Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt ist es ein Jahr her, dass die Missbrauchsfälle von Lügde bekannt geworden sind. Im Jugendamt Hameln-Pyrmont ist seitdem einiges passiert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden fortgebildet, ein Präventionskonzept wird erarbeitet, und mit dem Jugendamt Lippe will man sich künftig besser austauschen.
Mein Dank geht zunächst auch noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen im Sozialausschuss, an die Ministerin und auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums. Wir alle gemeinsam haben uns in den vergangenen Wochen und Monaten viel Zeit genommen, um über diese Punkte, die jetzt anstehen, zu reden. Es ist anders, als es Herr Wichmann sagt: Natürlich gibt es einen gemeinsamen Willen, so schnell wie möglich zu Verbesserungen zu kommen.
Die strukturellen Defizite in der Jugendhilfe im Rest des Landes existieren weiterhin, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, in denen der Fall Lügde zum Anlass genommen wurde, Strukturen zu überprüfen.
Wir haben deshalb mehrfach für einen Sonderausschuss geworben, um den Fall von Lügde sehr umfänglich aufzuarbeiten und daraus Maßnahmen für das ganze Bundesland abzuleiten. Denn eines ist völlig klar: Wir brauchen überall in Niedersachsen für Kinder die gleichen Schutzstandards.
Die Landesregierung hat sich dazu entschieden, den Fall Lügde vom Landespräventionsrat aufarbeiten zu lassen. Die entsprechende Kommission hat gerade erst ihre Arbeit aufgenommen. Die ersten Ergebnisse sollen im Frühjahr vorliegen.
Insofern irritiert mich ein bisschen der Zeitpunkt, zu dem Sie diesen Antrag einbringen. Denn wir werden mit den Ergebnissen der Expertinnen und Experten sicherlich noch neue Maßnahmen und Ratschläge genannt bekommen.
Wir hatten im Sozialausschuss bereits eine umfangreiche Anhörung zum Thema Kinderschutz. Darin sind viele verschiedene Maßnahmen benannt worden, wie wir den Kinderschutz in Niedersachsen verbessern können.
In Ihrem Antrag findet sich aber nur ein ganz kleiner Teil von diesen Ratschlägen, nämlich in genau 3 von 22 Punkten. Die übrigen Punkte sind Forderungen, die sich im Wesentlichen darauf beschränken, Angebote bekannter zu machen oder weiterhin umzusetzen. Das kann sicherlich nicht schaden, aber wir brauchen mehr.
Einen ganz wesentlichen Punkt lassen wir bisher völlig außer Acht: Die Situation in den Jugendämtern, wie sie sich derzeit darstellt. Beinahe alle Angehörten haben seinerzeit darauf aufmerksam gemacht, dass wir hier dringend personelle und finanzielle Verbesserungen brauchen. Frau
Wenn sich an diesem Zustand nichts ändert, ist es tatsächlich nur eine Frage der Zeit, bis sich Fälle wie Lügde, Emsbüren oder Gifhorn wiederholen.
Auch beim Thema Partizipation muss mehr passieren. Das wurde in der Anhörung ebenfalls angeregt. Wir werden nämlich vor Ort konkrete Strukturen brauchen, um Kinder und Jugendliche dahin zu bringen, dass sie sich tatsächlich früh mit solchen Dingen an Schutzpersonen wenden.
Das Thema zunächst mit den Jugendhilfeträgern zu besprechen, ist zu wenig. Wir müssen an der Stelle auch Geld in die Hand nehmen.
Der Schutz von Kindern im digitalen Raum fehlt in dem Antrag ebenfalls vollständig. Dabei müssen wir sehr genau hinschauen, wie wir Datenschutz und Kinderschutz zusammenbringen.
In der Debatte zum Kinderschutz wird immer wieder gefordert, dass wir zu einer Kultur des Hinschauens kommen müssen. Immerhin, da scheint es langsam eine Sensibilisierung zu geben. Im letzten Jahr sind doppelt so viele Kindeswohlgefährdungen gemeldet worden wie in den Vorjahren.
Genau das ist der Punkt: Je mehr von diesen Gefährdungen gemeldet werden, desto wichtiger ist es, dass wir auch wirklich Geld in die Hand nehmen, um die vorhandenen Strukturen dauerhaft zu verbessern.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss und hoffe, dass wir diesen Antrag gemeinsam noch ein bisschen aufwerten können und auch das nötige Geld dafür bereitstellen, damit sich die Strukturen landesweit verbessern.
Danke, Frau Kollegin Piel. - Für die Landesregierung erhält nun die Sozialministerin, Frau Dr. Reimann, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lügde, Bergisch Gladbach, Gifhorn - Fälle von Kindesmissbrauch sind entweder mit den Na
men der betroffenen Kinder oder mit den Tatorten verbunden. Hinter jedem dieser Ortsnamen stehen besonders tragische Missbrauchsfälle im letzten Jahr.
