Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Bündnis 90/Die Grünen hat sich durch ihre Fragestellerin Susanne Menge gemeldet.
Sehr geehrter Herr Minister Althusmann, ich möchte Sie vor dem Hintergrund fragen, dass nun das eintritt, was wir befürchtet haben - IT-Unternehmen und Protagonisten aus dem Silicon Valley und auch aus China drängen in den Markt, womit sie Automobilstandorte gefährden -, und vor dem Hintergrund Ihres Angebots, den Strategiedialog durchzuführen - meiner Meinung nach ist der Fokus sehr stark gelegt auf -
Ja - die technologische Transformation -: Welche weiteren Schwerpunkte für einen Dialog in dieser Strategiefrage würden Sie favorisieren?
Frau Abgeordnete, ich möchte jetzt nicht die gesamte Themenpalette des Strategiedialogs „Automobilwirtschaft in Niedersachsen“ hier ausbreiten. Die drei Säulen dieses Strategiedialogs umfassen sämtliche aktuell debattierten und diskutierten Antriebstechnologien. Wir sind sehr viel technologieoffener, als bisher debattiert und diskutiert wird. Ich glaube, dass wir in der Elektromobilität und in der Wasserstofftechnologie - die über die Brennstoffzellentechnologie auch eine elektromobile Antriebstechnologie ist; das wird in der Öffentlichkeit ja gerne durcheinandergebracht - bis hin zu Fragen der Gasantriebstechnologien - auch das wird debattiert und diskutiert - alle Potenziale ausschöpfen. Dabei ist immer zu unterteilen zwischen Pkw, Nutzfahrzeugen und anderen Fortbewegungsmitteln, also Schienenverkehrsmittel, Luftverkehrsmittel und die maritime Industrie.
Diesen Transformationsprozess haben wir tatsächlich auf die Automobilindustrie und die Zulieferbranche fokussiert: Wie verändert sich die Arbeitswelt? Wie verändert sich die Produktion? Welche Auswirkungen hat das mit Blick auf Beschäftigung, auf Ausbildung, auf die Qualität von Ausbildung, auf den Arbeitsmarkt 4.0 und auf den Produktionsprozess in den Betrieben?
Darüber hinaus gibt es in den kommenden Jahren natürlich zahlreiche Transformationsfelder im Hinblick auf neue Technologien, auch in diesem Bereich, die wir noch beleuchten werden. Ich will aber gerne zugeben: Wir als Automobilland haben aufgrund des strategischen Strukturwandels in der Automobilindustrie unseren Fokus zunächst einmal auf diesen Bereich gelegt.
Sollten Sie gemeint haben - das weiß ich jetzt nicht -: Gibt es darüber hinaus Strategien, die in den Blick genommen werden müssen, z. B. Life Science, Gesundheitsfragen, Biotechnologie? - Ich kann im Moment nicht abschätzen, wie das Kompetenzcluster im Bereich Ostfriesland aussieht. Ich weiß aber, dass diese bei der Strategie für Südniedersachsen mit Blick auf Unternehmen wie Otto Bock, Sartorius u. a. ausdrücklich in den Blick genommen wurden, um über diesen Bereich hinauszugehen.
Von daher darf ich dazu abschließend vielleicht noch sagen: Bayern hat vor Kurzem seine HighTech-Agenda vorgestellt. Bei genauerer Betrachtung sind die Dinge, die dort angekündigt werden, so neu nicht. Die meisten der dargestellten Maß
nahmen sind bereits in den Haushalten der letzten Jahre vorhanden. Das Ganze ist sehr nett dargestellt worden.
Wir haben mit dem Innovationszentrum Niedersachsen eine Innovationsstrategie für das Land in Gänze - über Ostfriesland hinausgehend - für die einzelnen Kernfelder erarbeitet: Energie, Landwirtschaft, Ernährung in der Zukunft, Life Science, Gentechnik, Biotechnologie der Zukunft, Mobilität, Verkehre der Zukunft, bis zur Frage: Welche Rolle spielt der ländliche Raum im Verhältnis zu den Ballungsräumen, und wie können sie besser miteinander verbunden werden?
