Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen für Zusatzfragen vor. Damit schließe ich die Dringliche Anfrage zu den Schlachthöfen.
Bevor wir in der Tagesordnung mit der Dringlichen Anfrage der FDP fortfahren, nehmen wir im Präsidium hier oben einen Wechsel vor. Ich bitte um eine kurze Pause.
(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult sowie den Platz der Sitzungsleitung)
c) Bricht dank des Gutachtens des Unternehmens HYDOR Consult GmbH nun ein neues Nitratmessstellenzeitalter in Niedersachsen
Zur Einbringung dieser Anfrage hat sich der Kollege Grupe gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Am 1. April 2020 wurden die Ergebnisse des Fachgutachtens „Evaluierung der Einstufung von 41 Grundwasserkör
pern in den schlechten chemischen Zustand wegen Nitrat für den zweiten Bewirtschaftungsplan nach EG-WRRL im Jahr 2015 durch den NLWKN“ veröffentlicht. Das Gutachten stellt fest:
„Das deutsche EU-Nitratmessnetz z. B. beinhaltet im Gegensatz zu allen anderen Staaten ausschließlich grundwasseroberflächennah verfilterte Messstellen in primär landwirtschaftlich genutzten Gebieten.“
Dies führe zu deutlich höheren berichteten Nitratkonzentrationen im Vergleich mit anderen Staaten und stehe nicht im Einklang mit der EGNitratrichtlinie von 1991. Laut dem Gutachten weisen die verwendeten „Typflächen/Teilräume“ „keine ausreichend einheitlichen hydrogeologischen Eigenschaften auf“. Zudem schwanke die Größe dieser Flächen stark, weshalb die fixe Festlegung einer Messstellenanzahl im Schema nicht sinnvoll sei (Gutachten HYDOR Consult GmbH „Evaluie- rung der Einstufung von 41 Grundwasserkörpern in den schlechten chemischen Zustand wegen Nitrat für den zweiten Bewirtschaftungsplan nach EG- WRRL im Jahr 2015 durch den NLWKN“, Kurzfas- sung).
Aus Sicht des Landvolks Niedersachsen sind die Ergebnisse des Gutachtens „erschreckend“ und machen Mängel an zahlreichen Messstellen und der Repräsentativität des Messstellennetzes deutlich.
1. Inwiefern werden nun die „behördlich gewählten ‚Einwirkungsgebiete‘“ den „tatsächlichen, geohydraulisch definierten Neubildungsbereichen der Messstellen“ angepasst?
2. Inwiefern setzt sich die Landesregierung zukünftig dafür ein, dass das Messstellennetz an die Maßgabe der EG-Nitratrichtlinie von 1991 angepasst wird, damit dieses für das gesamte Grundwasservorkommen repräsentativ ist und nicht mehr „ausschließlich grundwasseroberflächennah verfilterte Messstellen“ beinhaltet?
3. Inwiefern werden die sogenannten Typflächen/Teilflächen in ihren hydrogeologischen Eigenschaften und ihrer Größe vereinheitlicht, sodass sie einem repräsentativen Maß entsprechen?
(Minister Olaf Lies: Ne, ne, ne! - Ge- genruf von Hermann Grupe [FDP]: Nicht mal mein Enkelsohn ist so ängstlich wie du! - Gegenruf von Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber bei Bartträgern ist das Infektionsrisiko auch höher! - Heiterkeit)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Hermann Grupe, das war jetzt nicht deinetwegen. Ich wollte nur nicht, dass wir in Misskredit geraten, weil wir beide nun ohne Wechsel der Schaumstoffhülle hier sprechen.
Zunächst einmal vielen Dank für die Gelegenheit. Wir haben ja in den letzten Runden immer wieder über den aktuellen Sachstand berichtet. Vielleicht kann ich das an dieser Stelle einpflegen.
Wir haben uns in der Vergangenheit sowohl mit dem Gutachter als auch mit Vertretern des Landvolkes eng ausgetauscht. Im Herbst letzten Jahres gab es ein Gespräch, auch hier am Rande des Plenums, um einmal zu beschreiben, was eigentlich gemacht wird. Der Gutachter selbst - das ist in dem Gutachten auch sehr gut beschrieben - hatte dann auf die Daten des NLWKN zurückgegriffen - auf die, die man ihm geben konnte. Bei denen, die man ihm nicht geben konnte, ist das aber kein Mangel an Daten, sondern ein Mangel an direktem Zugriff.
