Vielen Dank, Frau Kollegin Liebelt. - Für die AfDFraktion hat sich Herr Abgeordneter Harm Rykena zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Antrag der FDP ist in jeder Hinsicht zuzustimmen. Ohne Lesen keine Teilhabe am kulturellen Leben, ohne Lesen nur eingeschränkte Möglichkeiten, auch in der digitalen Welt. Ohne Lesen verkümmert die Sprache, die wiederum begründet, was man zu denken in der Lage ist. Lesen ist die Lernaufgabe in der Schule schlechthin.
Im ersten PISA-Test 2001, der als großer PISASchock in die deutsche Bildungsgeschichte eingegangen ist, wurde vor allem die Lesekompetenz der Schüler bewertet. Das deutsche Schulsystem schnitt damals viel schlechter ab, als alle das erwartet hatten. Die Folge waren zunächst großer Katzenjammer und anschließend die Einigkeit, dass es nun allergrößter Anstrengungen bedürfte, diese Scharte auszuwetzen.
Doch damals machte man einen großen Fehler. Da man Achtklässler getestet hatte und diese schlecht abschnitten, gab man den Sekundarstufe-I-Schulen die Schuld daran und suchte dort nach Versäumnissen. Der Fehler war, dass man nicht erkannte - oder nicht erkennen wollte -, dass eigentlich eine ganz andere Schulform versagt hatte, nämlich die Grundschule. Aber die Grundschule - als Schulform von Wissenschaft und Politik gehätschelt und hoch gelobt - konnte doch nicht die eigentliche Schwachstelle sein! Schließlich wurden uns seit vielen Jahren immer wieder die Vorzüge des gemeinsamen Lernens vorgebetet. Die Verlängerung der Jahre des gemeinsamen Lernens sollte die Lösung aller Probleme sein, und da konnte es auf keinen Fall diese Schulform sein, in der die schlechten Grundlagen für das Abschneiden der Achtklässler gelegt wurden.
Und doch war es so. Denn wo lernt man in der Schule das Lesen? - In der Grundschule! Wo wendet man anschließend diese Fertigkeit an? - In den weiterführenden Schulen! Das Erlernen der Grundfertigkeiten - und eigentlich auch noch einiges darüber hinaus - ist die natürliche Aufgabe der Grundschule.
So gesehen, zielt der Antrag der FDP auf einen zentralen Punkt und auf die richtige Schulform dafür. Alle Einzelmaßnahmen sind konkret und erscheinen mir als Grundschullehrer allesamt praxisnah und sehr sinnvoll. Beispielhaft möchte ich auf den Punkt „Einbindung von Lesementoren“ eingehen. In meinem eigenen Unterricht war dieser Ansatz immer ein Kernbestandteil der Arbeit in der 1. Klasse. Wir nannten diese engagierten Helfer
„Lese-Mamas“ oder „Lese-Opas“, je nachdem, wer sich bereit erklärte. Leider haben das nur einige der anderen Klassen ebenfalls so gehandhabt. Eine offizielle Initiative des Landes könnte dieser Idee vielleicht zu mehr Akzeptanz verhelfen.
Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuss gerne zu und hoffen, dass der Antrag auch bei den anderen Fraktionen Unterstützung findet. Verdient hätte er es allemal.
Danke sehr. - Jetzt bekommt Frau Kollegin Susanne Menge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Selbst wenn die noch vor mir liegenden Korrekturberge wieder einmal offenbaren werden, dass es gerade im Rechtschreibbereich Defizite gibt, würde ich niemals so weit gehen, zu sagen, dass die Grundschulen dafür die Verantwortung tragen. Wir müssen uns auch dem gesellschaftlichen Wandel und den gesellschaftlichen Veränderung stellen, aber das kommt in diesem Antrag etwas zu kurz.
Grundsätzlich - das möchte ich vorausschicken - finde ich diesen Antrag gelungen, zumal er Ziele benennt und diese Ziele mit machbaren und finanzierbaren Maßnahmen hinterlegt. Dafür zunächst einmal herzlichen Dank!
Die gesellschaftlichen Veränderungen bilden sich in der Schule wie folgt ab: Entweder ist die Schule weiterhin die Lern- und Lehrinstitution, die das, was zu Hause stattfindet, sinnvoll ergänzt. Oder - und das ist zunehmend der Fall - sie muss Ersatz für etwas bieten, was zu Hause nicht mehr richtig funktioniert - oder auch nicht funktionieren kann.