Ein solches Konzept wurde erarbeitet und ist noch in der Überarbeitung. Wir werden uns damit intensiv auseinandersetzen, weil ich glaube, dass es für Niedersachsen ganz entscheidend darauf ankommt, dass wir eine solche Innovationsstrategie entwickeln: Wo entwickeln sich in den nächsten Jahren neue Zukunftsfelder der Produktion in Ostfriesland und in Niedersachsen insgesamt? Welche neuen Wissenschaftsfelder ergeben sich aus den Digitalprofessuren von Björn Thümler in den einzelnen Regionen Niedersachsens?
Möglicherweise habe ich Ihre Frage aber auch missverstanden; vielleicht sind Sie trotzdem mit der Antwort einverstanden. Sollten Sie darüber hinaus Fragen zum Thema Innovationsstrategie - über den Transformationsprozess bei der Automobilwirtschaft hinaus - haben: Bitte schreiben Sie mir. Ich antworte Ihnen gern.
Danke, Herr Minister. - Nun erhält das Wort für eine weitere Zusatzfrage der Kollege Stefan Wenzel für Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund der Entwicklung bei Enercon, über die wir gestern diskutiert haben, und vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund der großen niedersächsischen Investitionen in die Windkraft- und in die Energieforschung, insbesondere auch im Norden - von Versuchsanlagen bis zum Windkanal, aber auch NextEnergy und viele andere Aktivitäten -, frage ich Sie: Welche Termine stehen in den nächsten zehn Tagen in Berlin an?
Der Ausbau der Windenergie in Deutschland ist die maßgebliche und grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Energiewende überhaupt gelingt.
Ein Beispiel: Wenn wir das Ziel, bis 2030 den Bruttostromverbrauch in Deutschland zu 65 % aus regenerativen Quellen zu decken, erreichen wollen, brauchen wir einen jährlichen Zuwachs um 5 GW. Die Zahl ist zwar schon genannt worden, aber ich will sie in der Dimension noch einmal darstellen. Wir brauchen also 5 000 MW jährlich, und das über zehn Jahre: Das sind 50 000 MW. Umgerechnet auf eine durchschnittliche Anlage von derzeit 3 bis 5 MW, heißt das, dass wir uns hier über 10 000 bis 15 000 Windenergieanlagen unterhalten, die wir in den nächsten zehn Jahren brauchen, wenn der Schwerpunkt auf der Windenergie liegt. Man kann natürlich auch noch mit Geothermie, Photovoltaik und anderen Technologien einen Teil abdecken; deshalb habe ich die Zahlen etwas heruntergesetzt. Bei genauer Betrachtung ergeben sich bei 3-MW-Anlagen etwa 16 000 Anlagen.
