Es fand vor Kurzem eine Messe statt, die „Digital Live Design“ genannt wurde. Das war eine DigitalKonferenz. Die hatte ein Motto, das „reconquer“ hieß, „zurückerobern“. Warum „zurückerobern“ mit Blick auf deutsche Unternehmen? - Ich darf darauf hinweisen, dass es inzwischen übermächtige Konzerne weltweit gibt, die, ausgelöst durch neue Technologien im digitalen Zeitalter - in dem wir uns längst befinden -, zu den marktkapitalstärksten, börsennotierten Unternehmen der Welt gehören und mit denen wir im Wettbewerb stehen. Wenn wir nach Westen schauen: Das sind Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple. Schauen wir in Richtung Osten: Da ist Alibaba.
Das ist der größte Herausforderer von eBay. Die haben bei der Börsenkapitalisierung inzwischen die Schallmauer von aktuell 500 Milliarden Dollar beim Börsenkapitalwert durchbrochen.
Ich habe mal am Rande einer Veranstaltung erzählt, dass es zahlreiche Chinesen gibt, die gern deutsche Autos fahren, vorwiegend VW Passat und Audi.
Aber die bauen sehr gern die Elektronik und die Navigationsgeräte aus und bauen in China Alibaba-Systeme ein. Dort wird sich der Wettbewerb um die deutsche Industrie in den nächsten Jahren abspielen, nicht im Bereich des Antriebsmotors, vermutlich im Bereich der Konnektivität von Kfz der Zukunft. Das sind die Kernherausforderungen. Da müssen wir einfach besser werden. Und wenn Israel jetzt nach Hannover kommt, ist das schon mal ein Schritt.
Aber wir haben in Deutschland auch ein paar Unternehmen. Das dürfen wir auch mal hervorheben. Ich will sie hier einmal nennen, weil wir unser Licht ein wenig unter den Scheffel stellen: Zalando, trivago. Mit Delivery Hero - das ist ein Start-up in Berlin gewesen und ist kürzlich mit mehr als 400 Millionen Euro gefördert worden - haben wir ein großes Start-up-Unternehmen. Vor Kurzem haben wir ein großes Start-up-Unternehmen mit mehr als 360 Millionen Euro gefördert. Ich weiß nicht, ob Sie die Plattform Auto1 kennen. Das ist ein Start-up-Unternehmen. Es entwickelt sich offensichtlich zum größten Gebrauchtwagenhändler in Europa, mindestens, wenn nicht sogar zum größten weltweit, auch in Berlin gegründet. HelloFresh: auch Berlin, 268 Millionen Euro. SoundCloud: auch Berlin, 145 Millionen Euro.
Ich hatte vorhin die Biotechnologie aus Israel erwähnt, Herr Abgeordneter Lindner. Sie hatten vermutlich gerade in dem Moment nicht hingehört.
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Birkner! Nicht Lindner! Der ist in Berlin! Ich bin in Hannover! - Jörg Bode [FDP]: Lind- ner ist der in Berlin!)
Sie werden lachen. Wir haben hier auch Unternehmen, die auf den ersten Blick im Moment nur Mikrofone herstellen, die aber in den nächsten Jahren sehr spezialisiert sein werden: auf neue
Hörformen, auf neue technologische Formen. Dabei arbeiten sie mit Start-up-Unternehmen aus der Region Hannover zusammen, „Sennheiser“ als Stichwort.
Wenn es gelingt, die Region Hannover, die Region Braunschweig, die Region Osnabrück-Emsland, die Region Südniedersachsen, die Region Nordostniedersachsen und die Region Nordwestniedersachsen für junge Leute attraktiv zu machen, damit sie dort hingehen und sich in Start-up-Initiativen, in aller Regel herausgegründet aus den Universitäten, und Unternehmensgründungen einbringen, dann kann in den jeweiligen Regionen eine neue Version für Niedersachsen entstehen. Genauso denke ich mir das. Genau dort möchte ich mit Niedersachsen hin: eine neue Vision für unser Bundesland, im Wesentlichen getragen durch neue Technologien und neue Möglichkeiten und damit auch von neuen Arbeitsplätzen, die für die Menschen in unserem Land Wohlstand sichern.
Danke, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Kollegin Hövel von der CDUFraktion. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Frage, Herr Minister. Wir haben von Ihnen gerade schon etwas über das Thema etablierte Unternehmen und natürlich über Start-ups, unserem Hauptthema, gehört. Ich hätte ganz gern von Ihnen eine Einschätzung dazu, ob die etablierten Unternehmen mehr und stärker profitieren, wenn wir auch mehr Start-ups in Niedersachsen haben.