Mein Haus hat diese erschreckenden Vorfälle zum Anlass genommen, ein umfassendes Maßnahmenbündel umzusetzen. Denn klar ist: Es gibt im Bereich Kinderschutz nicht die eine Stellschraube oder nur einige wenige Stellschrauben, die man drehen muss und drehen sollte. Wir müssen an verschiedenen Stellen ansetzen.
Das Bemühen um Verbesserungen darf nie aufhören. Wir müssen immer wieder analysieren, ob unsere Maßnahmen greifen und ob sie ausreichen. Wir müssen fortlaufend die verschiedenen Akteurinnen und Akteure zum Kinderschutz weiterbilden und mit Wissen versorgen. Wir müssen immer wieder die Öffentlichkeit mit neuer, aktueller Information sensibilisieren, und wir müssen regelmäßig hinterfragen, ob unsere Regelwerke ausreichend sind und ob wir das Richtige regeln.
Einige unserer Sofortmaßnahmen sind: Wir haben die Vernetzung mit den verschiedenen Akteuren intensiviert; wir haben bei unseren Fortbildungsangeboten wegen des erhöhten Bedarfs unverzüglich nachgelegt; wir haben zusätzliche Qualifizierungsangebote für pädagogische Fachkräfte und für Ehrenamtliche in der Jugendarbeit, in der Jugendhilfe und in Schulen zu diesem Thema initiiert, und wir haben mit einer Kampagne „Kinderschutz geht alle an!“ verstärkt die Öffentlichkeit sensibilisiert.
Wir führen ein Modellprogramm zur Begleitung der kommunalen Qualitätsentwicklung in der Jugendhilfe durch, das auch die Gefährdungseinschätzung nach § 8 a SGB VIII untersucht. Weiter führen wir eine Studie zu den Strukturen der Vollzeitpflege durch.
Im Bundesrat haben wir gemeinsam mit Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eine Initiative zur Änderung des SGB VIII eingebracht, damit die Kontrollrechte der Aufsicht des Landes schnell gestärkt werden. Denn die Regelungen zur Betriebserlaubnis, zur Einrichtungsaufsicht und zu Maßnahmen im Ausland müssen stärker als bisher am Schutzbedürfnis der betreuten Kinder und Jugendlichen ausgerichtet sein.
Vieles von dem, was wir tun, und von dem, was wir uns vorgenommen haben, stimmt mit den Intentionen und den Vorschlägen des Entschließungsantrags überein.
Es ist verständlich, dass Vorfälle wie die in Lügde und in Maramures auch den Wunsch nach einer stärkeren Kontrolle der Jugendämter aufkommen lassen. Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag wird deshalb die Schaffung einer Fachaufsicht des Landes ins Gespräch gebracht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Bereich Kinderschutz sind wir gemeinsam gefordert, mit vereinten Kräften Kindesmissbrauch konsequent zu bekämpfen. Die gerade genannten Sofortmaßnahmen werden wir zu einer niedersächsischen Kinderschutzstrategie weiterentwickeln.
Hierzu gehören z. B. Verbesserungen bei der Kooperation an den Schnittstellen von der Kinder- und Jugendhilfe zum Gesundheitswesen, zur Justiz und zum Bildungsbereich. Dabei blicken wir auch über Ländergrenzen hinweg und suchen übergreifende Lösungsansätze zum Schutz von Kindern.
Auf meine Initiative hin hat im Dezember des letzten Jahres in Hannover ein Länderaustausch zum Kinderschutz stattgefunden. Zwölf Bundesländer haben daran teilgenommen. Hier ist eine gute, konstruktive Basis hergestellt worden, um beim Kinderschutz länderübergreifende Lösungen auf den Weg zu bringen.
Niedersachsen wird sich bei der angekündigten Novellierung des SGB VIII intensiv dafür einsetzen, dass im Kinderschutz eine Verbesserung vorangetrieben wird. Das umfasst z. B. eine Rückmeldepflicht der Jugendämter und eine Klarstellung bei der Übertragung von Daten.
streicht die herausragende Bedeutung eines funktionierenden Kinderschutzes. Daran müssen sich alle Akteurinnen und Akteure - letztlich wir alle - messen lassen. Wir werden hierzu unseren Beitrag leisten.
Vorgeschlagen wird der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Wer sich so entscheiden möchte, den bitte ich nun um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? - Ebenfalls nicht. Dann haben Sie so entschieden.
Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Verbesserung der wirtschaftlichen, ökologischen und humanitären Lage der Menschen im globalen Süden heißt Fluchtursachen bekämpfen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/5636
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weltweit sind mehr als 70 Millionen Menschen vor Krieg, Terror, politischer Verfolgung und Folgen von Klimakrise und Armut auf der Flucht. Besonders in Afrika und im Nahen Osten sterben immer noch Tausende Kinder, Frauen und Männer in Kriegen, bei Terrorangriffen oder aufgrund von Hungersnöten. Armut, Perspektivlosigkeit und