Wir haben auch jetzt, am 29. April, wieder eine Videoschalte gemacht, um noch einmal alle Beteiligten zusammenzuholen und die Fragestellungen, die aufgeworfen worden sind, zu diskutieren.
Ich will vorweg aber auch sagen: Die Interpretation des Gutachters bezüglich der Fragen: „Was sind denn Mängel? Was sind denn dann gravierende Mängel? Es ist ja fast alles ein gravierender Man
gel. Hat dieser Mangel auch einen Einfluss auf den Messwert, oder ist das ein Mangel, der in der Struktur der Dokumentation, wenn sie nicht tatsächlich sogar vorgelegen hat, oder in der Frage von Verkehrssicherheit oder anderen Fragen begründet war?“, ist an dieser Stelle in dem Gutachten nicht ausdifferenziert. Aber ich finde, dazu dienen ja die weiteren Gespräche.
Ich will ein Zweites vorab sagen: Manchmal entsteht der Eindruck, wir hätten uns in den letzten zwei Jahren ausgedacht, wie wir Grundwasserkörper untersuchen, wie wir Teilflächen oder Teilgebiete ausweisen und wie wir dann damit umgehen. Ich will das nur noch einmal sagen. Das ist ja etwas, was schon seit langer Zeit besteht. Mindestens schon 2009 und 2015 sind auch diese Teilflächen im Rahmen der Bewirtschaftungspläne noch einmal betrachtet worden. Ich will nur nicht, dass der Eindruck entsteht, das hat man sich jetzt neu ausgedacht. Das ist etwas, was wir schon seit Jahren haben.
Deshalb werbe ich immer wieder sehr dafür, sich den Grund der Diskussion noch einmal anzusehen. Der Grund der Diskussion ist nicht das „rote“ Gebiet; denn auch das haben wir seit 15, 16, 17, 18, 20 Jahren. Dies hat ja niemanden direkt betroffen. Der Grund der Diskussion ist vielmehr die Frage: Sind die Pauschalen minus 20 % richtig? Ich will eingangs nur sagen: Die Pauschalen minus 20 % sind falsch. Christian Meyer und wir alle haben hier gesagt: Die sind falsch.
Man muss gucken, wo der Verursacher ist, und den Verursacher muss man dann kriegen. Das also nur, damit wir nicht von dem falschen Sachstand ausgehen.
Das Problem liegt nicht in der Messung; davon bin ich überzeugt. Das Problem liegt auch nicht bei den Kolleginnen und Kollegen des Gewässerkundlichen Landesdienstes, des NLWKN und des LBEG. Das Problem liegt darin, dass wir zu undifferenziert mit den Daten, die uns vorliegen, umgehen würden, wenn wir genau so handeln würden. Das war auch der Grund, weshalb gerade die Landwirtschaftsministerin Frau Otte-Kinast und ich gemeinsam immer wieder dafür geworben haben - ich hoffe, wir sind da jetzt auch einen Riesenschritt vorangekommen -, dass es zu einer möglichst klugen Form der Binnendifferenzierung und nicht zu einer pauschalen Form kommt.
Zu der Frage der Bewertung des Gutachtens will ich sagen: Wir hatten in dieser Woche ein Gespräch mit dem Wasserverbandstag. Die Vertreter des Wasserverbandstages waren auch in der Runde dabei, die wir mit dem Gutachter und dem Landvolk hatten. Das ist deshalb wichtig, weil 326 Messstellen Grundwassermessstellen Dritter sind. Die gehören hauptsächlich den Wasserversorgungsunternehmen. Das heißt, der Vorwurf, die Messstellen sind nicht in Ordnung, richtet sich damit auch an die Wasserversorgungsunternehmen, die ja diese Messstellen zur Verfügung stellen, auch für unser Messnetz im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie, das wir nutzen. Die sagen eindeutig: Die dargestellten vermeintlichen Mängel haben keine Auswirkungen auf die Messwerte und ändern damit nichts an der Tatsache, dass wir in Niedersachsen einen deutlichen Nitratüberschuss haben. - Ich will das an dieser Stelle nur sagen, nicht dass der Eindruck entsteht, das sind nur unsere eigenen Messstellen.
