Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU „Schreiben, Lesen und Rechnen als Grundkompetenzen in der Grundschule stärken“ und der Antrag der FDP-Fraktion, über den wir hier auch beraten, haben die gleiche Zielsetzung: Wir alle möchten Schülerinnen und Schüler darin unterstützen, die Grundfähigkeiten zu erlangen, die unabdingbar für einen erfolgreichen weiteren Bildungsweg sind.
In den Vorschlägen, wie wir zu diesem Ziel gelangen, unterscheiden sich unsere Anträge in einigen Punkten. Unser Antrag geht insofern weiter, als wir uns nicht auf das Lesen beschränken, sondern auch auf die anderen Grundfertigkeiten eingehen.
In den niedersächsischen Grundschulen leisten unsere Lehrerinnen und Lehrer täglich hervorragende Arbeit. Sie setzen sich dafür ein, Schülerinnen und Schülern bestmögliche Startvoraussetzungen zu geben, die ihnen weiteren Bildungserfolg garantieren.
Wie aber schon von meinen Vorrednern ausgeführt wurde, erreichen leider nicht alle Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Klasse ein sicheres Umgehen mit diesen Grundfertigkeiten. Etwa 28 % haben Probleme mit dem richtigen Schreiben, 13 % mit dem Lesen, 16 % haben unzureichende Mathematikkenntnisse. Diese Zahlen können uns nicht zufriedenstellen. Hier wollen wir ansetzen, um allen Kindern gute Bildungschancen zu ermöglichen.
Denn entscheidend dafür, wie erfolgreich Kinder sind, sind häufig nicht die Intelligenz und die eige
nen Fähigkeiten, sondern welche Unterstützung sie aus ihrem Elternhaus erhalten. Das haben uns die letzten Wochen eindringlich gezeigt. Kinder, die von ihrem Elternhaus unterstützt werden, sind gut durch die Corona-Zeit gekommen. Andere Kinder brauchen jetzt noch mehr Unterstützung von uns, damit wir sie nicht endgültig verlieren.
In ihrem Antrag möchte die FDP-Fraktion als Erstes verpflichtend eine zusätzliche Stunde Deutschunterricht pro Woche für alle Jahrgänge der Grundschule einführen. Das würde bei einem Aufsatteln auf die bestehende Stundentafel einen Mehrbedarf von ca. 520 Vollzeitlehrerstellen bedeuten. Mal ganz abgesehen von den Kosten - mir ist bewusst: Teurer, als in Bildung zu investieren, ist nur, nicht in Bildung zu investieren -: Woher möchten Sie denn im Moment diese Lehrerinnen und Lehrer nehmen? Wir haben sie nicht. Auch wenn das Kultusministerium bei den Einstellungen auf einem guten Weg ist: 520 neue Lehrer sind nicht einfach so auf dem Markt.
Oder möchten Sie die Stundentafeln umstellen und die zusätzliche Stunde bei anderen Fächern einsparen? Wenn ja, dann sollten Sie aber auch sagen, wo Sie sparen wollen, auf Kosten welcher Fächer Sie die Prioritäten verschieben wollen.
Eine Grundschulleiterin hier aus Hannover sagte mir zu diesem Thema: Lesen und Schreiben finden auch in jedem anderen Fach statt. - Wichtig ist hier nicht ein generelles Mehr, sondern eine zielgerechte Förderung insbesondere der leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler.
Das Niedersächsische Kultusministerium ist hier mit dem Programm zur Förderung der Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen genau auf dem richtigen Weg. Wir möchten dies mit unserem Antrag unterstützen.
Als ein Beispiel möchte ich hier den Start des Programmes „Lesen macht stark“ nennen. Dort erhalten Schülerinnen und Schüler eine differenzierte Förderung zur Verbesserung ihrer Lesekompetenz. Den Schülern, den Lehrkräften und den Schulleitungen werden Materialien, Fortbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Das wird von den Schulen sehr gut angenommen. Die Grundschulen, mit denen ich gesprochen habe, freuen sich, an einem solchen erfolgreichen Projekt teilnehmen zu können.
Auch im Bereich Rechtschreibung, bei der Erarbeitung netzbasierter Datenbanken und bei weiteren Qualifizierungsmaßnahmen für Fachmultiplikatorinnen und -multiplikatoren für die Qualitätsentwicklung im Mathematikunterricht befindet sich das Kultusministerium auf dem richtigen Weg. Wir wollen hier weiter unterstützen. Erfolgreiche Programme sollen weiterentwickelt und nicht erfolgreiche Programme kritisch hinterfragt werden.
Wir als SPD-Fraktion wollen das Kultusministerium mit unserem Antrag dabei unterstützen, die erfolgreiche Arbeit weiterzuführen und weiter zu verbessern. Wir sind der Auffassung, dass die Umsetzung unseres Antrages einen wichtigen Beitrag dazu leisten wird, unsere Kinder möglichst fit für weiterführende Schulen und - was noch wichtiger ist - fit für ein erfolgreiches, selbstbestimmtes Leben zu machen. Bitte unterstützen Sie mit der Zustimmung zu diesem Antrag uns und damit vor allem auch die Schülerinnen und Schüler.
