Der zweite Webfehler ist unserer Meinung nach die Frage der Sozialpolitik. Sie reden hier immer von sozialem Zusammenhalt, aber in Ihrem Niedersachsen-Plan kommen die sozialen Einrichtungen, die Jugendarbeit, die Frage der Behindertenwerkstätten überhaupt nicht vor, Herr Ministerpräsident. Sie haben zwar gerade gesagt, Sie arbeiten bereits an Konzepten. Aber ganz ehrlich: Der Fokus auf die soziale Frage, auf die Sozialpolitik findet bei Ihnen nicht statt.
Natürlich ist es richtig, wenn Sie sagen, Sie können Kitas und Schulen nicht komplett öffnen. Das ist nur richtig, und deswegen ist es auch sinnvoll, dass Sie jetzt mit den Betreuungsgemeinschaften, mit den Spielplätzen und auch mit der Ausweitung der Notbetreuung erste Schritte tun. Wo sind aber die Perspektiven für all die Menschen, die eben nicht von diesen Öffnungen profitieren? Wo bleibt der Einsatz für ein Corona-Elterngeld, Herr Ministerpräsident?
50 % der Eltern werden nicht in die Notbetreuung gehen. 50 % der Eltern betreuen ihre Kinder zu Hause und haben keine finanzielle und wirtschaftliche Absicherung und sind von Ängsten belastet. Wo sind die Maßnahmen für ein warmes Mittagessen für jedes Kind? Viele Kinder haben in Kita und Schule die einzige warme Mahlzeit erhalten, und
derzeit kriegen sie sie nicht. Wo sind die Lösungen, wie z. B. in Hamburg, etwa indem Essenspakete an solche Familien verteilt werden? Wo sind da Ihre Initiativen? Das machen derzeit Kommunen eigenständig, und die haben ohnehin schon kein Geld. Auch das spricht für einen kommunalen Rettungsschirm.
Bei der Frage der Schulen fokussieren Sie sich auf die Prüfungen. Aber wo sind die Antworten für Kinder, die bildungsbenachteiligt sind? Wo sind die Antworten für die digitale Ausstattung von Familien, die finanzschwach sind und sich nicht drei Laptops für ihre Kinder leisten können? Wo sind die Antworten darauf, sodass sich Lehrkräfte endlich damit beschäftigen, statt Nachprüfungen zu organisieren und Tischabstände zu messen? Warum gestaltet man die Schule jetzt nicht krisenfest neu und denkt da wirklich mal neue Wege mit? Wo ist das? Warum machen Sie das nicht? Das ist mir nicht klar.
Jetzt könnte ich Sie fast loben, weil das Thema soziale Einrichtungen dieses Mal mehr als einen Satz eingenommen hat. Es hat ungefähr fünf Sätze eingenommen.
Und dennoch: Am Ende bleiben Sie die Antworten für soziale Träger schuldig. Was ist mit den Beratungsstellen? Was ist mit der Jugendarbeit? Was ist mit den Behindertenwerkstätten? Da brennt es, und es ist relevant, diesen sozialen Zusammenhalt in Niedersachsen zu schaffen und zu erhalten. Und auch für die Kulturschaffenden und die Kommunen brauchen wir langsam Antworten, Herr Ministerpräsident. Da können wir Sie nicht aus der Verantwortung lassen.
Ich möchte Ihnen auch deutlich sagen: Verschwörungstheoretikern und Verschwörungstheoretikerinnen begegnet man nicht nur durch bloßen Widerspruch, sondern es wird auch da entscheidend sein, den sozialen Zusammenhalt zu organisieren. Auch dafür brauchen wir in Niedersachsen einen Plan, Herr Ministerpräsident. Planlos wird das nicht funktionieren.
Ich finde es erschreckend, wenn wir uns die Fleischindustrie und die Saisonarbeitskräfte anschauen. Bereits Anfang März hat meine Kollegin Miriam Staudte sehr deutlich davor gewarnt, dass die Situation in den Schlachthöfen, aber auch in
den vielen Massenunterkünften nicht haltbar ist. Wir wissen seit 2013, Herr Ministerpräsident, wie die Zustände da sind. Sie waren vor Ort und haben sich das im Landkreis Osnabrück angesehen. Wir sind sehenden Auges in eine Situation gegangen, in der hier Infektionsherde entstehen und wir ohne Not Menschen, die ohnehin schon schlecht bezahlt und unter prekärsten Bedingungen arbeiten, auch noch mit dem COVID-19-Virus gefährden. Das ist nicht zumutbar, Herr Ministerpräsident!
Wenn man das dann auch noch damit zusammen denkt, dass beispielsweise bei Amazon in Harburg massive Infektionsschutzvergehen passiert sind, müssen wir uns fragen, ob es nicht gerade der Niedriglohnsektor ist, der hier unter die Räder gerät, weil die Gesundheits- und Ordnungsbehörden der Kommunen nicht in der Lage sind, ordnungsgemäß zu überprüfen. Herr Ministerpräsident, solche Zustände dürfen wir nicht dulden!
