Protocol of the Session on December 18, 2019

(Beifall bei der AfD)

Danke sehr, Herr Ahrends. - Frau Susanne Menge spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Polizistinnen und Polizisten schützen uns, und selbstverständlich sollen sie sicher sein, dass die gesetzgebenden Kräfte und die Justiz auch sie schützen. Wenn Bedrohungen in den Privatbereich gehen, ist das selbstverständlich widerwärtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hemmungslosigkeit als rhetorisches Mittel ist aber eventuell ein erster Schritt, diese Grenzen auch zu überschreiten. Die AfD bejubelt die Aussage, dass die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte gehöre. Damit wenden Sie sich ganz eindeutig gegen Toleranz, gegen den Respekt und insbesondere gegen den Schutz von Minderheiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Widerspruch bei der AfD)

Eine friedliche und solidarische Gesellschaft braucht Respekt, Toleranz, Courage und eine vernünftige Konfliktkultur.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Ihre öffentlich geübte Kritik an den Äußerungen des Oldenburger Polizeipräsidenten, Herrn Kühme.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Helge Lim- burg [GRÜNE]: Sehr gut! Genau!)

Sie üben in diesem Fall politischen Druck auf Führungskräfte der Polizei selbst aus. Sie entlarven sich als die Brandstifterinnen und Brandstifter für die Missachtung unserer humanistischen Werte.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - Wider- spruch bei der AfD)

Weil ich mich aufgrund meiner kurzen Mitgliedschaft in diesem Landtag zu Ihrer Aktuellen Stunde, die betitelt ist mit „Polizisten bedroht! Was unternimmt die Landesregierung?“, definitiv nicht zu dem vorherigen Punkt der CDU mit dem Titel „Clankriminalität“ äußere, sondern nur zu diesem Satz „Polizisten bedroht!“, ist meine Rede auch als solche zu verstehen. Deshalb habe ich erhebliche Bauchschmerzen, die rechtsstaatliche Dimension dieses Themas ausgerechnet im Rahmen eines Antrags der AfD zu debattieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Danke, Frau Kollegin Menge. - Für die FDPFraktion erhält Herr Dr. Marco Genthe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn sich jetzt zunehmend die Fälle häufen, in denen Repräsentanten des Rechtsstaates wie Polizisten, Staatsanwälte, Richter oder andere Justizbedienstete persönlich bedroht werden, ist das schon eine ganz neue Qualität. Es zeigt drastisch, welche Ignoranz kriminelle Großfamilien inzwischen gegen unseren Staat an den Tag legen.

Meine Damen und Herren, der Staat hat das Gewaltmonopol inne und die Verpflichtung, es zum Wohle der friedliebenden Bürger auszuüben. Das muss jetzt auch konsequent geschehen.

(Beifall bei der FDP)

Dazu können in letzter Konsequenz natürlich auch Abschiebungen gehören. Das Problem, Herr Ahrends, ist jedoch, dass viele dieser Clanmitglieder deutsche Staatsangehörige sind. Wohin wollen Sie diese abschieben? Nach Helgoland?

(Dana Guth [AfD]: Das hat er doch ge- rade eben gesagt!)

Die Problematik um kriminelle Großfamilien ist mit großer Sicherheit viel älter als vier Jahre - 2015 war das Jahr der Flüchtlingskrise. Diese Problematik entstand Anfang der 80er-Jahre, also vor über 30 Jahren. Leider wurde die konsequente strafrechtliche Verfolgung dieser Clans oft jahrzehntelang verschleppt. Diese oft auch aus falsch verstandener politischer Rücksichtnahme an den Tag gelegte Zurückhaltung muss jetzt dringend enden!

In Nordrhein-Westfalen, wo es einige Schwerpunkte der Clankriminalität gibt, hat die schwarz-gelbe Landesregierung mit 1 135 neuen Stellen in der Justiz und mit der Einrichtung spezialisierter Staatsanwälte reagiert. Davon, meine Damen und Herren, ist Niedersachsen noch sehr weit entfernt.

(Beifall bei der FDP)

Das zeigen auch die Haushaltsberatungen im Bereich Innen und Recht.

Die FDP-Fraktion hat bereits im September 2018 einen umfassenden Antrag zur Bekämpfung krimineller Clans vorgelegt. Die Reaktionen in diesem Landtag waren - ich drücke es mal vorsichtig aus - eher zurückhaltend. So vertrat das Justizministerium die Rechtsauffassung, dass die von uns vorgeschlagenen Schwerpunktstaatsanwaltschaften in diesem Bereich rechtlich nicht möglich seien. Erst nachdem in einer Anhörung zwei von der FDP benannte Professoren das Gegenteil aufzeigten, hat das Ministerium diese Auffassung nunmehr geändert.

(Sebastian Lechner [CDU]: Herr Genthe, es wird nicht dadurch besser, dass Sie uns das zweimal sagen!)