Ich habe in der vergangenen Zeit selbst Förderunterricht erteilt, und zwar freiwillig. Aus dieser Erfahrung heraus möchte ich auf einen Unterschied hinweisen, der in dem Antrag etwas zu kurz kommt. Eine syrische Schülerin oder einen irakischen Schüler zu unterrichten, damit ihre Lesekompetenz geschult wird, ist etwas anderes, als eine deutsche Schülerin zu unterrichten, die große
Probleme zu Hause hat und die in der 6. Klasse noch nicht einmal mit Distanzen umgehen kann und mithin auch keine Aufgabenstellungen in Mathematik und anderen Fächern bewältigen kann.
Der nötige Aufwand konnte in diesem Fall an unserer Schule geleistet werden, weil es, wie gesagt, Menschen gibt, die das freiwillig zusätzlich übernehmen. In der normalen Unterrichtsversorgung setzt so etwas aber mehr Ressourcen voraus.
Damit sind wir bei dem Problem, das wir immer wieder diskutieren werden. Solange der Bildungsetat des Landes nicht von Bundesseite verdoppelt wird und solange sich das Land nicht dazu bekennt, dass Bildungspolitik ein zentrales Aufgabengebiet ist, in das wir alle gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einbeziehen müssen, werden wir immer nur an einzelnen Stellschrauben drehen.
Die Verankerung der Lese- und Schreibkompetenz ist in Curricula jedes Unterrichtsfachs vonnöten. Das heißt: Wir müssen auch innerhalb der Schule ein internes Curriculum haben, das diese Fähigkeiten und Fertigkeiten abdeckt, und zwar nicht nur im Deutschunterricht.
Und wir müssen uns an den Schulen auch mit dem Fachkräftemangel und der Tatsache auseinandersetzen, dass wir zu wenige Lehrkräfte finden. Gerade im ländlichen Raum gibt es insbesondere an den Grundschulen zu wenig Lehrkräfte. Und lassen Sie mich ergänzen: Wir finden in diesem Bereich auch zu wenige Männer.
Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, die Idee zu verfolgen, das Ganze auszuweiten und mitzudenken, was außerschulische Partnerschaften in diesem Zusammenhang leisten könnten. Das heißt: Wie kompensiere ich einen absehbaren Mangel an Lehrkräften, und wie kann ich das pädagogisch sinnvoll z. B. für die Kompetenzen, die Sie gerade nach vorne gestellt haben, unterstützend einbringen?
Deshalb wünsche ich mir, dass wir dieses Thema in einem größeren Kontext diskutieren. Ich glaube, dieser Antrag hat das Zeug dazu, und ich glaube, dass wir uns unter den demokratischen Fraktionen auch auf eine gemeinsame Fassung verständigen.
Wer für die Überweisung dieses Antrags an den Kultusausschuss ist, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Keine. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie sich so entschieden.
Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Land muss mehr Verantwortung auf dem Wohnungsmarkt übernehmen - Landeswohnungsbaugesellschaft jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/5069
Zur Einbringung hat sich der Kollege Christian Meyer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Wohnen beschäftigt in Niedersachsen alle Altersgruppen und alle Bereiche, also nicht nur die Städte, sondern auch den ländlichen Raum. Wir haben in Niedersachsen seit 2012 erhebliche Mietpreissteigerungen zu verzeichnen: in Braunschweig im Schnitt um 45 %, in Hannover um 42 %, in Osnabrück um 35 %, in Lüneburg um 33 % und in Göttingen um 33 %, aber auch in Stade, Melle oder Peine um 27, 28 oder 29 %. Es kommt also auch in den Klein- und Mittelstädten im ländlichen Raum zu erheblichen Steigerungen.
Das liegt zum einen daran, dass in Niedersachsen nach Schätzungen ungefähr 400 000 Wohnungen fehlen. Zum anderen fehlt vor allem angemessener Wohnraum, der erschwinglich ist. Nach den Definitionen, die auch bei einer von uns an die Landesregierung gestellten Anfrage eine Rolle gespielt haben, sagt man immer: Man darf nicht mehr als 30 % seines Einkommens für die Warmmiete ausgeben, sonst ist das eine Armutsfalle. - In Oldenburg müssen 44 % der Menschen mehr als 30 % ihres Einkommens für Wohnen ausgeben. Das ist aus unserer Sicht viel zu viel.