Wenn es nicht so ernst wäre, hätte ich ja etwas schmunzeln können, als ich Ihr Interview in der Neuen Presse gelesen habe, in dem Sie sagten, dass der Verbrenner die umweltfreundliche Zukunftsperspektive für VW ist.
- Ja, Sie haben auch von der Plug-in-Technologie gesprochen, ich weiß. Aber ganz ehrlich - das muss ich Ihnen deutlich sagen -: Da sind Sie auf dem Holzweg. Wenn sich schon FDP und Grüne darin einig sind, dass eine Kaufprämie für Autos derzeit keinen wirtschaftlich sinnvollen Effekt erzielt, und wenn uns dann auch noch die Wirtschaftsweisen zustimmen, frage ich Sie: Wie können Sie einfach darüber hinweggehen und behaupten, das sei die Antwort für VW? - Das ist überhaupt keine Antwort für VW! Es wird die Probleme, die VW derzeit hat, nicht lösen. VW braucht eine andere Perspektive, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Man kann natürlich konstatieren, dass zwei Krisen auf einmal diese Unternehmen sehr stark treffen. Wir haben hier schon immer darüber geredet, dass sich VW wie auch alle anderen Autokonzerne neu aufstellen muss und dass wir hier eine Transformation voranbringen müssen. Und die Corona-Krise trifft natürlich noch einmal zusätzlich hart. Aber wir
lösen das Problem eben nicht durch diese Anreizprämie. Wir werden es damit lösen, dass wir VW darin unterstützen, ein Mobilitätsdienstleister zu werden und endlich die Lücken in der Mobilität zu schließen, die es zuhauf gibt.
Es gibt haufenweise Möglichkeiten, bei denen VW durch kluge Angebote Lücken schließen kann und bei denen wir Unternehmen dabei unterstützen können, dass sie ihre Flotten umstellen und dass es Angebote gibt, die auch mit den Zukunftsthemen vereinbar sind. Das ist die Richtung, in die wir mit VW arbeiten müssen, gerade jetzt, gerade in der Krise, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben dazu ja auch Anträge gemacht, beispielsweise für E-Taxis. Aber natürlich kann man das auch auf den ganzen Logistikbereich beziehen. Da gibt es genug, was denkbar wäre. Natürlich können auch Zulieferer stärker in die ganzen Bereiche für andere Zulieferoptionen im Mobilitätssektor gehen. Der Raum ist groß. Der Bedarf ist riesig. Mobilitätskonzepte gilt es zu entwickeln.
Und dann beschwert sich Ihr Umweltminister Lies doch gestern tatsächlich, dass Umwelt durch Corona kein Thema mehr ist. Herr Minister, ganz ehrlich: Wenn die grüne Oppositionsfraktion das macht, weil Sie immer noch kein vernünftiges Klimaschutzgesetz verabschiedet haben, was irgendwie gegen die Klimakrise in Niedersachsen wirkt, dann kann ich das ja verstehen. Aber Sie sind doch Landesminister. Sie sollten das Thema auf die Agenda setzen und vorantreiben. Das wäre doch gerade Ihre Aufgabe.
Und dann habe ich den Antrag der SPD zur Aktuellen Stunde gelesen. Der heißt: „Pandemie, Klimawandel und veränderte Bedrohungslagen: Jetzt die Weichen für einen modernen Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in Niedersachsen stellen!“ Dabei wurde mir klar: Wenn natürlich Ihre Fraktion vor allem Symptombekämpfung beim Klimawandel betreiben will und gar nicht mehr an die Ursachen herangehen und die Klimakrise verhindern möchte, dann müssen Sie in der HAZ aufschreien. Da habe ich das verstanden.
Ich kann Ihnen sagen: Wir werden weiter mit Ihnen gemeinsam an einem Strang ziehen, gegen die Klimakrise und für eine Energiewende, Herr Minister.
Das tun wir natürlich am besten, indem wir ein Konjunkturprogramm mit genau diesen sozialökologischen Kriterien schnüren. Herr Ministerpräsident, es ist jetzt entscheidend, die Weichen für ein Konjunkturprogramm nach der akuten Krise zu stellen und Zukunftsinvestitionen nach sozialen und ökologischen Kriterien zu tätigen. Wir haben massive Investitionsbedarfe in vielen Bereichen - sei es die Digitalisierung, aber auch die Frage der Energiewende, die Frage der Mobilitätswende. Auch das Thema Agrar brennt ja schon seit Jahren. Hier Investitionen in die Zukunft zu tätigen und das jetzt bereits als Politik anzukündigen und vorzubereiten, das wäre Ihre Aufgabe. Es ist der dritte Fehler des Niedersachsen-Plans, dass Sie genau das nicht tun, Herr Ministerpräsident.
