Vielen Dank, Herr Minister. - Die zweite Zusatzfrage für die SPD stellt der Kollege Frank Henning. Bitte sehr!
Herr Präsident, ich kürze das mal ab und stelle gleich zwei Fragen. Das erspart es mir, mich zweimal zu Wort melden und hier nach vorne kommen zu müssen.
Die erste Frage ist: Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, dass die vorgenommene Betriebsaufspaltung in vier Teilbetriebe bei Gilde nicht unbedingt der von Ihnen genannten Verdeutlichung der Kostenstruktur dient, sondern möglicherweise einzig und allein den Zweck hat, unrentable Betriebsteile am Ende zu schließen?
Denn meiner Kenntnis nach - meine Frage an Sie ist, ob Sie das teilen - sagen Wirtschaftsunternehmen, die Betriebsaufspaltungen prüfen, dass der administrative Aufwand, insbesondere was die Buchführungspflichten angeht - vier Buchfüh
rungskreisläufe anstatt einem; vier Geschäftsführungen anstatt einer -, deutlich höher ist und solche Betriebsaufspaltungen von daher betriebswirtschaftlicher Nonsens sind.
Gut, dann stelle ich Frage 3. Frage 3 ist, Herr Minister: Ist Ihnen bekannt, wie viele Mitarbeiter bei den vier aufgespaltenen Gilde-Gesellschaften tatsächlich unter den alten Tarifvertrag fallen, wie viele Mitarbeiter nicht mehr darunter fallen und wie hoch die Gehaltsunterschiede sind? Ich meine, Sie hätten 15 000 Euro genannt. Vielleicht können Sie noch einmal erläutern, wie viele Mitarbeiter betroffen sind.
Die dritte Frage war eine sehr umfangreiche Sammelfrage. Eigentlich waren das insgesamt dreieinhalb Fragen. - Herr Minister!
Mal angenommen, ich wäre der Auffassung, Herr Abgeordneter, dass das eine betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle Maßnahme sei: Welche Haltung sollte dann die Landesregierung in diesem Fall einnehmen? Sollen wir sagen: „Das müsst ihr jetzt ändern“? Entschuldigung: Die Rollenverteilung ist in Deutschland - das dient, wie ich finde, dem Rechtsfrieden - nach wie vor klar geregelt. Es geht hier um eine unternehmerische Entscheidung. Sie kann sich am Ende rechnen. Dafür gibt es Beispiele. Outsourcing wird in Deutschland - ich will nicht sagen: jeden Tag - jedes Jahr hundertfach vorgenommen, und das geht auch gut.
Bei der Herrenhäuser Brauerei hat damals, 2010, nicht die Aufspaltung, sondern eine generell sehr schlechte wirtschaftliche Situation des Unternehmens in die Insolvenz und zur Übernahme durch die Privatbrauerei Wittingen geführt.
Nach den uns bekannten Zahlen - auf nicht mehr und nicht weniger kann ich mich berufen - gehe ich mit Blick auf die Betriebsänderung - wo wird was hergestellt, wo werden Flaschen gespült usw.? - im Moment davon aus - das hat man mir versichert -, dass die Aufspaltung in vier Gesellschaften letztendlich dazu dienen soll, die Investitionen von rund 11 Millionen Euro, die man bis 2018 getätigt hat, rentierlich zu gestalten. Erinnern wir uns! Die Gilde stand seinerzeit mit 70 Mitarbeitern kurz davor, in die Knie zu gehen. Dann hat die TCB die GildeBrauerei übernommen und die Zahl der Mitarbeiter von 70 auf 136 aufgestockt.
Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln - ich kann Ihnen aber auch keine Garantie dafür geben, Herr Abgeordneter -, dass sich das am Ende betriebswirtschaftlich rechnen wird. Es gibt aber genügend Beispiele dafür, dass eine solche Aufspaltung durchaus sinnvoll sein kann.
Ich will keinen Vergleich mit Enercon ziehen. Das Modell von Enercon, die bewusste Konstruktion dieses Unternehmens, um hier oder da womöglich Betriebsratsstrukturen und Mitbestimmungsmöglichkeiten auszuschließen bzw. zu verhindern, habe ich damals hier im Plenum ausreichend kritisch beleuchtet.
Ihre zweite Frage bezog sich meines Erachtens darauf, wie viele Beschäftigte unter die Nachwirkung fallen. Dazu haben wir keine eigenen Daten. Nach Angaben der NGG gibt es etwa bei der Hälfte der Belegschaft - von den 136 Mitarbeitern bei ca. 70 - eine Nachwirkung aus der Zeit vor der Übernahme der Gilde durch die TCB. Nach Angaben der Geschäftsleitung gelten auch nach der Betriebsänderung vom 29. November 2019 alle Verträge in den neu gebildeten Gesellschaften fort.