Danke schön, Frau Kollegin Liebelt. - Für die FDPFraktion erhält nun der Kollege Björn Försterling das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lesen war und ist eine der Grundkompetenzen unserer Gesellschaft und wird es bleiben. Und gerade weil es eine Grundkompetenz ist, Frau Liebelt, halten wir es für problematisch, dass Sie sagen: Wir machen hier Projekte zur Leseförderung. - Was heißt es denn, wenn man besondere Projekte braucht, um etwas zu fördern? Das impliziert schon, dass diese Grundkompetenz mit den aktuell zur Verfügung gestellten Ressourcen scheinbar nicht ausreichend grundlegend in den Schulen vermittelt werden kann.
Ja, damit haben Sie das Problem genau erkannt. Deswegen geht der Antrag der FDP auch weiter; denn unser bildungspolitischer Anspruch muss doch sein, dass die grundsätzlich zur Verfügung gestellten Ressourcen in Grundschule ausreichend sind, um jedem Kind in Niedersachsen das Lesen beizubringen.
Deswegen müssen wir eine Stunde mehr investieren. In anderen Bundesländern gibt es diese eine zusätzliche Stunde Deutschunterricht, anders als in der niedersächsischen Stundentafel. Das Argument, wir hätten zu wenig Lehrer auf dem Markt, lasse ich nicht mehr gelten, nachdem der Kultusminister vor vier Wochen hier erklärt hat, es gebe auf 2 200 ausgeschriebene Stellen über 3 500 Bewerberinnen und Bewerber. Es scheint diese Bewerberinnen und Bewerber also zu geben. Warum sollten wir dann nicht in die Zukunft unserer Kinder investieren? Und das beginnt beim Lesen.
Ich halte es fast schon für eine rhetorische Glanzleistung des Kollegen Weritz, zu sagen, man könne auf die konkreten Punkte der FDP zum Lesen verzichten, weil im Antrag von SPD und CDU auch etwas zu Mathe stehe. Das war schon sehr geschickt. Wir haben uns in der Tat auf das Lesen konzentriert. Ja, auch Rechnen ist eine der Grundkompetenzen, die unsere Schülerinnen und Schüler erwerben sollten. Aber der Anspruch muss natürlich sein, nicht das eine zu tun, um das andere zu lassen, sondern nach Möglichkeit beides zu tun.
Ich will aber den regierungstragenden Fraktionen zugutehalten, dass sie - wenn sie schon nicht den Weg der konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Lesekompetenz gemeinsam mit uns gehen wollen - letztendlich wenigstens die innerkoalitionäre Auseinandersetzung um das Thema „Schreiben nach Gehör“ bzw. „Lesen durch Schreiben“ endgültig geklärt haben. Da wir lobend anerkennen wollen, dass sich die CDU-Fraktion in diesem Punkt in der Koalition durchgesetzt hat, werden wir uns zu ihrem Antrag kraftvoll enthalten.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lesekompetenz ist ganz entscheidend für unsere Kinder. Sie ist entscheidend für den Erfolg in der Schule, aber sie ist auch entscheidend für den Erfolg im späteren Leben. Das wissen alle Bildungspolitiker.
Umso mehr muss es überraschen, dass zahlreiche - auch aktuelle - Untersuchungen belegen, dass sich die Lesekompetenzen der Schüler, die die Grundschulen in Niedersachsen verlassen, zunehmend verschlechtern. Das war für die FDP vor einem guten halben Jahr der Anlass, den heute zu beratenden Antrag vorzulegen. Sowohl in der Debatte zur Einbringung wie auch bei den Diskussionen im Ausschuss vermittelte die Regierungskoalition den Eindruck, das Thema sei zwar wichtig, es werde aber schon sehr viel getan, und das sei ausreichend.
Jetzt, kurz bevor der Antrag zur abschließenden Lesung zurück ins Parlament kommt, schob man schnell noch einen eigenen Antrag nach, um der Opposition nicht das Feld zu überlassen. Das ist durchsichtig und zudem gescheitert. Der Koalitionsantrag ist nämlich deutlich schlechter als der der FDP.
Die FDP schlägt Maßnahmen vor, und zwar konkret benannte, einzeln umsetzbare Maßnahmen. Zudem sind es genau passende Maßnahmen für die Leseförderung, die dieser nachweislich dienen würden. Auch sind alle anderen Punkte, die die FDP vorgeschlagen hat, immer noch aktuell. Das gilt insbesondere für die zusätzliche Stunde Leseförderung.