Eindeutig ja. Nehmen Sie die großen Schwerpunktindustrien Niedersachsens, beispielsweise die Automobilindustrie mit VW! Wir wissen, dass die Forschung und Entwicklung von VW sehr eng mit sogenannten Start-up-Unternehmen zusammenarbeitet, die neue Modelle für Sensorik, für autonomes Fahren entwickeln.
Durch die enge Verknüpfung von Universität und außeruniversitärer Forschung ist der Raum Braunschweig die wissensintensivste Region unseres Bundeslandes. Das wäre nicht möglich, wenn es in der Branche nicht zahlreiche hochinnovative, klein - in der Regel mit zwei, drei, vier Leuten - anfangende Start-up-Unternehmen gäbe, die sich aus der Universität heraus ausgründen und neue Produktionslösungen für das Unternehmen entwickeln.
Es wird Lösungen für den Bereich „autonomes Fahren“ geben. Es wird Lösungen für das Problem des Einschlafens am Steuer geben. Dass am ganzen Körper gemessen wird und frühzeitig Warnsignale darauf hinweisen, dass etwas passieren wird, das mag sich zunächst nach einer schlimmen Zukunftsvision anhören. Aber das ist in Teilmärkten längst auf dem Weg.
Diese Entwicklung wird auch die Stahlindustrie, die Luftfahrtindustrie, die Schiffbauindustrie betreffen. Es wird um das autonome Schiff, den autonom Bus, den autonom fahrenden Pkw gehen. Zukünftige Fortbewegungsmittel werden sich maßgeblich aus Start-ups heraus entwickeln.
Uber ist zu einer Riesenkonkurrenz für das Taxigewerbe geworden. Das gilt jenseits aller rechtlichen Fragen. Auch dieses Unternehmen ist einmal als kleines Start-up gestartet. Heute ist es ein Weltkonzern, der uns mit Blick auf das Taxigewerbe hier und da große Probleme bereitet.
Von daher beantworte ich Ihre Frage eindeutig mit Ja. Start-up-Unternehmen sind in aller Regel - wenn es sich um kluge, interessante Ideen handelt - Ideengeber für die bisherige, traditionelle Industrie.
Als ich im letzten Jahr den Gründerpreis vergab, ging ein Preis - ich glaube, es war der zweite - an ein hochinnovatives biotechnologisch, biomedizinisch, gentechnisch orientiertes Unternehmen, dessen Namen ich gerade vergessen habe. Ich meine mich zu erinnern, dass es aus der Universitätsklinik Hannover heraus ausgegründet worden ist. Es war der zweite Preis, glaube ich. Aus diesem Start-up-Unternehmen heraus sind Zukunftslösungen im Bereich Gesundheit entwickelt worden.
Das sind die wirklichen Innovationsinkubatoren und Innovationstreiber. Wenn traditionelle Unternehmen und traditionelle Industrien in Niedersachsen einerseits und Start-up-Unternehmen in Niedersachsen andererseits aufs Engste zusammen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Haushaltssituation des Landes Niedersachsen frage ich die Landesregierung: Welche Finanzierungshemmnisse sieht die Landesregierung im Bereich der Start-up-Förderung? - Mit „Finanzierungshemmnissen“ meine ich nicht den für seine Sparsamkeit bekannten Finanzminister.
(Zuruf von der FDP: Whatever it takes! - Helge Limburg [GRÜNE]: Hä? Herr Schneider ist doch gar nicht mehr Finanzminister!)
In aller Regel geht es bei der Bereitstellung von Eigenkapital auch darum, was die Gründer selber zur Verfügung stellen können. Ich habe gerade heute ein Start-up-Unternehmen aus dem Raum Hannover - fast Hannover; ich sage jetzt einfach einmal nicht, wo genau - hier gehabt. Es ging um die Frage: Kann ich selber mit 100 000 Euro einsteigen? Und was tut das Land? Wie hoch wird die Förderung sein?
Deshalb werden wir diesen neuen Wagniskapitalfonds einsetzen. Die haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen dafür stehen. Wir können mit den bereits bestehenden Fonds arbeiten. In den Haushaltsberatungen 2019 ff. werde ich maßgeblich darauf drängen, dass wir diese Haushaltsposition für Start-ups abdecken, sodass wir am Ende einen Wagniskapitalfonds für Start-up-Existenzgründungen in Höhe von 25 Millionen Euro auf den Weg bringen. Daneben haben wir noch zahlreiche weitere Förderwege. Aber das ist mein Ziel; das wird dann haushaltsrechtlich abgesichert.
