Protocol of the Session on June 30, 2020

Danke sehr, Herr Kollege Prange. - Gleich erhält das Wort für die CDU-Fraktion der Kollege Timo Röhler.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion hat sich leider Gottes entschieden, den Gesetzentwurf zur Bestellung eines oder einer Beauftragten gegen Antisemitismus heute in die Endberatung zu geben, obwohl eigentlich - der Kollege Prange hat es gerade gesagt - alle damit gerechnet hatten, dass wir nicht dazu kommen und dass der Gesetzentwurf vonseiten der AfD zurückgenommen wird.

Die Landesregierung - das ist gerade schon benannt worden - hat längst geliefert. Herr Dr. Enste ist der Niedersächsische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens. Er ist bereits ins Amt eingeführt und hat seine Arbeit hier in Niedersachsen aufgenommen.

Jüdisches Leben gehört zu Niedersachsen. Das soll und muss auch immer so bleiben. Die Vergangenheit, gerade auch die jüngste Vergangenheit, hat uns in den letzten Monaten sehr schmerzlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass wir alles dafür tun, dass wir uns immer wieder die Gräueltaten der NS-Zeit vor Augen führen und in unseren Köpfen behalten.

Gerade dafür ist der Landesbeauftragte da. Er ist nämlich nicht nur Ansprechpartner für die jüdischen Verbände. Er soll vielmehr auch die Niedersächsinnen und Niedersachsen für diese Thematik sensibilisieren und Handlungsempfehlungen gegen den Antisemitismus entwickeln. Dabei - das ist eben auch angesprochen worden - ist es mir eigentlich zu oberflächlich, wenn man versucht, irgendwie künstlich eine Differenzierung herbeizuführen, ob der Antisemitismus von rechts, links,

geradeaus oder aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Fakt ist: Er ist da, und er ist überall vorhanden. Es ist unsere Aufgabe, alles dafür zu tun, dass dieser verschwindet. Deswegen ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass genau dieses Gedankengut in Niedersachsen und in ganz Deutschland keinen Nährboden findet.

Wie wichtig letztlich solch ein Landesbeauftragter ist, zeigt die Liste der Straftaten, die wir in den letzten Jahren vor Augen geführt bekommen haben. Während man vor vielen Jahren vielleicht hoffnungsvoll geglaubt hat, dass der Antisemitismus immer weniger wird, hat es sich in den letzten Jahren leider umgekehrt. Ich glaube auch, dass der gewissermaßen rechtsfreie Raum des Internets dieser Situation hilft. Auch da werden wir sicherlich hier und dort ansetzen müssen.

Wenn man einfach mal schaut: Brandanschläge auf die Wormser Synagoge 2010, Brandanschlag auf die Totenhalle des jüdischen Friedhofs in Dresden 2010, Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal 2014, Gewalttaten gegen Repräsentanten dieses Staates: Henriette Reker, Andreas Hollstein, der Mord an Herrn Lübke - alles das sind Straftaten, die uns aufrütteln. Deswegen ist es, wie gesagt, sehr gut, dass wir diese Thematik aufgegriffen haben.

Wie wichtig dieser Punkt den Vertretern der AfD eigentlich ist, zeigt aber dann doch die parlamentarische Debatte. Da fällt mir eigentlich nur eines ein: Die Kollegen der AfD nutzen als Stilmittel ja gerne die Provokation und die Show, während die Landesregierung, wir und, ich glaube, auch alle anderen demokratischen Fraktionen dieses Hauses eine seriöse und verlässliche Politik in der Sache machen. Dafür gibt es jetzt nämlich den Landesbeauftragten.

(Christopher Emden [AfD] lacht)

- Weil Herr Emden sich gerade so schön darüber amüsiert, möchte ich kurz vortragen, wie der Verlauf dieser Debatte war, Herr Emden:

Beratung, 28. Februar 2019: eine recht umfangreiche Debatte hier im Hause. Im Ausschuss am 20. März 2019: Absetzung der Thematik. Nächste Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 11. Februar 2020: Ankündigung durch Herrn Emden, die Rücknahme des Antrages wird in Aussicht gestellt - kein Wort der inhaltlichen Debatte! - Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen am 27. Mai 2020: Herr Lilienthal als Vertretung teilt mit, dass der Kollege Emden diese

Sache in der Fraktion bearbeitet, und bittet deswegen um Absetzung. - Das wurde gemacht. Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen am 17. Juni 2020: Wir alle hatten die Rücknahme vor Augen, aber nein, Herr Kollege Emden erklärt, der Antrag sei nicht erledigt, sein Gesetzentwurf gehe viel weiter.