Ich glaube, anhand dieses kleinen Rechenbeispiels ist deutlich geworden, vor welchem Hintergrund wir Dinge wie Abstandsregelungen, Naturschutzauflagen und Ausgleichsregelungen für den Bau von Windparks zu debattieren haben. 60 % bis 70 % des nicht stattgefundenen Ausbaus der Windenergie in Deutschland sind auf Klagen und die Notwendigkeit, darüber auf kommunaler Ebene eine Entscheidung zu treffen, wo ausgeglichen werden muss usw., zurückzuführen. Das heißt, planungs- und genehmigungsrechtlich haben wir laut dem Bundesverband Windenenergie jetzt dem Grunde nach etwa 11 000 MW, die sich in einem Flaschenhals befinden und nicht herausgehen. Und dadurch ist der Einbruch in der Windenergiebranche zustande gekommen. Über Bürgerenergiegesellschaften usw. habe ich noch gar nicht gesprochen. Würden wir dem Ausbaubaupfad des Erneuerbare-Energien-Gesetzes folgen, müssten wir in diesem Jahr etwa 2 800 MW ausgebaut ha
Von daher nutzen wir alle Wege und Möglichkeiten. Ich habe dem Bundeswirtschaftsminister, Herrn Altmaier, unmittelbar nach Bekanntwerden der Krise bei Enercon in einem ausführlichen Brief geschrieben, wie ich das bewerte, dass wir bestimmte Regelungen brauchen und dass wir noch einmal einen Anschub für die Windenergiebranche brauchen, weil wir sonst diese sogenannte Energiewende in Deutschland nicht hinbekommen. Insofern glaube ich, dass dieser Gipfel - ich glaube, er war am 5. oder 9. September dieses Jahres -, der vor Kurzem erneut stattgefunden hat und angeblich ergebnislos auseinandergegangen ist, auch uns hier in Niedersachsen noch einmal - - -
Ich werde den Bundeswirtschaftsminister mit ziemlicher Sicherheit morgen, spätestens übermorgen in Leipzig sehen, weil er nach meiner Kenntnis Delegierter des Bundesparteitages der CDU ist. Wir haben einen ganz guten Draht, insofern werde ich die niedersächsische Position noch einmal unzweifelhaft vertreten. Ich will aber auch noch einmal deutlich machen: Diese 1000-m-Abstandsregelung wird bei uns sehr strittig diskutiert, wie sie im Übrigen in anderen Fraktionen auch strittig diskutiert wird.
(Anja Piel [GRÜNE]: Das haben wir gemerkt! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber der Ministerpräsident hat sich doch sehr eindeutig geäußert!)
- Ja, natürlich hat der Ministerpräsident sich eindeutig geäußert, dass er sich mit den Fraktionen und mit uns innerhalb der Landesregierung dem Grunde nach einig ist, dass das eine schwierige Vorgabe ist. Aber wer genau hinschaut, weiß, dass wir über die Öffnungsklausel bis hin zur Frage, ob am Ende die kommunale Ebene entscheidet, gemeinsam mit den die Regierung tragenden Fraktionen und mit Ihnen innerhalb der nächsten 18 Monate, die diese Öffnungsklausel zur Verfügung stellt, debattieren werden und dass wir hier eine adäquate Lösung finden müssen. Das hat der Ministerpräsident im Rahmen seiner Regierungserklärung sehr wohl gesagt. Er hat gesagt, dass wir uns innerhalb der Landesregierung einig sind und dass wir eine den niedersächsischen Gegebenheiten entsprechende und angemessene Abstandsregelung befürworten. Darüber wird zu sprechen sein. Genauso hat sich gestern auch der Abgeordnete Thiele im Rahmen der Debatte eingelassen. Das halte ich auch für notwendig.
Insofern, um es zusammenfassend zu beantworten: Ich habe jetzt keinen konkreten Termin in der nächsten Woche im Bundeswirtschaftsministerium, aber Sie wissen, dass wir verschiedene Wege und Möglichkeiten haben, unserer Position noch einmal gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium
darzulegen. Insofern hoffe ich, Herr Kollege Wenzel, dass ich Ihre Anfrage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet habe. Aber da Sie sich noch einmal gemeldet haben, ist das, denke ich, noch nicht der Fall. Ich werde dann gleich noch einmal zum Redepult kommen und versuchen, sie zu Ihrer Zufriedenheit zu beantworten.
Vielen Dank, Herr Minister. - Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich der Kollege Christian Meyer für Bündnis 90/Die Grünen gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Anfrage geht es ja auch um das Thema Landwirtschaft, und der Kollege Thiele hatte ja eben schon danach gefragt. Ich würde gern von der Landesregierung wissen, wie sie zum Masterplan Ems steht, der dort gestartet ist, und den Herr Thiele mit Blick auf die Tidepolder usw. weiterhin kritisiert. Setzt diese Landesregierung den Masterplan Ems weiterhin um, oder folgt sie jetzt der Kritik der CDU?
