Ganze bis August, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Rücken der Erzieherinnen und Erzieher wollen Sie hier die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen verbessern.

Bis heute wissen die Kita-Verbände nicht, was eigentlich auf die Kitas zukommt. Die Kitas wissen nicht, was sie machen sollen, aber sie sollen bis August die Fachkräfte und die Konzepte dafür haben. Und was geben Sie den Kitas dafür? Pro Kita - wir haben das mal ausgerechnet - gibt es 416 Euro. GroKo sponsert Minijob für Sprachförderung - das ist also Ihr neues Verständnis von Qualität. Ich finde das beschämend, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Zumal wir alle auch wissen, dass die Kitas schon jetzt unter ihrer Überlastung ächzen. Wir brauchen eine dritte Kraft an den Kitas - allemal, wenn Sie noch weitere Aufgaben auf deren Rücken laden wollen.

Kommen wir zum Thema Förderschule Lernen. Da treiben Sie es wirklich auf die Spitze. Alle Verbände, die in den inklusiven Schulen arbeiten - alle Verbände! -, haben deutlich gemacht: Bitte lassen Sie uns die Planungssicherheit! Bitte lassen Sie uns endlich die inklusiven Schulen zum Gelingen bringen! Bitte geben Sie uns endlich die Ressour

cen, die uns schon lange zustehen und bislang durch die Förderschule Lernen gebunden werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und was machen Sie? Gehen Sie darauf ein? - Nein! Reagieren Sie, steuern Sie nach? - Nein! Klären Sie offene Fragen? - Nein! Alle Anregungen der Verbände werden von Ihnen ignoriert und weggewischt. Wenn Sie sich schon selbst genug sind, dann suggerieren Sie den Verbänden doch gar nicht erst, dass Sie sie beteiligen. Dann lassen Sie die Anhörung sein! Das wäre wenigstens ehrlich. Aber so schlagen Sie allen Verbänden ins Gesicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Diejenigen, die sich seit Jahren für die inklusive Schule stark machen und vor Ort ackern, kriegen nicht das, was ihnen zusteht. Dann können Sie es auch sein lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ich sagen Ihnen: Das wird vor Ort auch niemand verstehen. Wenn Sie heute mit den Verbänden sprechen, wenn Sie auf der didacta unterwegs waren und dort die Podiumsdiskussionen zum Thema Inklusion gehört haben, dann werden Sie merken bzw. gemerkt haben, wie massiv der Frust ist. Die Leute sind nach Hannover gereist, um Ihnen zu sagen, was Sie anders machen sollen, und müssen jetzt lesen, dass Sie sie ignorieren. Das ist wirklich bodenlos; da fehlen mir die Worte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich ist es eine beliebte Strategie, faule Kompromisse zu Beginn der Legislaturperiode, vor der Sommerpause abzuräumen. - Sie nicken, Herr Politze. - Man hofft, dass die unangenehmen Elemente sang- und klanglos verschwinden und später niemand mehr zuordnen kann, wer diese Elemente eigentlich verbrochen hat. Aber ich sage Ihnen eines: Dieses Gesetz und seine negativen Auswirkungen werden nachklingen, und wir werden Sie ganz persönlich daran erinnern, dass Sie Mitverantwortung für das Hauruckverfahren, für die schlechte Steuerung und für die Entscheidungen im Bereich der Inklusion tragen.

Vor diesem Hintergrund werden wir heute zu diesem Thema eine namentliche Abstimmung beantragen.

(Zurufe von der SPD und von der CDU: Oh! - Sebastian Lechner [CDU]: Nicht schon wieder!)