Deshalb sollten wir unserem Verfassungsauftrag nachkommen. Meine grüne Partei hat ja gerade auf dem Bundesparteitag ein Recht auf Wohnen gefordert. In Niedersachsen sind wir allerdings schon weiter; denn in Artikel 6 a der Landesverfassung steht folgender Satz: „Das Land wirkt darauf hin, … dass die Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum versorgt ist.“ Das ist ein Auftrag an die Landesregierung: dafür zu sorgen, dass nicht nur irgendein Wohnraum zur Verfügung steht, sondern, wie es von unseren Verfassungsmüttern und -vätern hier so schön formuliert worden ist, ein angemessener Wohnraum, der auch der Menschenwürde entspricht.
Wir haben gerade in den letzten Tagen dramatische Zahlen über den Einbruch bei der Zahl der Sozialwohnungen bekommen. Während wir noch vor sechs Jahren ungefähr 100 000 Sozialwohnungen in Niedersachsen hatten, liegen wir jetzt bei unter 75 000. In den letzten zwei Jahren unter Bauminister Olaf Lies ist die Zahl der Sozialwohnungen dramatisch eingebrochen. Jedes Jahr gab es einen Rückgang um 5 %. Wenn man sich die Belegrechte anschaut, sieht man, dass bis 2020 noch ein weiterer Rückgang auf 60 000 Sozialwohnungen in Niedersachsen bevorsteht. Und in der Landesarmutskonferenz sagen der DGB und die Sozialverbände, dass wir eigentlich 100 000 Sozialwohnungen zusätzlich brauchen.
Die Landesregierung nimmt sich zwar löblicherweise vor, jedes Jahr 4 000 Sozialwohnungen zusätzlich zu bauen. Das reicht aber nicht. Es geht momentan zurück. Insofern handelt es sich wieder mal um eine hehre Ankündigung des Bauministers, der dann keine Taten folgen.
Deshalb wollen wir mit diesem Antrag auf Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft helfen. Wir sind ja in guter Gesellschaft. Bayern hat eine Landeswohnungsbaugesellschaft neu gegründet,
nachdem die alte privatisiert wurde. Dort gibt es, glaube ich, eine unionsgeführte Koalition mit den Freien Wählern.
- Herr Kollege Adomat ruft schon dazwischen. Ich habe einmal gegoogelt, wer in anderen Bundesländern eine Wohnungsbaugesellschaft fordert. Das ist immer die SPD-Landtagsfraktion, wenn sie in der Opposition ist. In Nordrhein-Westfalen fordert sie zusammen mit den Grünen von SchwarzGelb eine Wohnungsbaugesellschaft ein. In Baden-Württemberg fordert sie ebenfalls eine Wohnungsbaugesellschaft.
und nicht nur in der Opposition eine solche Forderung erheben, sondern auch in Niedersachsen den gemachten Fehler korrigieren. Der Ministerpräsident hat in der Beantwortung der Anfrage ja eingeräumt, dass es ein Fehler war, die NILEG zu verkaufen. Da sind unter Schwarz-Gelb 30 000 Wohnungen an einen Hedgefonds mit Sitz in Luxemburg für 1,5 Milliarden Euro verkauft worden. 97 % gehören der Vonovia. Es wäre deshalb sinnvoll, wieder mit einer Wohnungsbaugesellschaft Eigentum zu schaffen - und zwar gerne auch in Partnerschaft mit den Kommunen.
Viele Kommunen haben ja Wohnungsbaugesellschaften. In Osnabrück haben die Bürgerinnen und Bürger gerade in einem Bürgerentscheid - ich glaube, mit über 70 % Zustimmung - gesagt, dass sie wieder eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft haben wollen. Da bieten sich öffentlichöffentliche Partnerschaften an, dass also das Land zusammen mit der Kommune etwas baut.
Als ersten Schritt schlagen wir vor - bevor man eine neue Gesellschaft gründet; dass das dauert, sehen wir auch -, dass man die Niedersächsische Landgesellschaft stärker nutzt. Ich bin sehr erfreut, dass gegen den Finanzminister durchgesetzt werden konnte, dass sie weiterhin Wohnraum schaffen kann. Sie errichtet gerade in einer öffentlichen Partnerschaft mit der Stadt Hannover die Gartenstadt Hannover-Nord; ich glaube, das ist ein altes Kasernengelände in der Stadt. Es geht also um Innenraumverdichtung. Dort schafft sie über 400 Wohneinheiten. Sie ist aber auch in vielen Kommunen von Aurich bis Gleichen und Göttingen usw. zuständig, um dort mit den Kommunen Wohnraum zu schaffen.