Wenn Sie sich dann auch noch entscheiden würden, das Parlament künftig besser und sinnvoll zu beteiligen, muss ich Ihnen sagen: Dann werden Ihre Antworten für Niedersachsen irgendwann wirklich richtig gut. Wir stehen auf jeden Fall bereit, uns konstruktiv an diesen Beratungen zu beteiligen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Gleich hat das Wort für die SPD-Fraktion die Vorsitzende, Frau Modder. Einen Moment noch, Frau Modder!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Niedersachsen geht voran. Das Land fährt wieder hoch.“ „Corona-Lockerungen - viele Länder folgen dem Beispiel Niedersachsens.“ Oder: „Der Weg aus der Krise.“ Oder auch: „Einig in der Uneinigkeit.“ Oder auch: „Deutschland kommt besser durch die Krise.“ - So oder so ähnlich die Meldungen der letzten Woche.
Herr Ministerpräsident, Sie haben mit der Vorstellung des Stufenplans „Niedersächsischer Weg hin zu einem neuen Alltag mit Corona“ genau den richtigen Zeitpunkt gewählt und ein bundesweit deutliches Signal gesetzt, wie Krisenmanagement
Meine Damen und Herren, der niedersächsische Weg, der Fünf-Stufen-Plan der Landesregierung, beschreibt unseren Weg aus dem Shutdown und gibt mit seinem ganzheitlichen Ansatz den verschiedenen Bereichen Sicherheit und - ich finde auch - Perspektiven zurück. Nicht zu wissen, wie es weitergeht, wie lange der Lockdown anhält, war für viele Menschen in unserem Land, auch aufgrund der positiven Entwicklung bei der Zahl der Neuinfektionen, immer schwerer zu verstehen und auch zu akzeptieren. Schließlich reden wir über tiefe Einschränkungen unserer Grundrechte.
Dieser Fünf-Stufen-Plan ist in weiten Teilen des Landes mit großer Erleichterung und auch mit Dank und Respekt angenommen worden. So wichtig es war, den Shutdown bundeseinheitlich durchzusetzen, so wichtig ist es jetzt, auch den Weg aus der Krise zu beschreiben.
Die Meldung „Einig in der Uneinigkeit“ beschreibt es ziemlich genau; denn der Ärger über das uneinheitliche Vorgehen oder - besser gesagt - der Überbietungswettbewerb einiger Bundesländer in der Vergangenheit wurde immer mehr zur Belastungsprobe, nicht zuletzt auch für die Frau Kanzlerin.
Meine Damen und Herren, ich will bei aller Freude über diese weiteren Lockerungen aber auch auf die Gefahren hinweisen; denn keiner von uns weiß, ob und wie sich diese Neuinfektionen niederschlagen. Wir müssen immer wieder auf die Gefährlichkeit dieses Coronavirus hinweisen und dürfen das Erreichte jetzt nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Deshalb gilt nach wie vor und vielleicht sogar noch stärker als vorher, die Hygiene- und Abstandsregelungen wirklich konsequent einzuhalten. Das Coronavirus ist in Deutschland und wird, solange wir keinen Impfstoff haben, auch weiterhin unseren Alltag begleiten.
Meine Damen und Herren, ich erlebe spätestens nach der Pflicht, eine Mund-Nase-Bedeckung beim Einkauf oder im ÖPNV zu tragen, sehr stark, besonders aber beim Einkaufen, dass weniger auf genügend Abstand geachtet wird. Es entsteht vermehrt der Eindruck: Trage ich eine Maske, braucht der Abstand nicht groß sein. - Sie haben vielleicht heute Morgen die Bilder von der BorkumFähre in Emden gesehen, also welche Schlangen sich dort gebildet haben. Das geht natürlich nicht.
Bitte lassen Sie uns gemeinsam immer und immer wieder deutlich machen: Nur wenn wir die geltenden Hygienemaßnahmen, die Kontaktbeschränkungen sowie die Abstandsgebote weiterhin konsequent einhalten, können wir auch weitere Lockerungsschritte gehen.
Meine Damen und Herren, nach der Bund-LänderVereinbarung der letzten Woche wurde der Eindruck vermittelt, der Bund ziehe sich jetzt zurück und jetzt hätten die Länder die Verantwortung. Dieser Eindruck täuscht. Die Bundesländer hatten schon immer die Verantwortung. Vielleicht gehört dazu auch, dass es bei unterschiedlichen Entwicklungen der Zahl der Infektionen in den Bundesländern zu unterschiedlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen kommen muss. Den Menschen allerdings, die in den Grenzregionen wohnen, wird dies nach wie vor schwer zu vermitteln sein. Aber das haben wir, wie ich glaube, nach den Erfahrungen in den letzten Wochen auch selber immer wieder gemerkt, und das ist somit nichts Neues.