Darüber, wie sich der Anteil der Beschäftigten mit Verträgen mit Nachwirkung und jener der Beschäftigten mit Verträgen ohne Nachwirkung in den neuen Gesellschaften darstellt, liegen uns aktuell noch keine Erkenntnisse vor. Die Gehaltsunterschiede, die sich ergeben, habe ich bereits erläutert. Es kann sein, dass die Gehaltsunterschiede - einschließlich Altersvorsorge, Weihnachtsgeld,
Schichtzulage, Urlaubsgeld, wöchentliche Arbeitszeit -, wie die NGG sagt, mit Blick auf das Bruttogehalt 15 000 Euro jährlich ausmachen. Das ist aber eine Behauptung, die wir, da uns die Verträge nicht konkret vorliegen, letztendlich nicht bestätigen können. Wie sich die Unterschiede der Verträge am Ende im Durchschnitt auf das Gehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gilde
Vielen Dank, Herr Minister. - Für die CDU stellt die zweite Zusatzfrage der Kollege Karl-Heinz Bley. Bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung, ob sie den Streik bei der Gilde für gerechtfertigt hält.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe vorhin im Rahmen meiner einleitenden Ausführungen zumindest angedeutet, was wir mit Blick auf die Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 des Grundgesetzes unter der daraus abgeleiteten Tarifautonomie verstehen. Es geht um das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht, Tarifverträge notfalls mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen. Hier kann
sich die Landesregierung letztlich nur auf die Neutralität des Staates berufen. Es steht uns nicht zu, uns direkt und aktiv in Tarifverhandlungen einzumischen. Das Land hat sich da herauszuhalten.
Das gilt auch für die Frage, ob ein von einer Gewerkschaft organisierter Streik das richtige oder falsche Mittel darstellt. Es geht darum, ob die sozialen Gegenspieler zum Abschluss eines Tarifvertrages kommen. Der Streik wurde durchgeführt. Letztendlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn man zu einer gemeinsamen Lösung gekommen wäre. Ein Streik soll Druck ausüben, ein Streik soll deutlich machen, dass man mit einem bestimmten Ergebnis nicht einverstanden ist.
Würde ich den Streik als gerechtfertigt oder ungerechtfertigt bezeichnen, würde ich genau das tun, was das Land mit Blick auf die Tarifautonomie nicht darf. Natürlich überprüfen wir immer wieder die Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen, und wir können auch mahnende Hinweise geben. Auch mit Blick auf Arbeitsschutz- und Arbeitszeitregelungen haben wir in Deutschland vielfältige rechtliche Instrumentarien.
Aber wenn ich jetzt sagen würde, das sei ein richtiger oder ein falscher Streik gewesen, tappe ich genau in die Falle, in die eine Landesregierung oder eine Bundesregierung tappen sollte, indem sie sich in die Tarifautonomie im Bereich eines Unternehmens einmischt.
Wenn der Betriebsrat Erkenntnisse dazu erlangt hätte, dass es zu strafwürdigen arbeitsrechtlichen Handlungen gekommen ist, müsste er dies dem Arbeitsgericht oder der Strafgerichtsbarkeit anzeigen, und dann würde das entsprechend aufgegriffen.
Ich sage noch einmal: Ich bin sehr froh, dass es noch jetzt im Dezember zu einem Vergleich gekommen ist, den beide Seiten unterschrieben haben. Beide Seiten haben deutlich gemacht: Jawohl, wir gehen jetzt unter Wahrung der jeweiligen Rechte den Weg in diese vier Gesellschaften, einschließlich einer Übergangszeit von sechs Monaten. Der Betriebsrat bleibt also erst einmal so, wie er bislang war, im Amt. Die Übergangszeit beträgt sechs Monate. Danach werden für die vier einzelnen Gesellschaften die Betriebsräte gebildet.
Mein Appell - vielleicht ein frommer Wunsch in der Adventszeit - ist, dass man hier bitte zu einer einvernehmlichen Regelung kommt. Ein solcher öffentlich ausgetragener Streit ist auch für ein Produkt - ich darf das als Wirtschaftsminister einmal
anmerken - nicht hilfreich. Um erfolgreich am Markt ein Bier oder bierähnliche Produkte verkaufen zu können, wäre es sinnvoll, sich möglichst schnell zu einigen und möglicherweise auch in Bezug auf die Tarifstrukturen aufeinander zuzugehen. Das ist aber nur eine Empfehlung. Vorgeben kann ich das nicht.
Vielen Dank, Herr Minister. - Für Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste und damit dritte Zusatzfrage die Kollegin Viehoff. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Althusmann, Sie haben vorhin Enercon erwähnt. Am Montag haben wir hier im Parlament den Antrag „Einhaltung von Tariftreue- und Vergaberichtlinien - Kontrollen intensivieren“ verabschiedet. Im Koalitionsvertrag bekennen sich -
Frau Kollegin, ich stelle Ihnen gern auch das Mikrofon ab, wenn es denn unbedingt sein muss. Sie werden jetzt Ihre Frage stellen,
aber erst, nachdem ich das Mikrofon wieder eingeschaltet habe. Anderenfalls haben Sie ein Problem. Ich bitte Sie, ein bisschen disziplinierter vorzugehen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung, wie sie zu Flächentarifverträgen steht und ob sie in der Nichteinhaltung solcher Flächentarifverträge eine Bedrohung des Wirtschaftsstandorts Niedersachsen sieht.
Frau Abgeordnete Viehoff, sehr verehrte Frau Kollegin, wenn Flächentarifverträge abgeschlossen werden, ist das durchaus zu begrüßen. Das unterstützen wir auch da, wo es gewollt wird. Aber noch einmal - auch wenn es schwerfällt -: Vorschreiben kann das eine Landesregierung nicht. Dafür haben wir eine Tarifautonomie. Es ist auch gut so, dass es sie gibt. Sie hat nämlich den Frieden in Deutschland bisher bewahrt.
Wer glaubt, im Rahmen einer Staatswirtschaft jedes denkbare Detail einer sozialen Marktwirtschaft, die individuelle Freiheit mit sozialem Ausgleich verbindet, regeln zu wollen, der will ein ganz anderes Wirtschaftsmodell.