Heute war ich ganz gespannt, welches Argument von Herrn Kollege Emden heute kommt, warum der Gesetzentwurf doch viel weiter gehe und so toll sei. Ich habe allerdings keines gehört. Deswegen ist es richtig, dass der Ausschuss empfohlen hat, ihn für erledigt zu erklären.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Röhler. - Jetzt hat sich Kollege Dr. Birkner für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich der Debatte so folge und wenn ich mir die Ausschussberatung so anschaue, stelle ich fest, dass alle Fraktionen in diesem Hause - zumindest vordergründig alle - für die Einrichtung eines solchen Beauftragten für die Bekämpfung des Antisemitismus sind.

Ich habe allerdings Zweifel, wenn ich dann die Ausführungen der AfD höre, die sich mit der Begründung, dass die Unabhängigkeit nicht gewährleistet sei, gegen die bestehende Konstruktion wendet. Das war ja das einzige sachliche Argument, das Sie genannt haben. Sie haben die Sorge, dass dann, wenn dieser Beauftragte bei der Regierung angesiedelt sei, nur bestimmte Formen von Antisemitismus in den Blick genommen würden. - Dafür gibt es aus meiner Sicht überhaupt keinen Anhaltspunkt.

Ich finde, dass dieser Weg mit Herrn Dr. Enste als Beauftragtem gegen Antisemitismus, so wie er beschritten worden ist und so wie er sich jetzt zeigt, genau der richtige Weg ist. Wir haben hier eine herausragend geeignete Persönlichkeit, bei der gar kein Verdacht besteht, dass sie sich in irgendeiner Weise durch das Ministerium in ihrer Unabhängigkeit beeinflussen ließe.

Insofern gibt es aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund gibt, hier über einen solchen Gesetzentwurf zu debattieren. Insofern wäre es eigentlich der

sinnvolle Weg gewesen, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Es ist Ihr gutes Recht, ihn aufrechtzuerhalten, aber selbstverständlich werden wir als FDP-Fraktion ihn nicht unterstützen können. Denn mit der gefundenen Lösung sind wir sehr einverstanden. Wir halten diese für richtig. Man kann sicherlich nach ein paar Jahren mal schauen, ob es an der einen oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf gibt. Aber das zeichnet sich im Moment nicht ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Danke vielmals, Herr Dr. Birkner. - Jetzt bekommt die Justizministerin, Frau Barbara Havliza, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Antisemitismus muss in allen seinen Ausprägungen und Formen immer und überall bekämpft werden. Es braucht dafür ein mutiges Eintreten von Staat und Gesellschaft gegen Vorurteile, gegen verbale Ausschreitungen und gegen tätliche Angriffe auf jüdische Bürgerinnen und Bürger. Das jüdische Kulturleben und das religiöse Judentum in seinen vielfältigen Strömungen bereichern unser Land, und sie gehören zu unserer Geschichte. Noch mehr als das: Wir können glücklich sein, dass trotz der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus ein vitales und wachsendes Judentum Teil unserer Gegenwart ist. Seine Zukunft zu sichern, ist ein Kernanliegen dieser Landesregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat deshalb auf die Zunahme von antisemitischen Vorfällen mit der Einrichtung der Stelle eines Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und - das sei betont - für den Schutz jüdischen Lebens bereits im vergangenen Jahr reagiert. Die vorbereitenden Gespräche datieren noch weit vor den Anschlag auf die Synagoge in Halle, der am 9. Oktober 2019 stattgefunden hat, zurück. Dieses Verbrechen und auch die Mordtaten im hessischen Hanau haben die Wichtigkeit einer solchen Einrichtung auf wirklich tragische Weise untermauert.

Es freut mich, dass das Land Niedersachsen zum 1. November 2019 - ich meine, es war sogar schon im Oktober 2019 - die Funktion eines Landesbe

auftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens ins Leben gerufen hat. Mit Herrn Dr. Franz Rainer Enste, der hier heute anwesend ist, ist die Position mit einem Mann besetzt - Herr Dr. Birkner hat es eben auch betont -, der jeden Winkel unseres Bundeslandes kennt und der das jüdische Leben seit Jahren aktiv unterstützt und begleitet. Vor allem besitzt Herr Dr. Enste hohe Reputation bei den Menschen jüdischen Glaubens und in den jüdischen Gemeinschaften.

