Protocol of the Session on May 13, 2020

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Bajus.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade jetzt in der Krise erleben wir wieder: Gesellschaft konstituiert sich durch Kooperation, nicht durch Konkurrenz. Die Menschen stehen tatsächlich zusammen, helfen sich und anderen. Bei vielen Freiwilligenagenturen ist die Anzahl der Leute, die sich melden und helfen wollen, größer als die Zahl der Einsatzmöglichkeiten. Neue Nachbarschaftshilfen wurden organisiert. Viele bieten ihre Dienste an, damit Risikogruppen zu Hause bleiben können.

Wir sind all diesen Engagierten sehr dankbar, genauso natürlich denen, die sich schon seit Langem im Sozialbereich, im Umweltschutz, in der Jugendarbeit, im Sport, im Katastrophenschutz engagieren, und überhaupt allen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Die Mehrheit sind Frauen!)

In der Tat - Frau Janssen-Kucz hat es eben dazwischengerufen -: Die Mehrheit sind Frauen. In Ihrem Antrag steht übrigens etwas anderes; wir sehen es nur nicht so, weil wir Männer uns gerne nach vorne drängen.

(Zuruf von der SPD: Dann lasst das doch einfach mal!)

Aber das darf man an dieser Stelle wirklich nicht vergessen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Trotz aller Bereitschaft wird es tatsächlich für immer mehr Menschen schwieriger, ein Ehrenamt auszuführen.

Einer der Gründe ist zweifelsohne die rasante Änderung der Arbeitswelt: die erhöhte Arbeitsdichte, die Doppelbelastung, die wachsende Mobilität, die Ansprüche an Flexibilisierung. Immer weniger Menschen finden die Zeit, sich neben Beruf und Privatem dauerhaft und vor allen Dingen verbindlich und regelmäßig zu engagieren. Stattdessen erleben wir ein großes Interesse an projektorientiertem Engagement.

Aber das ist alles doch gar nichts Neues. Was wir brauchen, ist mehr Unterstützung für Ehrenamtsstrukturen, die diesen gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen:

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie entlasten wir die Vereine von Bürokratie? Wie helfen wir Initiativen bei den Formalia? Wie schaffen wir Anreize für regelmäßige Einsätze?

Mal ehrlich: Brauchen wir dafür eine Enquete? Brauchen wir nicht einfach ein gemeinsames, entschlossenes, ressortübergreifendes Handlungsprogramm, das konzeptionelle und strukturelle Unterstützung vor Ort ermöglicht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Verdacht drängt sich auf: Statt loszulegen, wollen Sie nur vertagen.

(Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss.

Ich darf daran erinnern - Frau Janssen-Kucz hat es hier gerade noch einmal gesagt -: Als wir eine Enquete zum wirklich anspruchsvollen Parité-Gesetz vorschlugen - was ein neues Thema ist -, haben Sie gesagt: Das schaffen wir nicht! Zu hohe Arbeitsbelastung! Abgewiesen!

Und jetzt?

Und jetzt ein letzter Satz!

Noch einmal: Wenn diese Enquete nicht mehr ist als ein Arbeitskreis, weil die GroKo nicht mehr weiter weiß, dann können wir gerne darauf verzichten.

Wir warten weiter gespannt auf Ihre Argumente. Bisher war da ja noch nichts zu hören.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Wir fahren in der Rednerliste fort. Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Schepelmann das Wort.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

- Ein großer Fanclub erwartet Sie. Und das vor der Rede!

(Dirk Toepffer [CDU]: Hoffentlich kannst du die Erwartungen erfüllen!)

Das baut Druck auf, ja.

(Heiterkeit - Helge Limburg [GRÜNE]: Die Kollegen klatschen vorher, weil sie sich nicht sicher sind, dass sie es hinterher noch können!)

Jetzt darf ich um Ruhe für den Kollegen bitten.

Ich sage schon jetzt: Herzlichen Dank. - Aber ich will auch noch etwas sagen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die Bedeutung des Ehrenamts ist in der Tat schon viel gesagt worden. Jede gute Rede bei egal welcher Veranstaltung beinhaltet den Dank an die ehrenamtlichen Helfer vor Ort, und das natürlich zu Recht. Denn Fakt ist doch: Ohne Ehrenamt ist kein Staat zu machen. Jeder Verein, jedes Dorffest und auch große Teile unseres Staatswesens laufen durch Ehrenamtliche und mit Ehrenamtlichen.