Danke schön. - Eine weitere Zusatzfrage für Bündnis 90/Die Grünen stellt nun der Kollege Stefan Wenzel.
len Dank für Ihre Antwort. Ich habe noch eine ergänzende Frage, und zwar geht es mir um die Regeln, die in Deutschland darüber bestimmen, wo Ansiedlung von Infrastruktur, von Industrie, Gewerbe usw. möglich ist. Ich frage nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, das heute z. B. auch die Zulassung von Windkraftanlagen regelt. Wollen Sie künftig für jede einzelne Technik individuelle Abstandsregeln festlegen, oder wollen Sie grundsätzlich an dem Bundes-Immissionsschutzgesetz festhalten?
Sie wissen, Herr Abgeordneter Wenzel, dass das Genehmigungsverfahren in Deutschland ausgesprochen komplex ist. Ich habe hier eine Übersicht über die wesentlichen Klagegründe gegen Windenergieanlagen in Deutschland. Da sind die Themen Artenschutz allgemeiner, Verfahrensfehler, Denkmalschutz, Lärmschutz, Gesundheit der Anwohner, optisch bedrängende Wirkung, Flächenzugriff, Flächenzugriff Landesplanung, Regionalplanung, Wegerecht, Konzentrationswirkung, Wasserschutzgebiet, Standorteignungsnachweis, Radar, Tieffluggebiet, Drehfunkfeuer und sonstige Gründe aufgeführt. Das sind also fast 20 verschiedene Hinderungsgründe, die dazu geführt haben, dass wir eine extrem komplexe Situation bei der Genehmigung von Windenergieprojekten haben und uns inzwischen wirklich in einem Genehmigungsstau befinden.
Was sagten Sie? Immissionsschutzgesetz? - Ich kann nur sagen, im Bereich des Gipfels im September beim Bundeswirtschaftsminister hat man meiner Erinnerung nach anhand von 18 Punkten alle denkbaren Hinderungsgründe zum Ausbau der Windenergie in Deutschland aufgelistet und dabei deutlich gemacht, dass man über einzelne Regelungen wird sprechen müssen und darüber, welche Grundlagen verändert werden müssen, um den Windenergieausbau nicht weiter zu behindern. Aber eine konkrete Aussage zur möglichen Veränderung des Immissionsschutzgesetzes möchte ich nicht machen. Ich will es gern nachprüfen, ob es dazu irgendwelche Positionierungen gibt. Das können Sie auch gern schriftlich bekommen.
Ich will aber einmal allgemein appellieren: Wenn wir die Ausgleichsregelungen, die Artenschutzfragen, die naturschutzfachlichen und die immissi
onsschutzrechtlichen Regelungen, die wir für Windenergie vorgeben, weiterhin in der Standardisierung vorhalten, dann werden wir auf Basis der Kombination und der Verzahnung der einzelnen rechtlichen Regelungen unser selbst gesetztes Ziel des Ausbaus der Windenergie vermutlich so nicht erreichen.
Nur ein Beispiel: Der Bund hat u. a. als Möglichkeit vorgeschlagen, eine zentrale Genehmigung auf den Weg zu bringen. Das sei dann möglicherweise vor Ort zu prüfen und sei angeblich in den Ländern besser zu organisieren. Dem halte ich entgegen: Sie haben gesehen, die Kommunen haben bzw. der Städte- und Gemeindebund hat massiv dafür geworben, dass die Genehmigung für Windenergieanlagen weiterhin in der Hoheit der Kommunen stattfindet, um einen Interessenausgleich zwischen Bürgern und Windparkbetreibern hinzubekommen. Das muss der Maßstab sein, jenseits von Immissionsschutz.
Der Maßstab muss sein: Dort, wo Windenergieakzeptanz gefördert werden kann, wo Menschenschutz und naturschutzfachliche und immissionsschutzrechtliche Auflagen in Übereinstimmung gebracht werden können, und das möglichst einvernehmlich, sind die Potenzialflächen für Windenergie verstärkt zu nutzen, sonst werden wir schlicht unser Ausbauziel verfehlen.