Breite gesellschaftliche Akzeptanz, ein hohes Ansehen der Person sowie persönliche und sachliche Unabhängigkeit sind für diese wichtige Aufgabe unabdingbar. Als Anlaufstelle für Anliegen aus der Bürgergesellschaft, aus den Religionsgemeinschaften, aus Politik und Verwaltung füllt der Landesbeauftragte das Wächteramt aus, das es braucht, um auf das Thema Antisemitismus hinzuweisen. Seine Geschäftsstelle hat ihren Sitz im Niedersächsischen Justizministerium. Diese organisatorische Anbindung macht Sinn; denn dort wird durch den Landespräventionsrat das fachliche Know-how der Extremismusprävention gebündelt.

Meine Damen und Herren, die Stimme des Landesbeauftragten ist die eines Warnenden und Mahnenden. Aber nicht nur das, er berät Politik und Verwaltung, Vereine, Verbände und Öffentlichkeit, wie antisemitischen Tendenzen vorgebeugt werden kann. Er wirkt in politische und gesellschaftliche Prozesse hinein. Das reicht - im Kleinen - vom Rat zur Frage eines Schülers, wie an der Schule das Thema Antisemitismus bearbeitet werden könnte, bis - im Großen - zur Beratung und Unterstützung von Politik und Verbänden.

Der Landesbeauftragte hat seit dem Herbst engen Kontakt zu den beiden jüdischen Landesverbänden aufgebaut und bereits zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft und der Sicherheitsbehörden geführt. Bedauerlich ist, dass sein wirklich ambitionierter Fahrplan zum Besuch der jüdischen Gemeinden im Land seit März Coronabedingt unterbrochen werden musste. Der Landesbeauftragte hat es sich zum Ziel gesetzt, eine Bestandsaufnahme zu erstellen, was das Land Niedersachsen und die einzelnen Ressorts der Landesregierung im Kampf gegen den Antisemitismus bereits geleistet haben. Er erwartet hier zu Recht die volle Unterstützung von Politik und Verwaltung.

Doch sein Auftrag ist nicht begrenzt auf das Eintreten gegen Antisemitismus, wie es die Überschrift des vorliegenden AfD-Gesetzentwurfs formuliert. Er bezieht gleichrangig den Schutz für jüdisches Lebens ein

(Glocke der Präsidentin)

- ich komme gleich zum Schluss -, für ein selbstbewusstes, zukunftsträchtiges und vielseitiges niedersächsisches Judentum. Ein besonderer Höhepunkt liegt in wenigen Monaten vor uns. Das Jahr 2021 wird das Festjahr zu 1 700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland sein.

Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung hat mit der Einrichtung eines Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens ein klares Signal gesetzt. Zudem fördern wir über den Landespräventionsrat gezielt Projekte der Antisemitismusprävention.

Auf diesem Wege werden wir beharrlich voranschreiten. Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion dürfte sich damit tatsächlich erübrigt haben.

Mir bleibt an dieser Stelle der herzliche Dank der Landesregierung an Herr Dr. Enste, der sich dieser in jeder Hinsicht herausfordernden Aufgabe im Ehrenamt angenommen hat.

Vielen Dank dafür und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Wir haben jetzt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in der Drucksache 18/2903 für erledigt erklären will, den bitte ich nun um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gegenstimmen bei der AfD. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann wurde der Beschlussempfehlung mit großer Mehrheit gefolgt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5: Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Staatsgerichtshofs - Wahlvorschlag des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs - Drs. 18/6088 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/6845

Der Wahlvorschlag des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs in der Drucksache 18/6088 - - -

(Christian Grascha [FDP]: Wir hatten eigentlich vereinbart, dass Tagesord- nungspunkt 8 ebenfalls vorgezogen wird!)

- Das hat mir niemand gesagt. Hier liegt auch kein Zettel.

(Christian Grascha [FDP]: Weiterma- chen!)

Der Wahlvorschlag des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs in der Drucksache 18/6088, der vom 19. Februar 2020 stammt, sieht vor, Frau Dr. Ulrike Sassenberg-Walter für eine Amtszeit vom 5. Mai 2020 bis zum 4. Mai 2027 als stellvertretendes Mitglied des Staatsgerichtshofs wiederzuwählen.

Da wir die Wahl erst heute durchführen, liegt Ihnen zusätzlich ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der Drucksache 18/6845 vor, der darauf zielt, Frau Dr. SassenbergWalter für eine Amtszeit wiederzuwählen, die heute beginnt und am 29. Juni 2027 endet.