Hier wurde in der Beratung auch heute wieder kritisiert, das sei nicht umsetzbar, nicht finanzierbar. Meiner Kenntnis nach würde das nach derzeitigem Stand 28,5 Millionen Euro im Jahr kosten. Daher muss ich sagen: Das ist eine falsche Sichtweise. Denn natürlich wäre das machbar - man müsste es nur wollen. An anderer Stelle - ich sage nur: Ganztag und Inklusion - investieren Sie ein Vielfaches davon.
Eine weitere Alternative wäre es, andere Inhalte zu kürzen; Frau Liebelt hat es angesprochen. Da frage ich Sie - auch Frau Liebelt -: Welche anderen schulischen Inhalte werden im Nachhinein für ein Kind so wichtig sein, dass man es hinnehmen könnte, dass es die Grundschule als funktionaler Analphabet verlassen müsste? - Englisch? Kunst? Musik? Demokratiebildung? - Jedes Jahr verlassen 10 000 Kinder unsere Grundschulen, ohne lesen zu können. Das sind die Fakten: 10 000 Kinder!
Wie es den Anschein hat, verfolgt der schnell zusammengeschusterte Antrag von SPD und CDU vordergründig das gleiche Ziel. Er wird aber verwässert durch die Hinzunahme von Mathematik und Orthografie, ohne aber entscheidende Akzente zu setzen. So bleibt es wieder mal bei „begrü
ßen“ und „bitten“. Wirklich Neues findet sich in dem Antrag nicht. Alles wird eigentlich schon irgendwie gemacht.
Halt! Eine auffällige Ausnahme gibt es doch: Endlich - so möchte man sagen - findet eine kritische Beachtung von „Lesen durch Schreiben“ statt. Und endlich gibt es eine konkrete Vorgabe, die den Schulen verbindliche Einschränkungen in Bezug auf diese nachweislich schädliche Lernmethode vorschreibt. Das begrüßen wir natürlich sehr. Hätte man diesen Punkt noch in den FDP-Antrag aufgenommen, wäre er perfekt.
So werden wir den höchst gelungenen FDP-Antrag unterstützen. Beim Antrag der Regierungskoalition werden wir uns enthalten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kernkompetenzen - Lesen, Schreiben, Rechnen - sind eine unverzichtbare Grundlage für die erfolgreiche Bildungskarriere eines jeden Schülers und einer jeden Schülerin. Eine gute Lesefähigkeit, Sicherheit in der Rechtschreibung und das Beherrschen der Grundrechenarten bilden die Basis für jeden Lernerfolg. Ich glaube, in dieser Feststellung sind wir uns einig.
Hierbei sind Leseförderung und auch die Förderung der Schreibkompetenz nicht voneinander zu trennen. Ich bin Herrn Weritz und Frau Liebelt sehr dankbar, die in ihren Beiträgen darauf hingewiesen haben, dass der erfolgreiche Erwerb von Lese- und Schreibkompetenz Aufgabe jeder Unterrichtsstunde ist - nicht nur des Faches Deutsch. Deswegen wäre es auch viel zu kurz gesprungen, es darauf zu beschränken. Es ist Aufgabe jeder Unterrichtsstunde, darauf einzuwirken.
Im vorliegenden Entschließungsantrag der regierungstragenden Fraktionen geht es deshalb richtigerweise um ein Gesamtkonzept, um die Kernkompetenzen wirksam stärken zu können. Das ist auch deshalb gut, weil dieser Antrag damit die Maßnahmen, die wir im Kultusministerium auf den Weg gebracht haben, sinnvoll ergänzt und miteinander verbindet.
2018 hat eine geschäftsbereichsübergreifende Arbeitsgruppe unter Leitung des Kultusministeriums die Arbeit aufgenommen, sich des Themas „Leseförderkonzept“ angenommen und dabei die vielen vorhandenen Anstrengungen für eine höhere Lesekompetenz unter einem Dach zusammengeführt. Zu diesen Projekten gehört „Lesen macht stark“. Ich finde, das ist ein äußerst gelungenes Programm. Auch die Rückmeldungen der Schulen hierzu sind rundweg positiv. Damit unterstützen wir die Lehrkräfte bei der Vermittlung von Lesestrategien.
Ferner gehört dazu der „BiSS-Transfer“. Flankierend zur Einführung von „Lesen macht stark“ ist ein digitaler Konzept- und Methodenpool auf dem Niedersächsischen Bildungsserver bereitgestellt worden. Das Bund-Länder-Programm „BiSS-Transfer“ bietet eine geeignete Verzahnungsstruktur mit den niedersächsischen Vorhaben.
Zu diesen Projekten gehört auch die Akademie für Leseförderung. Sie unterstützt gemeinsam mit dem Kultusministerium die schulische Leseförderung z. B. durch den Aufbau eigener Schulbibliotheken und eine noch intensivere Bewerbung und Unterstützung von Leseprojekten wie beispielsweise dem bundesweiten Vorlesetag.