Bei uns in Niedersachsen wird das Ehrenamt hochgehalten. Fast jeder Zweite über 14 Jahren in unserem Land engagiert sich ehrenamtlich. Das Spektrum hierbei ist gigantisch. Ob bei der Feuerwehr, beim DRK, im Sportverein, im Heimatverein, im Schulverein, bei der örtlichen Tafel oder z. B. in der Kommunalpolitik: Überall engagieren sich Menschen für andere Menschen.

Auch mein eigenes Leben ist geprägt vom Ehrenamt: sei es in jüngeren Jahren als - nicht wirklich begabter - Nachwuchsfußballer, der den ehrenamtlichen Trainern und - nicht zu vergessen - den ehrenamtlichen Fahrern zu den Spielen viel zu verdanken hat; sei es - seit meinem 17. Lebensjahr - als aktives Mitglied meiner Ortsfeuerwehr.

(Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Und die Junge Union nicht zu vergessen!)

- Ja, die auch noch, genau.

Wir alle wissen: Ein Ehrenamt gibt einem Menschen sehr viel, und der Wert dieser Arbeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Darum ist es natürlich unsere Pflicht, all diesen Mitmenschen jeden Tag aufs Neue für ihr Engagement vor Ort von Herzen Dank zu sagen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Für uns als verantwortliche Landespolitiker darf es aber eben nicht beim bloßen Dank bleiben. Auch wenn das Ehrenamt in 2020 nicht akut bedroht ist, müssen wir darauf achten, dass die Attraktivität des Ehrenamts hoch bleibt.

Und auch das ist eine Binse: Jede Zeit bringt ihre Herausforderungen mit sich. Wir erleben z. B. seit einigen Jahren eine zunehmende Individualisierung unserer Gesellschaft. Während der Ruf nach dem Staat immer lauter wird, schwindet die Bereitschaft, selbst Verantwortung auch gegenüber anderen Menschen vor Ort zu übernehmen.

Aber auch die finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten vieler unserer Mitmenschen haben sich

geändert. Das wissen wir. Und der Fortschritt der Technik hat natürlich auf das Ehrenamt selber, aber auch auf die Bereitschaft, ein solches auszuüben, erheblichen Einfluss.

Zu guter Letzt - so ehrlich, glaube ich, müssen wir an dieser Stelle sein - sorgte auch die Politik - der Gesetzgeber - in den vergangenen Jahren mit so mancher Entscheidung für Kopfschütteln bei den Ehrenamtlichen vor Ort. Nicht alle Auflagen und Beschlüsse, die wir gefasst haben, nicht alle Verordnungen sind am Ende so gut, wie sie sicherlich gemeint waren.

Als Landtag müssen wir all dies betrachten, und wir müssen ins Gespräch kommen: mit Politikern, mit Parteien, mit Verbänden und natürlich vor allem mit den vielen, vielen Ehrenamtlichen in unseren Ortschaften und Städten. Hierfür brauchen wir die Enquetekommission „Ehrenamt“, und hierfür wollen wir sie einrichten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Die alles entscheidende Frage, die wir gemeinsam beantworten müssen, ist doch: Wie müssen wir die Rahmenbedingungen fürs Ehrenamt festsetzen, ergänzen und überarbeiten, damit Niedersachsen auch in Zukunft ein Land mit starkem ehrenamtlichem Gemeinwesen bleibt?

Ja, dabei werden wir auch übers Geld reden müssen, hier aber mehr aus der Sicht der Bürokratie. Kein ehrenamtlicher Bürgermeister, keine ehrenamtliche Übungsleiterin und kein Vereinsvorsitzender erfüllt seine bzw. ihre Aufgabe schließlich allein wegen der Aufwandsentschädigung. Dass aber z. B. ein solches Ehrenamt die jährliche Steuererklärung verkompliziert, das muss nicht sein. Ich glaube nicht, dass es im Sinne der Erfinder war, dass man, wenn man ein Ehrenamt übernimmt, als Allererstes einen Termin bei der örtlichen Versicherung vereinbaren sollte, um sich vor drohenden Gefahren zu schützen.

Meine Damen und Herren, der Begriff „Ehrenamt“ beinhaltet „Ehre“ und „Amt“. Damit kommt schon zum Ausdruck, dass es den Ehrenamtlichen nicht um Geld geht. Das heißt, in dieser Enquetekommission wird es mal nicht so sehr um Geld und um Verteilungskämpfe gehen, sondern darum, wie wir die Ehre und Freude daran, ein Amt auszuüben, hochhalten können.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)