Plötzlich möchte das Ministerium Schwerpunktstaatsanwaltschaften einrichten. Ich kann dazu nur beglückwünschen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Auch auf der Ebene der Polizei haben wir verschiedene Strukturveränderungen angeregt. Auch diese wurden zunächst zurückgewiesen, nun aber in Teilen umgesetzt.

Meine Damen und Herren, ich beobachte das etwas amüsiert. Aber am Ende zählt ja das Ergebnis.

Meine Damen und Herren, eine der wichtigen Aufgaben des Staates ist es, den Rechtsstaat durchzusetzen. Dazu müssen bei den Sicherheitsbehörden die organisatorischen und auch die tatsächlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Der Polizist in der Fläche darf mit solchen Bedro

hungssituationen nicht alleingelassen werden. Die von uns vorgeschlagenen zentralen Gruppen mit erfahrenen Beamten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität machen daher in der Praxis durchaus sehr viel Sinn. Diese erfahrenen Beamten können mit solchen Situationen viel besser umgehen als ein Streifenpolizist vor Ort.

Wenn es denn zu solchen Bedrohungsszenarien kommt, ist ein robustes Einschreiten auch von Spezialkräften notwendig und auch gesetzlich zulässig.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, zu diskutieren ist im Übrigen auch eine Gesetzesverschärfung. Warum dies durch das Innenministerium zunächst einmal zurückgewiesen wurde, erschließt sich mir an dieser Stelle nicht. Aber am Ende ist es Aufgabe der Politik, nicht nur Seiten im Bundesgesetzblatt zu produzieren, sondern die praktische Umsetzung unseres Rechtsstaates an jedem Ort und zu jeder Zeit sicherzustellen.

Die Große Koalition in Niedersachsen hätte bei den zurzeit laufenden Haushaltsberatungen die Gelegenheit dazu. Es wird Zeit, deutlich zu machen, dass der liberale Rechtsstaat sehr wehrhaft ist.

(Thomas Adasch [CDU] und Sebasti- an Lechner [CDU] unterhalten sich)

Herr Genthe, kleinen Moment mal! - Der Kollege Adasch bereitet sich schon eindringlich auf seinen gleich folgenden Beitrag vor. Vielleicht aber etwas leiser!

Der Kollege Adasch ist gleich dran, ich bin sofort fertig.

Meine Damen und Herren, es wird Zeit, dass sich der liberale Rechtsstaat als wehrhaft erweist und damit jede Diskussion um die sogenannte Beutegesellschaft ein für alle Mal endet. Polizei und Justiz dürfen nicht alleingelassen werden! Aber der Haushaltsentwurf der Landesregierung lässt an dieser Stelle noch sehr zu wünschen übrig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Wie angekündigt, erhält jetzt der Kollege Thomas Adasch für die CDU-Fraktion das Wort.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hintergrund dieser Aktuellen Stunde ist u. a. die massive Bedrohung und Einschüchterung mehrerer Polizisten in Osnabrück durch Mitglieder krimineller Clans. Dort wurden Polizeibeamte mit dem Auto verfolgt, oder es wurde vor ihren Wohnhäusern auffällig geparkt. Ein anderer Beamter wurde beim Besuch eines Fitnessstudios mit seinem Sohn von einem Clanmitglied angesprochen und gefragt, ob es sich um seinen Sohn handele.

Die Botschaften sind subtil, aber klar verständlich und konkret adressiert: Wir wissen, wer du bist und was du machst. Wir kennen deine Familie und dein Umfeld. Lass uns also in Ruhe, sonst passiert dir oder deiner Familie etwas!

Um es klar zu sagen: Ein derartiges Vorgehen gegen unsere Polizeibeamten ist völlig inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten erledigen Tag für Tag einen schweren und gefährlichen Job. Ich schließe mich ganz ausdrücklich den Ausführungen des Polizeipräsidenten Michael Maßmann an und danke ihm ausdrücklich für seinen öffentlichen Vorstoß.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der einzige Weg, dieses Verhalten der kriminellen Clans langfristig abzustellen, ist es, mit aller Härte und Konsequenz gegen diese vorzugehen und sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit in ihren kriminellen Aktivitäten zu stören. Die Regierungsfraktionen haben den Druck auf die Clans in dieser Legislaturperiode u. a. durch die Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen erhöht.

Auch im Bereich der personellen Ressourcen hat diese Koalition bereits einiges auf den Weg gebracht. So wurde die Polizei mit 766 zusätzlichen Stellen - Vollzug und Verwaltung - ausgestattet, und auch im Bereich der Beschäftigungsmöglichkeiten - bei den Tarifbeschäftigten - kamen 184 Stellen hinzu. Im Bereich der Justiz haben die

Regierungsfraktionen beschlossen - das ist hier schon mehrfach angeführt worden -, für den Haushalt 2020 die Staatsanwaltschaften mit insgesamt 18 zusätzlichen Stellen - 9 Staatsanwälte, 9 Sachbearbeiter - auszustatten, die sich nicht nur mit Clankriminalität befassen sollen.