Das Gleiche gilt für die Feststellungen, die der Gewässerkundliche Landesdienst, der NLWKN und das LBEG, machen; die beiden bilden ja zusammen den Gewässerkundlichen Landesdienst. Die stellen das in gleicher Art dar und sagen: Das ist keine Grundlage dafür, jetzt grundsätzlich auch die Bewertung oder die Einstufung der Grundwasserkörper infrage zu stellen.
Das ändert aber nichts daran - auch das habe ich bei den letzten Malen gesagt -, dass wir uns trotzdem im Kabinett darauf festgelegt haben - aber auch in dem Handeln, das wir vollziehen -, diese Messstellen auf Funktionalität und Qualität zu überprüfen. Das ist auf der einen Seite die kontinuierliche Funktionsprüfung, die wir im Rahmen der Messungen immer machen. Das ist auf der anderen Seite das turnusmäßige Überwachungsprogramm - das, wovon ich gesprochen habe -, in dessen Rahmen wir alle Messstellen untersuchen werden. Aber bei der Vielzahl der Messstellen und der Größe des Programms ist natürlich eine Vergabe auf europäischer Ebene notwendig, was aber sicherstellt - das ist unser Ziel -, dass die Messstellen in den „roten“ Grundwasserkörpern auf jeden Fall bis Ende des Jahres, bis Ende November untersucht sind, sodass wir also nicht in eine Kulisse gehen, in der wir diese Frage nicht beantworten können. Ich glaube, das ist für alle Beteiligten wichtig.
Ich glaube, was auch wichtig ist, ist, dass wir damit einen Sachstand, bezogen auf die Grundlage der Messungen, haben.
Das Zweite ist - das ist dann der wichtige Punkt; deswegen habe ich das eingangs noch einmal gesagt -: Wie sieht am Ende eigentlich die Binnendifferenzierung aus? Das eine ist der „rote“ Grundwasserkörper, den wir aufgrund der Messwerte feststellen. Dann kommen die nächsten Fragen, die sich beispielsweise auf die Teilräume oder die Binnendifferenzierung beziehen.
Dafür - das war aus meiner Sicht der Erfolg der Kollegin Frau Otte-Kinast und auch von uns gemeinsam, die mit sehr viel Nachdruck gesagt haben, dass wir eine andere Form brauchen - wird zurzeit eine allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundes erarbeitet. Sie wird von einer Projektgruppe, die aus den Abteilungsleitern des Bundes und der Länder besteht, unter der gemeinsamen Leitung vom BMEL und BMU erarbeitet. Das ist dabei ganz wichtig. Dafür gibt es einen Projektbeirat. Der Projektbeirat diskutiert auch genau diesen Punkt sehr aktuell in diesen Tagen: Wie sieht jetzt eigentlich die Binnendifferenzierung aus, und was ist für die Binnendifferenzierung eigentlich ausschlaggebend, um sie zu vollziehen?
Darunter gibt es Arbeitsgruppen bezüglich der Nitratgebiete und der Phosphatgebiete. Dabei geht es um die Definition: Was sind die Anforderungen an die Grundwassermessstellen? Wie ist der Diskussionsstand um die WasserrahmenrichtlinienMessstellen? Es geht also um all die Fragen, die wir haben, die aus meiner Sicht auch berechtigt sind, die wir gar nicht infrage stellen und die in die Bearbeitung einfließen, die jetzt im Bund vorgenommen wird und die dann auch dafür sorgt - ich glaube, das ist wichtig -, dass wir ein bundeseinheitliches Verfahren haben. Das ist das, worauf Verlässlichkeit beruht, nämlich dass wir überall das Gleiche machen.
Ich will noch einmal deutlich machen: Wir haben etwas übernommen, was vor - ich weiß nicht - 15, 20 Jahren einmal aufgestellt worden ist. Das ist jetzt in eine Form gekommen, dass es eine Auswirkung gibt, die es bisher nicht gab. Wir gucken uns sehr genau an, wie eigentlich die Grundlage dafür ist. Deswegen finde ich es auch klug und richtig, dass jetzt die Arbeitsgruppe auf Bundesebene arbeitet und dann am Ende die Verwaltungsvorschrift das auch bundeseinheitlich vernünftig für alle regelt.