Ich wiederhole es immer wieder und wieder: Die Landesregierung ist in der Pflicht, einen Haushaltsentwurf aufzustellen; das Parlament entschei
det über den Haushalt. - Insofern, Herr Abgeordneter, bitte ich um Ihre Unterstützung im nächsten Jahr.
Danke, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Miesner, CDU-Fraktion. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Dr. Althusmann ist auf die Start-up-Gründungen in den einzelnen Bundesländern eingegangen. Wenn wir das betrachten, haben wir sofort die Metropolen im Fokus. In solchen Städten werden Start-ups klassischerweise gegründet. Es stellt sich die Frage: Welche Chancen haben wir als Niedersachsen überhaupt gegenüber Metropolen wie Hamburg oder Berlin?
Was die Frage betrifft, ob Unternehmen aus Niedersachsen genügend Risikokapital bekommen, sind wird - bei sehr genauer und sehr aktueller Betrachtung - zurzeit an achter Stelle.
Aus den acht Start-up-Zentren heraus wollen wir alle acht Regionen Niedersachsens gleichmäßig beachten. Die Zentren haben unterschiedliche Schwerpunkte: Versicherungswirtschaft, Logistik, Verkehr, Medizin, Produktionstechniken. Auf Nachfrage kann ich das gerne tiefer gehend erläutern.
In Bezug auf die Zahl der Unternehmen, die Risikokapital erhalten haben, liegt Niedersachsen im Bundesvergleich nach Berlin, Bayern, NordrheinWestfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Rheinland-Pfalz leider nur an achter Stelle, gemeinsam mit Bremen. Es waren leider nur zehn Unternehmen.
In Bezug auf die Zahl der großen Transaktionen, bei denen Start-up-Unternehmen Risikokapital zur Verfügung gestellt wurde, kommt Niedersachsen im Wettbewerb zwischen den Bundesländern im Moment nur - deshalb arbeiten wir daran - auf den neunten Platz. Erster ist Berlin mit einem Investiti
onsvolumen von - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - 2,97 Milliarden Euro. Zweiter ist Bayern mit 76 größeren Transaktionen und einem Volumen von 407 Millionen Euro. Dann kommen Nordrhein-Westfalen mit rund 96 Millionen Euro, Hamburg mit 39 größeren Zuweisungen an Start-up-Unternehmen in der Größenordnung von 230 Millionen Euro, Baden-Württemberg mit 34 Transaktionen und 207 Millionen Euro, Hessen mit 24 Transaktionen und 83 Millionen Euro, Sachsen mit 15 Transaktionen und 56 Millionen Euro, Rheinland-Pfalz mit 13 Deals und 31 Millionen Euro sowie Niedersachsen mit 8 Transaktionen und 24 Millionen Euro. Alle anderen Bundesländer werden da gar nicht mehr aufgelistet.
Die Bundesländer stehen auch untereinander in einem erheblichen Wettbewerb, wenn es um die Frage geht, wie die Bedingungen für Start-upUnternehmen deutlich verbessert werden können.
Danke schön, Herr Minister. - Die Stunde ist um; es liegen noch 14 Wortmeldungen zu Zusatzfragen vor. Das Wort hat jetzt der Kollege Pancescu von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Althusmann, vor dem Hintergrund, dass Sie in Ihrer Rede das Start-upBarometer 2018 von Ernst & Young erwähnt haben und dass Sie mehrmals erwähnt haben, dass Niedersachsen im Bundesvergleich auf Platz acht liegt, hinter Sachsen und Rheinland-Pfalz, frage ich die Landesregierung: Was hat die Landesregierung konkret im Bereich der regionalen Infrastruktur vor, damit Niedersachsen bei den Start-upInvestitionen in die Top 3 - mit Berlin und Bayern - aufsteigt? Ungern würde ich Sie am Ende Ihrer Amtszeit Kodak-Minister nennen wollen. Ich bitte um Antwort.
Das Start-up-Barometer von Ernst & Young stammt aus Januar 2018, wenn ich es richtig weiß. Im bundesweiten Vergleich sind wir da eher unterdurchschnittlich, um es vorsichtig zu sagen. Der Studie nach haben im Jahr 2017 nur zehn Unternehmen aus Niedersachsen und Bremen Risikokapital erhalten, so wie ich es dargestellt habe. Das bedeutet plus fünf, was die Plätze betrifft, zum Barometer Juli 2017.